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EZB-Anleihekäufe
"Franzosen sehr positiv beeindruckt"

Erleichterung in Frankreich nach der EZB-Entscheidung für massenhafte Käufe von Staatsanleihen: Die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone habe "immer die Deflationsgefahr beschworen" und Gegenmaßnahmen gefordert, sagt Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut im DLF.

Henrik Uterwedde im Gespräch mit Matthias von Hellfeldt | 23.01.2015
    Das Eurozeichen vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.
    Die Entscheidung der EZB zum Kauf von Staatsanleihen sorge für Erleichterung in Frankreich, sagt Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut im DLF. (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Ob die neue EZB-Geldpolitik ein Befreiungsschlag für die französische Wirtschaft ist, werde sich noch zeigen müssen, sagte Uterwedde im Deutschlandfunk. "Die besonnen Medien und auch die einen oder anderen Politiker haben darauf hingewiesen, dass die EZB-Entscheidung alleine nicht die französischen Konjunkturprobleme nicht wird beheben können." Premierminister Manuel Valls habe sich bereits für die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen ausgesprochen, damit die Wirtschaft wächst. "Sonst könnte es passieren, dass Frankreich nach ein oder zwei oder drei Jahren eigentlich nichts von dieser Entscheidung gewonnen hätte."
    Die ablehnende Haltung Deutschlands an den geplanten Anleihekäufen habe die Beziehung belastet, sagte Uterwedde. "Das war ein Moment der Spannung" zwischen den Regierungen und den öffentlichen Meinungen beider Länder. Insofern seien die Franzosen jetzt "sehr positiv beeindruckt" über die Entscheidung der EZB, bis Ende September 2016 monatlich 60 Milliarden Euro in den Ankauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren aus den Euro-Ländern zu investieren.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Und wenn die Griechenland-Wahl für Unsicherheiten sorgt, dann ändert das nichts daran, dass die Anleger gestern begeistert waren. Mehr als eine Billion Euro will die EZB bis Herbst nächsten Jahres in Staatsanleihen stecken und damit will EZB-Präsident Draghi einen flächendeckenden Preisverfall verhindern. Der DAX reagierte auf die EZB-Entscheidung mit einem Rekord von zwischenzeitlich 10.454 Punkten. Da ist die Skepsis bei der deutschen Politik schon höher. Viel besser ist man in Frankreich auf Draghis Aufsehen erregenden Schritt zu sprechen. Mein Kollege Matthias von Hellfeld hat darüber mit Henrik Uterwedde gesprochen vom Deutsch-Französischen Institut.
    Matthias von Hellfeld: Wie sehen denn die Franzosen die Entscheidung der EZB?
    Henrik Uterwedde: Na ja, das ist nur eine Entscheidung, die man in Frankreich, sowohl die Öffentlichkeit, die Medien als auch die Politik, seit Monaten, seit geraumer Zeit eigentlich erwünscht, herbeigewünscht hat, und insofern wird diese Entscheidung der EZB sehr, sehr positiv aufgenommen.
    Frankreich hat immer die Deflationsgefahr beschworen, sich immer für Maßnahmen ausgesprochen, um dieser Deflationsgefahr entgegenzuwirken, und insofern sind die Franzosen jetzt sehr, sehr positiv beeindruckt und überrascht von dieser Entscheidung.
    Uterwedde: EZB-Entscheidung alleine wird Frankreichs Konjunkturproblem nicht lösen
    von Hellfeld: Sie beobachten ja sozusagen von Berufswegen die französische Politik. Wie ist Ihre Einschätzung? Wird diese Entscheidung die französische Politik in Richtung Reformen drängen oder anfeuern, weitere Reformen auf den Weg zu geben?
    Uterwedde: Na ja, das wird man sehen. Ich bin sehr gespannt, wenn ich morgen die Zeitungen ausführlich lese, ob eigentlich der Satz von Mario Draghi darin vorkommt, dass jetzt die EZB hier das ihre getan hat und dass der Rest dann aber auch, bitte schön, in der nationalen Wirtschaftspolitik zu geschehen habe.
    Sagen wir mal so: Die besonnenen Medien und auch die einen oder anderen Politiker haben bereits darauf hingewiesen, dass diese EZB-Entscheidung alleine nicht die französischen Konjunkturprobleme wird beheben können und dass die Notwendigkeit, Strukturreformen weiter durchzuführen und auch noch weiter auf diesem Weg voranzugehen, dass das weiterhin bleibt. Ob das jetzt durch diesen Schritt Mario Draghis und der EZB gefördert wird, da kann man geteilter Meinung sein.
    Es gibt ja auch die Meinung, auch die Befürchtung der Bundeskanzlerin, dass der Druck, der Reformdruck weggenommen worden ist, indem jetzt einfach alle etwas mehr Luft haben zum Atmen.
    Ich wünsche der französischen Politik und uns allen eigentlich, dass die Regierung auf dem vorangeschrittenen Weg weitergeht. Der Premierminister Valls steht eigentlich dafür, dass er sehr genau weiß, diese Reformen sind notwendig für die französische Wirtschaft, und es ist zu hoffen, dass die Politik hier tatsächlich auch entschlossen weitermacht, weil sonst könnte es passieren, dass Frankreich nach ein oder zwei oder drei Jahren eigentlich nichts von dieser Entscheidung an Positivem gewonnen hätte.
    "Da gab es schon sehr viel Kritik"
    von Hellfeld: Frankreich und Deutschland sind zwei wichtige Länder in der Europäischen Union und natürlich auch in der Euro-Zone. In Deutschland, habe ich eben schon gesagt, überwiegen so ein bisschen die Bedenken und die Skepsis dieser Politik gegenüber. Wie kommen diese deutschen Bedenken in Frankreich an?
    Uterwedde: Die sind eigentlich immer eher negativ gesehen worden. Es wurde auch teilweise der Bundesregierung unterstellt, man denke in allererster Linie an die deutschen Steuerzahler oder an die deutschen Bürger und scheue das finanzielle Risiko. Andere sagten dann, die Deutschen unterschätzten die Deflationsgefahr und sie sind einfach nicht willens, die reale Lage in der Euro-Zone zu sehen. Da gab es schon sehr viel Kritik, wie auch bei vielen anderen Punkten der deutschen Euro-Politik.
    Das war ja doch ein Moment der Spannung eigentlich zwischen beiden, nicht nur zwischen den Regierungen, sondern auch zwischen den öffentlichen Meinungen. Insofern wird man sicherlich, die Qualitätspresse und auch die Medien werden sicherlich auch darauf schauen, wie auch Berlin reagiert. Es gab im Vorfeld in fast jeder Zeitung Berichte, wie sehr die Deutschen bis zur letzten Minute eigentlich versucht haben, diese EZB-Entscheidung wenn nicht zu verhindern, so doch dann abzumildern, oder dafür zu sorgen, dass sie geringer ausfällt.
    Schulz: Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut im Gespräch mit dem Kollegen Matthias von Hellfeld.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.