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Fahnder testen neue Sensoren
Auf Spurensuche nach Drogenlaboren

Synthetische Drogen wie Speed, Ecstasy und Crystal Meth werden in illegalen Laboren hergestellt. Dabei entstehen giftige Abfälle - die häufig in die Kanalisation geschüttet werden. Spezielle Sensoren könnten nun dabei helfen, die Drogenlabore über einen "aquatischen Fingerabdruck" aufzuspüren.

Von Volker Mrasek | 06.06.2018
    Polizisten entdecken bei einer Razzia ein Drogenlabor in einer Scheune in Moergestel in den Niederlanden
    In Holland werden jedes Jahr bis zu zweihundert Drogenlabore sichergestellt (AFP/ Robin van Lonkhuijsen)
    Amphetamine wie Speed und Crystal Meth sind Modedrogen. Doch Kriminelle stellen sie fast immer nach einem veralteten und besonders schmutzigen Verfahren her, wie Michael Pütz sagt, Chemiker beim Bundeskriminalamt BKA:
    "Also, Sie brauchen vor allen Dingen Salzsäure, konzentrierte Schwefelsäure, konzentrierte Ameisensäure. Und was fast noch gefährlicher ist: Die arbeiten alle mit großen Mengen von konzentrierter Natronlauge, sodass die Syntheseabfälle entweder extrem sauer sind oder extrem alkalisch. Und die Produzenten haben natürlich dann das Problem: Was mache ich mit den Abfällen?"
    Labormüll im Abwasser
    Pro Kilogramm Amphetamin entstehen 20 bis 30 Kilogramm flüssige Reaktionsabfälle. Fässer mit der giftigen und stark ätzenden Brühe deponieren die Drogenmischer entweder irgendwo in Wald und Flur. Oder sie schütten das Zeug einfach in die Kanalisation:
    "Da sind mehrere Fälle bekannt geworden. Zuletzt einer 2017 in Südholland, wo dann eine biologische Klärstufe praktisch zerstört worden ist, sprich: Die Säurekonzentration im Abwasser war so hoch, dass die Bakterien in der biologischen Klärstufe abgestorben sind. Und damit war die erst mal lahmgelegt. In Holland werden jedes Jahr ein- bis zweihundert solcher Labore sichergestellt. In Deutschland ist die Zahl kleiner: im Bereich von 20."
    Die Drogenmischer vergiften also auch noch die Umwelt. Ein weiteres Verbrechen! Aber vielleicht auch die Chance, ihnen in Zukunft besser auf die Schliche zu kommen - über den ins Abwasser gekippten Labormüll.
    Roboter nimmt aquatischen Fingerabdruck
    Diese Hoffnung setzt Michael Pütz in das laufende EU-Projekt "Micromole", an dem das BKA beteiligt ist. Übersetzt heißt das "Mikro-Maulwurf". Eine Anspielung auf Reinigungsroboter, wie sie schon heute durch Abwasserkanäle huschen:
    "Die Idee war, dass wir mit Hilfe dieser Roboter in einer gewissen Entfernung Sensoren ins Abwassersystem bringen und damit feststellen, ob illegal halt Abwässer, die auf eine Synthese zurückzuführen sind, eingeleitet werden."
    Wenn der pH-Wert plötzlich krass abfällt und sehr viele Natrium-, Chlorid- und Sulphat-Ionen durchs Abwasser schwirren, ist das schon mal ein triftiger Anfangsverdacht. Doch der allein genügt nicht. Man braucht noch einen viel genaueren "aquatischen Fingerabdruck" sozusagen. Einen, der ganz typisch für die Leuckart-Reaktion ist. So heißt die schmutzige Synthese-Methode in den Drogenlaboren:
    "Und es gibt eine charakteristische Synthese-Verunreinigung, die entsteht nur dann, wenn Amphetamin mit dieser Leuckart-Reaktion hergestellt wird. Ein zuverlässiger Marker dafür, dass diese Reaktion verwendet worden ist. Wir haben über 600 Datensätze aus Holland und Deutschland uns angeguckt. In 98 Prozent der Fälle haben wir diesen Marker gefunden. Deswegen wissen wir aus den Laboren, die sichergestellt werden: Die arbeiten alle nach dem Prinzip. Und deswegen können wir uns darauf einstellen."
    Test erfolgreich
    Im Kompetenzzentrum Wasser in Berlin gibt es eine Abwasser-Teststrecke. Dort erproben Pütz und seine Kollegen den Prototypen ihres Drogen-Schnüfflers. Ein Kanalroboter, ausgestattet mit einem ringförmigen Chemo-Sensor. Der funkt Alarm, sobald er den genannten Amphetamin-Marker aufspürt. Der Maulwurf nimmt dann auch gleich eine Abwasserprobe für weitergehende Untersuchungen:
    "Technisch funktioniert das schon ganz gut. Das ist ein echter Realtest. Es gibt ein Anschlussprojekt. Und das soll dann tatsächlich auch Demonstrationsphasen einschließen in größeren Städten."
    Roboter wartet auf Vermarktung
    Zwischenzeitlich war den Forschern vorgeworfen worden, staatliche Fördergelder zu verplempern. Um größere Städte zu überwachen, brauche man Hunderte solcher Roboter im Kanalnetz. So etwas werde es sicher niemals geben. Das soll es auch gar nicht, erwidert BKA-Mann Pütz auf die Kritik. Es gehe um etwas ganz anderes:
    "Dass wir eine Möglichkeit finden, herauszufinden, ob ein Verdachtsobjekt tatsächlich ein Amphetamin-Labor ist, insbesondere auch, wann es produziert."
    Ob den Drogenfahndern bald Roboter im Untergrund als zusätzliches Fahndungswerkzeug zur Verfügung stehen, hängt davon ab, ob sich am Ende eine Firma findet, die die Maschinen baut und verkauft. Denkbar ist auch, dass man die Maulwürfe mit anderen Sensoren bestückt, etwa zum Aufspüren von Arzneirückständen im Abwasser. Oder von illegal eingeleiteten Industriechemikalien. Das könnte die Vermarktungschancen zusätzlich erhöhen.