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Fachwerkhäuser und Wassertürme

Der Fotokünstler Bernd Becher ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Gemeinsam mit seiner Frau Hilla war Becher einer der berühmtesten Repräsentanten der Industriefotografie. Unzählige Bilder des Künstlerehepaares von Fachwerkhäusern, Förder- und Wassertürmen hängen in den Museen dieser Welt.

Moderation: Beatrix Novy | 24.06.2007
    Beatrix Novy: Eine der distinguiertesten Fotografen der Jetztzeit ist gestorben: der Fotokünstler Bernd Becher. Er starb am Freitag schon im Alter von 75 Jahren bei einer Operation in Rostock, das berichtete dpa. Mit ihm, Christiane Vielhaber hier im Studio, verbindet sich eigentlich eine Gattung für uns, nämlich die Gattung der Industriefotografie, aber eben nicht nur mit ihm, sondern mit Bernd Becher denkt man immer Hilla Becher, mit Bernd und Hilla Becher. Von ihnen sind unzählige Fotografien in den Museen dieser Welt.

    Christiane Vielhaber: Die beiden haben sich 1959 an der Düsseldorfer Akademie kennengelernt. Bernd Becher kommt aus Siegen und hat dort erst mal Dekorationsmaler gelernt, hat dann später in Stuttgart Typografie studiert oder gelernt. Und aus der Frühzeit gibt es von ihm schon aus dem Siegener Umland Aquarelle von Hüttenwerken. Das heißt, er hat eigentlich das aufgenommen oder das dokumentiert, was vor Ort zu sehen war, was ihn fasziniert hat, was aber noch nicht mal was mit Fotografie zu tun hatte.

    Während seine spätere Frau, Hilla Becher, die Fotografie studiert hatte, die als selbstständige Werbefotografin zunächst mal in Hamburg gearbeitet hat, und hat dann gemerkt, das ist so langweilig, das möchte ich nie wieder machen und nicht weitermachen, ich möchte irgendwas Neues. Und ist dann an die Düsseldorfer Akademie gegangen. Und dann haben die beiden damit angefangen, was dann später eigentlich als Becher-Schule in die Geschichte eingegangen ist, wobei das Merkwürdige ist, dass eigentlich die Studenten von den beiden viel berühmter sind.

    Aber ich darf dazu noch etwas ganz Privates sagen. Ich war vor drei Monaten in Kaiserswerth und war angemeldet, um mit den beiden über das Thema zu sprechen, "Dinge, die verschwinden", weil ich so das Gefühl hatte, eigentlich sind das Fotografen, die halten etwas fest, was für immer unwiederbringlich verloren ist. Wir kennen das Zechensterben bei uns, wir kennen keine Silos mehr, wir kennen keine Gasometer mehr, und wir sehen das da in diesen Fotografien. Und ich sage das jetzt nicht pathetisch, Frau Novy: Als Hilla Becher mir die Tür aufgemacht hat in dieser schönen ehemaligen alten Schule am Rhein oberhalb von Düsseldorf und ich kam dann rein und er konnte kaum aufstehen - kennen Sie so was? - dann haben Sie das Gefühl, dieser Mensch ist schon nicht mehr von dieser Welt. Und er hatte eigentlich, wo es um das Thema ging, "Dinge, die verschwinden", hatte er alles ausgebreitet. Und sie fiel ihm dann immer ins Wort und sagte: Bernd, Frau Vielhaber will jetzt nur "Dinge, die verschwinden". Dann hat er gesagt: Haben Sie das gesehen? Dann hat er mir diese frühen Aquarelle gezeigt, die ich noch nie gesehen hatte, die Sie natürlich auch in keiner Fotoausstellung sehen, die Sie auch nicht in den berühmten Ausstellungen, sei es auf der Biennale in Venedig oder wo sie überall ausgestellt haben, wo Sie das gesehen haben.

    Ich hatte das Gefühl, er wollte noch mal über alles reden. Und das, wo ich eigentlich den Eindruck hatte, dass das so ein Trauergefühl ist, so ein Verlustgefühl, da war Bernd Becher eigentlich derjenige, der gesagt hat, nein, mich interessiert das, das sind für mich anonyme Skulpturen. Oder mein Kollege sagte mir eben noch gerade, er kannte auch diesen Ausdruck "kalvinistische Sakralbauten", also diese Industriebauten. Da war für ihn gar nichts Trauriges.

    Das Bemerkenswerte ist, dass Sie immer das Gefühl haben, es ist so ein bleierner Himmel. Es sind immer Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Sie sehen nie einen Menschen darauf, Sie können eigentlich nie eine Tageszeit, hin und wieder mal eine Jahreszeit, wenn irgendwo so ein bisschen Schnee da ist. Sie können auch nicht unbedingt entscheiden, in welchem Land es ist, es sei denn, Sie sehen mal ganz entfernt einen uralten VW oder Sie sehen mal so eine amerikanische Inschrift. Also diese Typologie, die sie entwickelt haben, ist vielleicht was Langweiliges. Aber ich habe damals in Venedig auf der Biennale zum ersten Mal begriffen, dass es eigentlich nicht das Abfotografieren zum Beispiel von Fachwerkbauten im Siegerland ist, die eigentlich immer einem selben Schema gehören, und dann sehen Sie doch, da ist aber so ein Querträger und da ist das. Und dann sehen Sie auch bei denen Silos, dann gibt es so ganz runde, dann gibt es welche, die sehen fast aus wie Tiere, so große auf Stelzen. Also da ist so eine Typologie auch was Menschliches.

    Novy: Das ist ja ein Gegensatz, dass eigentlich von Vergänglichkeit und vergehender Industrie die Rede ist, aber diese Bilder sind vollkommen unsentimental.

    Vielhaber: Ja, die beiden sagen das. Wenn ich diese Bilder angucke und ich denke, teilweise habe ich ja noch dieses Zechensterben mitbekommen, das spielt für die beiden gar keine Rolle. Sie möchten einfach vor Ort stehen, und sie warten tagelang und stundenlang, bis die Sonne soundso ist, oder sie gehen über die Höhen, damit sie einen Blick haben, eine Perspektive, die einfach alles Individuelle ausschaltet. Und das ist auf hervorragende und unnachahmliche Weise den beiden gelungen.

    Novy: Der Industriefotograf Bernd Becher. Das war Christiane Vielhaber. Vielen Dank.