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Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz
Zwischen bremsen und werben

Nur mäßig attraktiv, so beurteilte die OECD Deutschland als Standort für qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland. Das soll sich durch neue Regeln für Einwanderung ändern, die der Bundestag beschlossen hat. Doch diese Regeln sind höchst umstritten, wie die hitzige Debatte im Bundestag zeigte.

Von Gudula Geuther | 07.06.2019
Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister, spricht am 07.06.2019 im Plenum im Bundestag.
Bundesinnenminister Seehofer warb im Bundestag für Zustimmung zum Fachkräfte-Einwanderungsgesetz (dpa / Christoph Soeder)
Die einen mag Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Debatte zur Fachkräfteeinwanderung mit seiner Bemerkung beschwichtigt haben, bei anderen weckte er Sorgen.
"Ich teile auch nicht die Befürchtung von manchen, dass dieses Gesetz zu zusätzlicher, zu großer zusätzlicher Einwanderung führen wird."
Es fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden
Tatsächlich gehen die Meinungen über die Wirksamkeit der neuen Regelungen auseinander. Schon längst bekomme die deutsche Wirtschaft zu spüren, dass der Bedarf allein mit inländischen Fachkräften nicht mehr gedeckt werden könne, so betonte heute die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Nur würde das neue Recht wenig ändern, so kommentierte in der Debatte der arbeits- und rentenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Johannes Vogel die eigenen Zahlen der Bundesregierung.
"Sie gehen selber nur von 25.000 zusätzlichen Fachkräften durch dieses Gesetz aus. Aktuelle Studien sagen, wir brauchen mindestens 260.000 zusätzliche Fachkräfte pro Jahr, andere sprechen sogar von mehr."
Das neue Recht hat durchaus gute Seiten
Dabei spricht nicht nur die BDA von einem dringend benötigten und lange überfälligen Update des Einwanderungsrechts. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag lobt die neuen Möglichkeiten für Betriebe, beruflich Qualifizierte aus aller Welt einzustellen. Anders als bisher kommt es nicht mehr darauf an, ob sich der Zuwanderungswillige gerade in einem Beruf qualifiziert hat, der auf der Liste der Mangelberufe steht, betont der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg. Und
"Es wird in Zukunft keine Vorrangprüfung mehr geben. Wir können die nach Bedarf wieder einsteuern, aber die fällt weg. Es wird in Zukunft die Möglichkeit geben – das gab es bisher überhaupt nicht – der 6-monatigen Arbeitsplatzsuche in Deutschland. Es gibt genauso die Möglichkeit, wenn meine Qualifikation noch nicht voll anerkannt wird, dass ich nach Deutschland kommen kann und mich nachqualifizieren kann."
Kritik an vielen Punkten und von unterschiedlicher Seite
Es gehe darum, die neuen Regeln unbürokratisch in die Praxis umzusetzen, fordert der DIHK-Präsident Eric Schweitzer gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der FDP-Politiker Vogel nennt die Hürden.
"Wo sind denn die bundesweit einheitlichen Anerkennungsstellen für jeden Beruf? Wo sind die Ausländerbehörden flächendeckend mit Verkehrssprache Englisch? Wo ist ein Auswärtiges Amt, das sich auch wirklich für das Thema zuständig fühlt? Wenn man heute als IT-Fachmann aus Indien nach Deutschland kommen will, dann kriegt man in der Deutschen Visa-Stelle noch nicht mal einen Termin."
Während die Grüne Filiz Polat glaubt, Zuwanderungswillige würden auch durch die Hürden beim Familiennachzug abgeschreckt: "Nicht selten mit einem Ablehnungsbescheid zum Visumsantrag. So sind wir natürlich kein attraktives Einwanderungsland."
Innenminister Seehofer allerdings sieht vor allem die Wirtschaft in der Pflicht, auch mit ihren rund 80 Außenhandelsvertretungen: "Wir werden die Wirtschaft brauchen mit ihrem Know-How bei der Beurteilung der Ausbildung. Duale Ausbildung kennt man ja in anderen Ländern, Ausnahme Österreich, so gut wie nicht."
Wobei etwa der Sachverständigenrat Migration und Integration nach wie vor, trotz Möglichkeit der Nachqualifizierung, den formalen Nachweis der Ausbildung als höchste Hürde sieht für eine Wirksamkeit des neuen Gesetzes - das die BDA in einem Punkt kritisiert: Das Beschäftigungsverbot für Erwerbsmigranten in der Zeitarbeit müsse fallen, so die Arbeitgeber.