Dienstag, 19. März 2024

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Fabio de Masi (Linke)
Brauchen mehr Leute zur Auswertung der Panama Papers

Der Linken-Politiker Fabio de Masi mahnt mehr Personal an, um die Panama Papers auf Verdachtsfälle von Steuerbetrug auszuwerten. Ermittler bräuchten politische Rückendeckung - und ein Strafrecht, mit dem man ganze Unternehmen wegen Steuervermeidung belangen kann, nicht bloß Einzelpersonen.

Fabio de Masi im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 24.04.2019
Der Spitzenkandidat der Linken in Hamburg, Fabio De Masi, spricht am 01.09.2017 auf einer Bühne in Hamburg. Foto: Daniel Reinhardt/dpa | Verwendung weltweit
Fabio de Masi ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag (dpa / Daniel Reinhardt)
Jürgen Zurheide: Reden wollen wir mit einem Kenner der Papers aus Panama und anderer Dinge in diesem Feld – Fabio de Masi von der Linken ist jetzt am Telefon. Schönen guten Abend!
Fabio de Masi: Guten Abend, Herr Zurheide!
Zurheide: Fangen wir mal an: 4,2 Millionen – was löst diese Zahl bisher bei Ihnen aus angesichts einer Erwartungshaltung von 150 Millionen, oder waren das die üblichen journalistischen Übertreibungen?
de Masi: Nein, also, es gibt sehr widersprüchliche Zahlen in der Tat. Das liegt daran, dass zum Beispiel das Bundesland Nordrhein-Westfalen bereits einen Teil, der dann auch in den Panama Papers wieder aufgetaucht ist, von Daten dieser Kanzlei aus Panama, die das Ganze eingefädelt hat, Mossack Fonseca bereits vorliegen hatte, und die haben zahlreiche Strafverfahren gegen Banken eingeleitet, und da sind wohl so um die 108 Millionen Euro reingekommen und auch über 20 Millionen Euro aus Steuerverfahren. Das wurde jetzt hier wiederum nicht mitgezählt.
"Brauchen Aufstockung des Personals"
Natürlich ist es so, dass auch erst ein Bruchteil der ganzen Daten ausgewertet wurde, und dafür braucht man mit Sicherheit auch mehr Personal, damit sich das lohnt, aber es gibt etwas, was noch über diese Zahlen hinausgeht, das ist nämlich das Entdeckungsrisiko, und das wurde maßgeblich erhöht durch die Panama Papers. Mir sagte mal der frühere Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans, der damals die Schweizer Steuer-CDs kaufte, dass allein durch dieses Entdeckungsrisiko auch jede Menge Geld hineinkam.
Zurheide: Das ist sicher das eine, auf der anderen Seite, wenn man dann hört, acht Ermittler in Kassel, das ist ehrenwert, was sie da tun, aber angesichts der Menge, was löst das bei Ihnen aus, oder fragen wir andersherum: Was müsste getan werden?
de Masi: Wir brauchen mit Sicherheit eine Aufstockung des Personals sowohl bei den Steuerbehörden als auch kriminalistisches Personal, denn auch die besten Computer lösen das natürlich nicht. In einem Rechtsstaat muss man natürlich sauber ermitteln, und das ist sicherlich ehrenwert, wenn da in Kassel acht Leute in einem Ermittlungsteam sitzen bei Olet, das kommt aus dem Lateinischen, –
Zurheide: Pecunia non olet.
de Masi: – Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Also Humor haben die auf jeden Fall.
Zurheide: Wir verstehen die Ironie.
de Masi: Aber es bräuchte mehr Personal. Genau.
Ermittler brauchen Rückendeckung aus der Politik
Zurheide: Ich will mal andersrum fragen: Wie ernsthaft wird denn da überhaupt ermittelt? Sie haben jetzt gerade auch mal Nordrhein-Westfalen angesprochen, da gab es einen früheren Finanzminister. Ich gehe jetzt mal weiter: Da gab es auch eine Steuerfahndung in Wuppertal, die war besonders bekannt. Der Chef ist weg, die, die da mit ihm zusammengearbeitet hat, eine bestimmte Ermittlerin, die ist inzwischen auf der anderen Seite, weil sie nicht die Perspektiven hatte. Glauben Sie, dass in diesem Staat wirklich ernsthaft vorgegangen wird? Ich gebe es offen zu, ich habe da manchmal meine Zweifel.
de Masi: Ich glaube, dass es viele hochmotivierte Ermittler gibt, aber für die ist natürlich wichtig, dass sie auch die Rückendeckung aus der Politik haben. Unter Norbert Walter-Borjans, dem damaligen NRW-Finanzminister, war das der Fall. Da wussten die Ermittler, wenn sie jetzt hier wirklich auf den Busch klopfen, dann können sie sich drauf verlassen, dass sie…
Zurheide: Klammer auf: Das sagt jetzt ein Linker.
de Masi: Das sagt ein Linker, ja. Norbert Walter-Borjans war SPD-Finanzminister, aber das ist wirklich ein Kollege, den ich sehr schätze. Es ist so, dass in Hessen zum Beispiel einige der erfolgreichsten Steuerfahnder vor die Tür gesetzt wurden, weil sie Deutsche Bank und Co. zu sehr auf die Pelle gerückt sind, und die wurden dann mit medizinischen Gutachten, die später von einem Gericht wieder aufgehoben wurden, vor die Tür gesetzt. Das heißt, es ist schon entscheidend, ob es auch Rückendeckung aus der Politik gibt. Wir sehen das auch bei der ganzen Debatte um die Cum-Ex-Verfahren.
Ich denke, das ist von daher auch wichtig, dass das Personal vorgehalten wird, weil häufig können solche Verfahren auch nicht erfolgreich zu Ende geführt werden, weil es an Personal mangelt. Da muss dann gar keiner mehr die Steuerfahnder davon abhalten. Die schaffen das dann einfach nicht in der vorgesehenen Zeit. Es gibt ja auch Verjährungsfristen, und zusätzlich bräuchten wir sicherlich ein Unternehmensstrafrecht, damit man in solchen komplexen Organisationen, wie zum Beispiel der Deutschen Bank, dann auch das ganze Unternehmen belangen kann und nicht nur immer dann Bauernopfer gesucht werden.
Nicht alle machen mit beim Informationsaustausch
Zurheide: Das war jetzt sozusagen der interne Part, der geregelt werden könnte in Deutschland. Dann kommen wir noch mal kurz auf die internationale Ebene. Erstens, was brauchen wir an grenzüberschreitender Zusammenarbeit und dann möglicherweise Angleichung von Steuersätzen? Fangen wir an mit internationaler Zusammenarbeit. Was würden Sie sich wünschen?
de Masi: Wir haben zum Beispiel den Informationsaustausch in Steuersachen, und es gibt ein Land, das sich dem weitestgehend entzieht, das sind die Vereinigten Staaten, und das spielt natürlich eine erhebliche Rolle. Die Vereinigten Staaten selber mit Bundesstaaten wie Nevada, Delaware, die dort Briefkastenfirmen schützen, die sind eigentlich Schattenfinanzplätze, und wenn die USA nicht hinreichend Daten liefern, dann stößt das Ganze schon an seine Grenzen. Ich glaube, dass man auch bei notorischen Steueroasen, ob das jetzt Malta oder Luxemburg ist, auch wenn die in der EU nicht so bezeichnet werden, obwohl das eindeutig Steueroasen sind…
Zurheide: Das sind die vermeintlichen grauen Listen, die dann doch nicht so richtig zustande kommen, richtig?
de Masi: Genau, es gab eine schwarze Liste der Steueroasen in der EU, aber da steht gar kein einziges EU-Mitgliedsland drauf, weil die setzen sich da natürlich nicht selber drauf, und selbst wenn man einen Steuersatz von null Prozent erhebt, ist man nach dieser Liste nicht automatisch Steueroase. Das ist ungefähr so, als wenn ich in die Alkoholkontrolle fahre mit 100 Prozent Alkohol im Blut und behaupte, ich sei nüchtern.
Von daher, denke ich, brauchen wir auch härtere Maßnahmen, das heißt zum Beispiel, dass wir nicht warten, bis sich alle im Rahmen der OECD, des Industrieländerclubs, geeinigt haben oder alle im Rahmen der EU geeinigt haben, wo wir derzeit noch 28 Mitgliedsstaaten haben, sondern dass zum Beispiel Deutschland oder Frankreich sagen, wenn die nicht spuren beim Informationsaustausch, dann erheben wir Straf- oder Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen, denn ganz viele dieser Gelder fließen ja erst von Deutschland oder Frankreich nach Luxemburg, denn Apple will sein iPhone eben nicht in Luxemburg, sondern in Deutschland oder Frankreich verkaufen.
Konzerngewinne für jedes EU-Land einzeln ausweisen
Zurheide: Damit sind wir fast bei den großen Internetkonzernen, wo wir auch eine Steuer brauchen. Die Franzosen machen es, wir machen nicht mit. Also überall kommen wir doch an die gleiche Grenze, oder?
de Masi: Ja, und da reicht es nicht mit dem Finger, ich sage jetzt mal, auf Luxemburg oder so zu zeigen. Es gibt zum Beispiel eine Maßnahme, die hat die EU-Kommission vorgeschlagen, neben der ganzen Debatte um die Digitalsteuer, dass nämlich internationale Konzerne für jedes Land in der EU ausweisen müssen, wie hoch ihre Gewinne sind, wie hoch die Steuern, die sie darauf bezahlt haben. Wenn man dann sieht, in einem Land haben sie sehr hohe Gewinne, aber fast keine Steuern gezahlt, dann ist da offensichtlich etwas faul, und sie verschieben die Gewinne.
Diese Maßnahme, das nennt man "Country by Country Reporting", wird blockiert von Luxemburg und Malta, aber auch von einem deutschen Finanzminister, der immerhin Sozialdemokrat ist, und das sind dann nicht nur Malta oder Luxemburg, und da müssen wir uns wirklich an die eigene Nase fassen beziehungsweise die Bundesregierung. Für die trägt die Bevölkerung natürlich keine Verantwortung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.