Freitag, 29. März 2024

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Facebook und der Datenschutz
"Die Amis tischen uns eine Lügengeschichte auf"

Verstößt Facebook mit seinen Voreinstellungen gegen den Datenschutz? Ja, haben nun Berliner Richter entschieden - für Deutschland. Dabei müssten solche Fragen für ganz Europa geklärt werden, sagte Datenschutzaktivist Max Schrems im Dlf. Facebook orientiere sich noch immer an US-Vorgaben.

Max Schrems im Gespräch mit Isabelle Klein | 13.02.2018
    Der Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg
    Facebook-Gründer Mark Zuckerberg: Welche Informationen speichert sein Unternehmen? (picture alliance / Andrej Sokolow/dpa)
    Isabelle Klein: Wer die Facebook-App auf seinem Smartphone installiert, der bekommt einen Ortungsdienst bereits voreingestellt mitgeliefert – genauso wie viele andere Privatsphäre-Einstellungen , die der Nutzer zwar deaktivieren könnte, die sich aber tief in den Nutzungs- und Datenschutzbedingungen verstecken; und manchmal auch hinter Formulierungen, die nicht auf den ersten Blick klarmachen, worum es eigentlich geht. Mit einigen Voreinstellungen und Teilen seiner Nutzungs- und Datenschutzbedingungen verstößt Facebook gegen Verbraucherrecht in Deutschland – das hat gerade das Landgericht Berlin entschieden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte geklagt. Max Schrems, Jurist und Datenschützer aus Österreich: Werten Sie das Urteil als Erfolg?
    Max Schrems: Generell ist es so, dass Facebook sich an seine Nutzungsbedingungen praktisch nach amerikanischem Recht ausrichtet. Das heißt die haben weltweit einheitliche Nutzungsbedingungen, die gelten großteils in Europa nicht. In Deutschland hat gerade der VZBV schon einige Urteile da errungen. Das Spannende zum Beispiel aus meiner Sicht als Österreicher ist, dass diese Sachen alle europarechtlich eigentlich nicht erlaubt sind. Das heißt jetzt müsste da jedes Mitgliedsland einzeln klagen, bis Facebook sich da mal dran hält. Da sieht man, dass die Unternehmen oft am längeren Hebel sind: Oft werden da Urteile errungen, wo die entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon seit Jahren gar nicht mehr gültig sind, weil die Gerichte da einfach viel langsamer sind als die Unternehmen, und da kommen die oft leicht mit davon.
    Klein: Das Gericht hat unter anderem kritisiert die Voreinstellung, dass in der Facebook-App für Mobiltelefone der Ortungsdienst bereits aktiviert ist. Was sind denn aus Ihrer Sicht besonders gravierende Punkte in den Datenschutzrichtlinien bei Facebook, die Sie immer wieder kritisieren?
    Schrems: Das Spannende ist: Es gibt fast keine Punkte, die man so ganz konkret kritisieren kann, weil die ganzen AGB so schwammig geschrieben sind, dass Facebook eigentlich überhaupt nicht sagt, was es mit den Daten tut. Also da gibt's dann – ich weiß gar nicht, was die aktuellen sind – aber es wird Formulierungen geben wie 'Wir nutzen Deine Daten, soweit es für unsere Dienste erforderlich ist und unserer Partner'. Das ist eine Zustimmung, die ist in Europa eigentlich gar nicht gültig, weil ich kann nur zustimmen, was spezifisch erklärt ist und ich voll informiert worden bin. Facebook verwendet normalerweise so Generalklauseln und erlaubt sich damit alles. Und das ist eben klassisch dieser kalifornische Zugang, weil ich nach kalifornischem Recht nur allgemein sagen muss, was ich mit den Daten tue. Und wenn ich's irgendwie einschränke und dabei läge, dann habe ich ein Problem. Nach europäischem Recht muss ich's aber einschränken, und da spießt's sich. Nach amerikanischem Recht probieren es die Juristen möglichst generisch zu schreiben, möglichst keine konkrete Aussage zu machen. Nach europäischem Recht müssen sie aber eine konkrete Aussage machen. Und bisher halten sich halt viele Konzerne dann ans amerikanische Recht und nicht wirklich ans europäische. Und das ist in Wirklichkeit der Konflikt, den wir im Hintergrund da haben.
    "Firmengeheimnis, was mit unseren Daten passiert"
    Klein: Es ist auch nicht ganz einfach da, als Verbraucher den Überblick zu bewahren.
    Schrems: Es ist unmöglich als Verbraucher. Das ist auch ein großes Problem, was wir im Datenschutz haben, dass es heißt, der Nutzer soll sich doch informieren. In Wirklichkeit habe ich als Nutzer da keine Chance, mich zu informieren. Ich beschäftige mich mit Facebook schon seit sieben Jahren. Ich kann bis heute nicht genau sagen, was die mit den Daten tun, weil es schlichtweg praktisch Firmengeheimnis ist, was mit unseren Daten passiert. Nach europäischem Recht müssen die mich aber voll aufklären, sonst ist meine Zustimmung gar nicht gültig. Und da ist eigentlich dieser Konflikt drinnen.
    Der österreichische Datenaktivist Max Schrems vor Journalisten. Er lacht.
    Der österreichische Datenaktivist Max Schrems vor Journalisten: Mit seiner Klage gegen Facebook viel Aufmerksamkeit erzeugt. (CHRISTIAN BRUNA / AFP)
    Klein: Das Urteil, das ist ja auch noch nicht rechtskräftig. Facebook will nach eigenen Angaben gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung gehen. Und Facebook plane, die Datenschutzrichtlinien auf Grundlage der im Mai in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung der EU zu aktualisieren. Was bedeutet die für uns Nutzer dann?
    Schrems: Die DSVGO, das ist das europaweit neue Datenschutzrecht, das ersetzt im Prinzip das nationale Datenschutzrecht, hat wirklich jetzt mal sehr, sehr strenge Vorgaben im Bereich der Zustimmung. Da muss man dann eben mal wirklich informiert sein, die Sachen müssen erst mal deaktiviert sein und ich muss sie dann als Nutzer aktivieren, wenn ich es wirklich nutzen will; nicht, wie Facebook es teilweise gemacht hat, dass sie einfach neue Funktionen hinzugefügt haben und die automatisch aktiviert haben. Und das Spannendste an der neuen Datenschutzgrundverordnung – das ist auch der Grund, warum sich Unternehmen jetzt damit beschäftigen – ist, dass es massive Strafregister gibt. Es gibt zum Beispiel im Fall von Facebook bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes als Strafe, und es wird interessant, wie diese Strafen auch durchgesetzt werden. Im Fall von Facebook, glaube ich, wird es schwierig, weil die Unternehmenskultur so dem Datenschutz widerspricht, dass es wahrscheinlich nicht ganz einfach wird für die, einfach mal so schnipp zu sagen 'Ab dem und dem Datum sind wir voll datenschutzkonform, wenn wir es jahrelang genau das Gegenteil waren'.
    NGO gegründet, um "kollektiv Datenschutz durchzusetzen"
    Klein: Sie haben die NGO "None of Your business" (Noyb) gegründet, "Das geht Dich nichts an" auf Deutsch. Damit wollen Sie und Ihre Kollegen private Datenschutzklagen gegenüber Großkonzernen wie Facebook effektiver durchsetzen und setzen eben auch auf diese Veränderung der Datenschutzgrundverordnung. Wie wollen Sie denn da konkret vorgehen?
    Schrems: Wir haben das Problem, dass wir Datenschutz bisher national durchsetzen. Aber es ist sinnvoller, solche Fragen europaweit zu klären, weil wir dann nicht 28 mal einzeln klagen müssen. Und die Idee von Noyb ist, dass wir kollektiv Datenschutz durchsetzen. Datenschutz ist ein klassischer Streuschaden, das haben wir auch in anderen Rechtsbereichen, im Verbraucherrecht sehr oft, dass sozusagen jeder Einzelne mit einem kleinen Schaden betroffen ist, und es sich für den einzelnen Nutzer schlichtweg nicht auszahlt, deswegen jetzt fünf Jahre gegen Facebook zu klagen, oder gegen Google oder was weiß ich für ein Unternehmen. Das kostet dann schnell ganz viel Zeit und ganz viel Geld. Und das Einzige, wie wir das realistisch durchsetzen können, ist eben so ähnlich, wie wir es bisher im Verbraucherrecht gemacht haben, dass wir eben Verbände haben, die es dann im Namen aller durchsetzen. Und neu ist der Versuch, das auf europäischer Ebene zu machen. Und damit ist, glaube ich, sehr viel zu holen, wo man einfach mit weniger Aufwand schneller zum Ziel kommt, als wenn jeder einzeln und national klagt.
    Der Wiener Aktivist Max Schrems hatte Ende Januar vor dem Europäischen Gerichtshof das Recht erstritten, den Internetriesen in seiner Heimat zu verklagen. Der EuGH lehnte allerdings eine von Schrems angestrebte Sammelklage gegen Facebook in Österreich ab.
    Klein: Also Sie erhoffen sich tatsächlich die großen Erfolge gegen Facebook?
    Schrems: Sagen wir mal: die größeren als bisher. Das ist, wie bei allen Grundrechten, ist es ein endloser Kampf, die sind nie fertig gewonnen. Aber im Datenschutz ist es bisher so, dass man sich wirklich fast gar nicht dranhält. Und da ist schon sehr viel Möglichkeit, auch durch gezielte Beschwerden, hochzukommen, indem man die richtigen Klagen einbringt an den richtigen Stellen.
    Klein: Das Thema Datenschutz ist ja auch mittlerweile bei Facebook angekommen, zumindest wenn man mal auf die Aufklärungskampagne schaut, die Facebook gerade fährt, seit ungefähr einem Monat mit Plakaten an Bushaltestellen, aber auch mit Erklär-Videos in unseren Facebook-Streams. Ist das jetzt ein Zeichen für Sie, dass Facebook zunehmend unter Druck gerät?
    Schrems: Das ist zumindest ein Kritikpunkt, wo sie jetzt irgendwie mal probieren zu reagieren. Das Spannende ist ja diese ganze Lügengeschichte, die die Amis uns da auftischen: Diese Promo-Videos, die in Wirklichkeit am Problem vorbeireden, aber für die meisten Leute nicht leicht durchschaubar sind. Was macht Facebook da? Sie schauen sich hauptsächlich an: Wie teile ich Daten mit anderen? Also zum Beispiel mit meinen Freunden oder mit meinem Chef oder so. Um was es gar nicht geht, ist: Wie teile ich Daten mit Facebook? Was machen die mit meinen Daten? Oder wie gibt Facebook diese Daten zum Beispiel an US-Geheimdienste weiter. All das steht in dieser Kampagne nirgendswo drinnen. Da wird auch nicht informiert drüber. Und das ist eigentlich das wirklich Spannende. Und es ist schön zu sehen, wie diese Ablenkungskampagne doch ganz gut funktioniert, weil sie hat ja irgendwie mit Datenschutz zu tun und die reden ja noch über irgendwas da. Aber in Wirklichkeit ums Kernproblem, nämlich was die Konzerne mit unseren Daten machen – da wird sozusagen fröhlich der Mantel des Schweigens drüber gelegt. Und das ist relativ unredlich, wie da vorgegangen wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.