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EZB-Ratssitzung
Keine Zinserhöhung in Sicht

Die Sitzung des Rats der EZB ist eine der wichtigsten Notenbanksitzungen des Jahres: Es werden sogenannte Projektionen für Wachstum und Inflation vorgelegt. Eine Zinserhöhung werde es aber wohl nicht geben, sagte Klemens Kindermann aus der Dlf-Wirtschaftsredaktion. Im Falle einer Rezession bleibe damit kaum Spielraum.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Silvia Engels | 13.12.2018
    Europäische Zentralbank und Frankfurter Skyline am Main.
    Die Sitzung des Rats der EZB ist eine der wichtigsten Notenbanksitzungen des Jahres (dpa)
    Silvia Engels: Heute kommt der Rat der Europäischen Zentralbank in Frankfurt zum letzten Mal in diesem Jahr zusammen, um über die Zinsen zu entscheiden. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: Werden da auch die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien eine Rolle spielen?
    Klemens Kindermann: Ja, ganz bestimmt. Heute ist eine der beiden wichtigsten Notenbanksitzungen des Jahres: Es werden sogenannte Projektionen für Wachstum und Inflation vorgelegt, das passiert viermal im Jahr, im Juni und Dezember aber gemeinsam entwickelt mit den nationalen Notenbanken. Deshalb hat diese Prognose heute ein besonderes Gewicht. Und da müssen die Risiken für die Wirtschaft in der Eurozone abgebildet sein: die schrumpfende Wirtschaft in Deutschland und Italien im dritten Quartal, der Handelsstreit zwischen den USA und China und allen voran die Gefahr eines kalten Brexits. Ein EZB-Watcher – so nennt man die geldpolitischen Analysten - sagte gestern, diese neuen Projektionen hätten das Zeug, die Märkte zu erschüttern.
    Engels: Wird denn die EZB heute schon sagen, wann sie die Zinsen erhöhen will?
    Kindermann: Darauf warten natürlich alle. Bislang hat die EZB die Märkte darauf vorbereitet, dass es 2019 nun endlich soweit sein könnte, möglicherweise nach dem Sommer 2019, dass die Zinsen von 0,0 Prozent endlich steigen. Aber genau dafür sind diese Voraussagen für die Inflation und das Sozialprodukt so wichtig: wenn die zu sehr herabgesetzt werden, dann heißt das, es gibt auch keine Zinserhöhung im nächsten Jahr. Denn dann wird die EZB das Geld noch weiter billig halten wollen, um die Konjunktur zu stützen.
    Engels: Die Inflation lag zuletzt im November bei zwei Prozent – das ist ja eigentlich auch das Ziel der EZB?
    Kindermann: Ja genau, die Preise stabil halten – das ist ja der Hauptzweck, man kann sagen: die Daseinsberechtigung der EZB. Bei knapp unter 2 Prozent geht man von stabilen Preisen aus. Aber, wenn man genauer hinschaut, und das tut die EZB eben auch: Diese zwei Prozent liegen hauptsächlich an den Ölpreisen, die im Vergleich zum Vorjahr sehr angezogen haben. Wenn man die rausrechnet, also die sogenannte Kerninflation nimmt, dann sind wir nur noch bei einem Prozent. Und das reicht der EZB eben nicht – also keine Zinserhöhung.
    Engels: In den USA ist man beim Thema Zinserhöhung schon weiter?
    Kindermann: Ja, da wurden die Zinsen Schritt für Schritt erhöht – auf aktuell 2,0 bis 2,25 %. Die USA haben damit geldpolitisch wieder Wasser unter dem Kiel, sind handlungsfähig bei einer Rezession, können die Zinsen senken. Das geht hier in Europa nicht, wir liegen weiter mit unserem Zinskahn ziemlich auf dem Sand. Und die nächste Rezession könnte in den USA schon auf dem Vormarsch sein. Erstmals seit gut einem Jahrzehnt liegen da die Renditen länger laufender Staatsanleihen teilweise unter denjenigen mit kürzerer Laufzeit. Das nennt man eine "inverse Zinskurve" und die gilt als sicheres Anzeichen für eine drohende Rezession. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es diese Inversion schon achtmal und jedes Mal war eine Rezession die Folge. Die würde dann auch Europa empfindlich treffen, womöglich mehr als die USA, weil wir keinen Schuss mehr im Zins-Colt haben.
    Engels: Ganz kurz: Die EZB berät auch noch über ihr Anleihekaufprogramm. Was ist da zu erwarten?
    Kindermann: Es dürfte formal das Auslaufen des Kaufprogramms beschlossen werden. Das werden bis Ende des Jahres dann insgesamt unvorstellbare 2,6 Billionen Euro sein. Nur noch auslaufende Papier werden dann wohl ersetzt. Aber wie man von diesem Wertpapier-Mount Everest wieder herunterkommen will, das steht in den Sternen.