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Fachkräfte nur für Elite-Firmen?

Seit gut einem Jahr hat sich die Deutsche Universität für Weiterbildung dem Kampf gegen Fachkräftemangel verschrieben und bietet für Unternehmen fein abgestimmte Weiterbildungspakete an. Doch für Kritiker liegt genau darin das Problem.

Von Ralf Hutter | 15.03.2011
    Berlins jüngste Universität sieht aus wie geleckt. Selbst im Stadtteil Dahlem, wo noble Häuser und Grundstücke zum Stadtbild gehören, fällt der von roten Backsteinen geprägte Bau mit seiner ausgedehnten Grünfläche auf. Vor einigen Jahren noch stand hier eine von hohen Hecken gesäumte kleine Villa, die das Institut für Ethnologie der Freien Universität beherbergte. Das Institut wurde aber sehr kurzfristig rausgeworfen, die Villa großzügig renoviert und ausgebaut, die Hecken wurden entfernt.

    Das Gelände sollte werbebroschürentauglich werden, denn eine zukunftsträchtige Institution sollte einziehen: Die Deutsche Universität für Weiterbildung, DUW, die im Herbst 2009 den Lehrbetrieb aufnahm. Diese staatlich anerkannte Privatuniversität ist ein gemeinsames Tochterunternehmen der Freien Universität Berlin, FU, und der Klett-Unternehmensgruppe. Letztere bezeichnet sich als der führende Bildungsanbieter Deutschlands. Die DUW ist eine Fernuniversität und soll das erste langfristig funktionierende Geschäftsmodell im Weiterbildungsbereich sein, an dem eine staatliche Universität beteiligt ist.

    "Die DUW macht ein sehr spezifisches Angebot für ein relativ klar umgrenztes Segment von beruflicher Weiterbildung, die wahrscheinlich der Weiterqualifikation in ganz bestimmten Karrierepfaden dient. Soweit wie ich das sehe, sind die Abnehmer dieses Angebotes durchaus relativ klar im Berliner Raum und darüber hinaus ganz bestimmte Unternehmen, ganz bestimmte Wirtschaftsbereiche, die ja auch durchaus im Rahmen von Personalentwicklung häufig die Kosten für solche Studiengänge oder Weiterbildungsangebote übernehmen."

    Anja Schillhaneck ist hochschulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie sieht die DUW überwiegend kritisch. Dabei hat sie gar nichts gegen das Engagement von staatlichen Hochschulen im Weiterbildungssektor. Dazu sind die Hochschulen sogar gesetzlich verpflichtet. Schillhaneck sieht dabei aber auch den Bildungsauftrag, den Hochschulen immer haben, als relevant an. Auch Hochschulangebote im Weiterbildungsbereich müssten diesem Auftrag zu allgemeiner Bildung entsprechen. Das sei jedoch schwierig.

    Das Problem ist einfach: Wir haben den Hochschulen den Weiterbildungsauftrag gegeben, man schweigt sich darüber aus weitestgehend, wie der umgesetzt werden soll, und die einfachste Art und Weise für eine Hochschule, das umzusetzen ist, weil sie kein Extra-Geld dafür bekommt, zu sagen, wir machen kostendeckende Angebote. Und da gibt es nur ein Segment, in dem eine Hochschule das tatsächlich tun kann, und wo die Investition tatsächlich sich rechnet – und das ist der berufsspezifische Weiterbildungsbereich.

    Berufsspezifisch ist dabei als Gegenteil von allgemein bildend zu verstehen. Hinzuzufügen wäre noch: Weiterbildungsangebote können ja auch mehr Geld einbringen, als sie Kosten verursachen. In Zeiten, in denen alle Hochschulen eigene Einnahmequellen finden sollen, ist das ein beliebter Weg. Doch die Abgeordnete Schillhaneck sieht auch das kritisch: Der Hochschuletat muss für Forschung und Lehre ausgegeben werden, ist also zweckgebunden. Wird daraus aber ein Weiterbildungsangebot finanziert, das Einnahmen bringen soll, dann ständen diese Einnahmen unter keiner staatlichen Kontrolle.

    "Was dann passiert, wofür die verwendet werden, kann ich nicht sagen, denn sie gehen als nicht zweckgebundene Einnahmen im Regelfall ein."

    Was für Pläne gibt es diesbezüglich an der Freien Universität? Leider wollte sich das FU-Präsidium gegenüber dem Deutschlandfunk nur schriftlich äußern. Demnach sollen die irgendwann auflaufenden DUW-Gewinne zur Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium eingesetzt werden. Auch in die Weiterbildung selbst soll das Geld dann fließen. Auf den Punkt des allgemeinen Bildungsauftrags geht das FU-Präsidium nicht ein. Auch die Fragen zu den Investitionen der FU in die DUW werden nur mit Ausflüchten beantwortet. Fakt ist jedenfalls:

    Der FU-Anteil am Startkapital der DUW betrug fünf Millionen Euro. Diese Summe ergibt sich aus dem Wert des Gebäudes, das die FU der DUW schenkte, und den Kosten der Renovierung des Gebäudes. Möglicherweise machen die Renovierungskosten für das heute nicht wiederzuerkennende Gebäude den Löwenanteil der Investition aus. Dieses Geld wäre in den Sand gesetzt, falls die DUW floppt.

    Die Ausrichtung der DUW an den Bedürfnissen von Unternehmen ist übrigens kein Einzelfall. Helmut Bremer ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen. Er stellt generell eine kritikwürdige Ausrichtung von Weiterbildungsangeboten staatlicher Universitäten fest.

    "Also da sehe ich schon das Problem, dass das auf diejenigen zugeschnitten wird, die zahlungskräftig sind. Tendenziell ist das schon so, dass da Universitäten in den oberen Etagen sozusagen Möglichkeiten sehen, wie man an Finanzen rankommt – was nicht so sein muss, denn es gibt halt auch Bestrebungen, zum Beispiel für Gewerkschaftsfunktionäre, oder so etwas, die Universitäten zu öffnen, wo man dann im Grunde andere Teilnehmergruppen erreichen würde."

    Bremer, der vor einigen Jahren eine Professur für Weiterbildung vertrat, geht davon aus, dass in Einrichtungen wie der DUW ein politisiertes Verständnis von Weiterbildung nicht erwünscht ist.