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Facebooks PR-Offensive
Über Löschpraxis reden und Studiengänge finanzieren

Der Politik steht Facebook-Gründer Mark Zuckerberg derzeit Rede und Antwort - in den USA ebenso wie in Europa. Facebook kämpft gegen das Image an, eine "Blackbox" zu sein, auch mit weiteren Aktivitäten. Doch wie offen, transparent und ansprechbar ist Facebook dabei wirklich?

Von Daniel Bouhs | 23.05.2018
    Der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, schüttelt Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Brüssel die Hand.
    PR per Handschlag: Zuckerberg und EU-Parlamentspräsident Tajani (dpa-Bildfunk / AP / Geert Vanden Wijngaert)
    "Guten Abend, good evening ladies and gentlemen and a very, very warm welcome to this Facebook-"Forum"-event on Community Standards. I am …"
    Guten Abend zum Facebook-"Forum: Gemeinschaftsstandards" - einer neuen Diskussionsrunde, in der sich künftig weltweit Facebook-Vertreter und Kritiker austauschen über die Löschpraxis des Konzerns bei Hass, Hetze und anderen umstrittenen Inhalten. Ein wesentlicher Bestandteil der neuen PR-Offensive.
    Handbuch für Facebook-Löschteam veröffentlicht
    Facebook hat seine lange geheimen "Gemeinschaftsstandards" veröffentlich, das Handbuch für seine Löschteams, und stellt das Dokument selbst zur Diskussion. So wird - anders als lange üblich - nicht nur über Facebook geredet, sondern auch mit.
    Den Auftakt macht der Konzern passenderweise in Deutschland. Hier hat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu Jahresbeginn den Druck auf Plattformen erhöht. Aus dem Silicon Valley in Berlin eingeflogen ist Facebook-Managerin Monika Bickert.
    "Thank you so much for coming and sharing your time with us…"
    Beispiele aus der Praxis wecken Verständnis
    Die Juristin hat für die US-Regierung gearbeitet. Inzwischen leitet sie bei Facebook als "Head of Global Policy Management" die Löschaktivitäten des Konzerns. Ihre Botschaft: Die Löschtrupps seien so groß und auf der ganzen Welt verteilt - da könnten nur sehr detaillierte Regeln dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter gleich darüber entscheiden, ob ein Inhalt auf der Seite stehen bleiben darf oder nicht - egal, ob sie gerade in den USA oder Deutschland sitzen:
    "We have these people sitting - with different backgrounds, in different areas - we have to make sure, they reach the same decision, whether the content is reviewed in the US or is reviewed here. And so that is why these rules have to be so detailed to be operable."
    Dem Publikum zeigt Bickert auch einzelne Fälle aus der Praxis. Die nackte Brust einer Frau - erlaubt, wenn sie etwa stillt und keinen Sex hat, zum Foto offensichtlich nicht gezwungen wird und vor allem volljährig ist. Solche Entscheidungen sind nicht immer einfach. Das wird den Besuchern bei diesem seltenen Einblick in die Praxis klar. Die Strategie von Facebook geht auf. Die Diskussion weckt Verständnis.
    Wohlfühlpaket für Journalisten
    Facebook lädt auch immer häufiger Journalisten, Politiker und Vertreter von Verbänden für Menschen- und Freiheitsrechte zur Diskussion. So wie an diesem Abend Christan Mihr, den Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland. Er sagt: Nach Jahren der Geheimnistuerei öffne sich Facebook nun - irgendwie.
    "Ich weiß noch nicht, in welche Richtung sich das entwickelt, aber ich erlebe schon Facebook-Vertreter - zum Teil dieselben Facebook-Vertreter, die ich vor drei, vier Jahren hinter verschlossenen Türen gesehen habe - die jetzt öffentlich reden und auch anders reden."
    Dazu kommt, dass Facebook sich nicht mehr gänzlich abschottet, sondern sich zunehmend mit der Gesellschaft vernetzt. Das Vehikel dazu sind die Medien, die über ihre Berichterstattung Stimmung für oder gegen das Netzwerk machen können. Letztlich zieht Facebook da mit Google gleich. Google finanziert bereits mit einem ordentlichen dreistelligen Millionen-Betrag europaweit Projekte aus dem Journalismus und macht sich so gezielt in der Medienszene beliebt.
    Der Geschäftsführer von "Spiegel Online" hat gerade erklärt, er wechsle bald zu Facebook, um sich um "Medienpartnerschaften" zu kümmern. Außerdem finanziert Facebook der Hamburg Media School nun einen Studiengang, der etablierte Journalisten fit fürs Digitale machten will. Ein Wohlfühlpaket - Reisekosten inklusive.
    Mark Zuckerberg – Herzstück der PR-Offensive
    Herzstück dieser PR-Offensive sind aber natürlich die Auftritte von Portalgründer Mark Zuckerberg - erst in Washington, nun auch in Brüssel. Es ist ganz offensichtlich die kommunikative Flucht nach vorn, um einer weiteren Regulierung zu entgehen oder gar einer Zerschlagung. Immerhin ist Facebook längst ein Imperium für digitale Plattformen. Auch Whatsapp und Instagram gehören dazu.
    Der Auftritt von Mark Zuckerberg in Brüssel zeigt allerdings auch, dass Facebook bei aller neuen Offenheit die Kommunikation weiter so gut es geht kontrollieren will.
    "So thank you for inviting me to the European Parliament today. And I am ready to take your questions which I am looking forward to hearing and I will answer together at the end."
    Zuckerberg erklärte, er freue sich vor dem EU-Parlament zu sein. Er sei bereit, Fragen zu beantworten und neugierig. Nur - er werde sich erst alle Fragen anhören und dann abschließend Antworten. Am Ende blieb dabei einiges auf der Strecke. Abgeordnete empörten sich. Sie hätten sich - wie vor dem US-Kongress - einzelne Frage-Antwort-Pärchen gewünscht. Zuckerberg habe sich aber durchgesetzt.
    Facebook kommuniziert – noch mit angezogener Handbremse
    Ja, Facebook kommuniziert spürbar mehr, hat dabei aber noch die Handbremse angezogen. So auch bei der Premiere der "Forum"-Reihe zur Löschpraxis. Die einzigen Kameras, die erlaubt waren, kamen von Facebook - für einen Mitschnitt im Netz. Die eingeflogene Managerin beantwortete zwar Fragen von Journalisten, aber nur hinter verschlossener Tür. In ein Mikrofon sollte sie nicht sprechen, erklärten ihre Pressesprecher auch @mediasres. Monika Bickert habe doch genug erzählt.
    Christian Mihr, der mit der Facebook-Managerin öffentlich diskutierte, ist mit ihr nicht immer einer Meinung, aber - so wie Facebook - gegen Lösch-Vorgaben wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Wenn Facebook sich nun tatsächlich öffnet, ist das Portal dann so salonfähig, dass Organisationen wie Reporter ohne Grenzen gemeinsam mit Facebook gegen solche Gesetze vorgehen? Mihr winkt ab:
    "Ich bin zwar vorsichtig optimistisch, dass Facebook unter einem Druck der Öffentlichkeit aus verschiedenen Richtungen weltweit sich bewegt. Aber das Misstrauen in Facebook ist über die Jahre so gewachsen und so groß geworden, da muss erstmal mehr passieren, bis Reporter ohne Grenzen mit Facebook eine Lobby-Strategie koordiniert."