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Fahrenschon: Finanztransaktionsabgabe notfalls nur in der Euro-Gruppe

Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) drängt auf eine Besteuerung von Produkten, die nichts mit der Realwirtschaft zu tun haben. Gleichzeitig warnt er davor, die Steuerzahler weiter zu belasten. Die derzeitige Garantiesumme Deutschlands von 211 Milliarden Euro sei die absolute Grenze.

Georg Fahrenschon im Gespräch mit Dirk Müller | 24.10.2011
    Dirk Müller: Beraten wurde Stunde um Stunde seit Freitag. Dann der Samstag, dann der Sonntag. Doch es war zu kurz, am Mittwoch soll es nun weitergehen. Die Spitzen der Europäischen Union wollen die Eurokrise lösen. Die Frage ist nur: wie? Denn die nationalen Interessen oder auch Egoismen haben bislang einen Konsens verhindert, mal Deutschland, mal Frankreich, mal Italien. Die Großen bestimmen, die Kleinen schütteln oftmals mit dem Kopf. Die Banken, die Hebelwirkung, der Schuldenschnitt, alles ist noch irgendwie offen nach dem Gipfel in Brüssel. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem bayrischen Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU). Guten Morgen nach München.

    Georg Fahrenschon: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Fahrenschon, blicken Sie noch durch, wer was wie und warum will?

    Fahrenschon: Na gut, also ein Europa mit 27 Nationalstaaten und eine Eurogruppe mit 17 Mitgliedsstaaten, die haben Vorteile. Wir wären in den letzten drei Jahren nicht so gut gegen die Krise auch reaktionsfähig gewesen, wenn wir nicht den Euro als Gemeinschaftswährung gehabt hätten. Aber die Abstimmungsprozesse, die brauchen natürlich, und es gibt natürlich auch unterschiedliche Herangehensweisen, die erst einmal aufeinander abgestimmt werden müssen. Das ist jetzt an der Sache.

    Müller: Das ist sehr diplomatisch formuliert, verschiedene Herangehensweisen. Sind es nicht einfach knallharte nationale Interessen?

    Fahrenschon? Es sind sicherlich auch ganz massive nationale Interessen. Aber ich bin schon der Auffassung, dass wir uns langsam aber sicher, vielleicht ein wenig zu langsam, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung. Und an der Stelle darf schon mal festgehalten werden: Die deutsche Position, dass es keine Gelddruckmaschine bei der Europäischen Zentralbank geben darf, die hat Wolfgang Schäuble und die hat Angela Merkel durchgesetzt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

    Müller: Aber gerade die Kritik an der Bundesregierung ist ja sehr heftig gewesen, auch unter anderem von Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Zone. Die Deutschen sollen demnach viel zu lange und zu langsam gehandelt haben, keine klaren Vorgaben gemacht haben. Ist da was dran?

    Fahrenschon: Also wir haben gerade über nationale Interessenlagen gesprochen. Für den Luxemburger Regierungschef ist natürlich ein schnelleres Ergebnis durchaus wünschenswert. Wir sind aber, glaube ich, schon gut beraten gewesen, dass wir deutlich gemacht haben, nicht auf Kosten der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

    Müller: Auf die kommt also nichts zu, da sind Sie sicher?

    Fahrenschon: Wir haben ganz klar festgelegt, dass Deutschland sich seiner Solidarität bewusst ist. Wir stehen immerhin für 211 Milliarden Euro auch Garantie im neuen europäischen Rettungsschirm klar. Aber mehr geht nicht. Wir müssen schon darauf achten, dass wir auch die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft nicht überreizen. Wenn am Ende wir Deutschland überfordern und auch noch sich die wirtschaftliche Entwicklung eintrübt, dann hätten wir wirklich mit Zitronen gehandelt.

    Müller: 211 Milliarden, Herr Fahrenschon, das ist ja auch kein Pappenstiel. Das heißt, daran sind die deutschen Steuerzahler nicht beteiligt?

    Fahrenschon: Das ist kein Pappenstiel. Allerdings reden wir über Garantien. Man muss ja einfach auch in der jetzigen Situation immer wieder darauf hinweisen: es gibt an der Stelle eine Debatte, wie stabil ist der Euro, wie viel Kraft haben die Mitgliedsstaaten, um sich gegenseitig rauszupauken. Unser Punkt ist: Wir stehen zur Solidarität, wir sind auch bereit, Mitgliedsländern zu helfen, aber es darf keine Hilfen ohne Gegenleistung geben, das fängt bei Griechenland an und endet bis hin zur italienischen Regierung. Wenn die nicht endlich anfängt, ihre Hausaufgaben auch wirklich zu machen, dann wird es für uns alle ganz schwierig.

    Müller: Das hören wir schon seit zwei Jahren. Warum ist der Druck auf Silvio Berlusconi nicht stärker?

    Fahrenschon: Ja gut, wir haben natürlich es auch mit nationalen Abläufen zu tun. Ein Regierungschef, der jetzt sich der 52. Vertrauensfrage zu stellen hatte, ist mit Sicherheit alles andere als eine starke Persönlichkeit. Trotzdem haben wir in Europa Spielregeln, an die wir uns auch zu halten haben. Sie entziehen Spekulanten nur den Boden, wenn sie sich an Spielregeln halten. Und der direkte Eingriff europäischer Ebenen in nationale Regierungen, der ist halt nicht möglich und auch nicht geboten.

    Müller: Gehen wir noch mal auf den Punkt, den Sie in der vorletzten Antwort gesagt haben. Es geht ja um Garantien, sagen Sie, 211 Milliarden. Müssen Garantien gegebenenfalls nicht entsprechend bezahlt und gedeckt werden?

    Fahrenschon: Erst mal haben wir festgelegt – und das ist für uns ja auch eine ganz wichtige Debatte -, dass auch diese Garantien durch den Deutschen Bundestag in einem Generalbeschluss und jetzt durch ein Spezialistengremium des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und parallel auch durch den Bundesrat begleitet werden. Da ist für uns von zentraler Bedeutung, dass uns auch das Bundesverfassungsgericht entsprechende Regeln und Rahmenbedingungen mit auf den Weg gegeben hat. Nur noch mal: Wir müssen uns schon darüber im Klaren sein, dass über 40 Prozent unserer deutschen Exporte in die Euro-Zone gehen. Das heißt, wir haben einen zentralen Vorteil. Es geht uns zum Glück nicht so wie den Schweizern, dass die D-Mark aufgewertet wird und über Nacht unsere Produkte immer teurer und teurer werden. Dafür müssen wir uns auch einer gewissen Solidarität stellen. Für uns ist allerdings immer wichtig – das hat CDU und CSU sehr deutlich gemacht -, wir haben die Europäische Union als Stabilitätsunion angelegt, nicht als Transferunion und auch nicht als Schuldenunion.

    Müller: Wir haben ja, Herr Fahrenschon, wenn wir zurückblicken, seit Beginn der Krise mindestens 15, 16 EU-Gipfel gehabt. Danach gab es immer das große Aufatmen, zumindest vonseiten der Politik, jetzt haben wir es geschafft, das soll der richtige Weg nach vorne sein. Ein, zwei Wochen später war alles noch schlimmer.

    Fahrenschon: Herr Müller, ich muss aber schon mal daran erinnern: Wir haben natürlich eine Situation, die seit dem Zusammenbruch, der von der amerikanischen Regierung absichtlich herbeigeführt wurde, sozusagen als Signal an die Märkte, der drittgrößten Investmentbank der Welt, eine Weltrezession erlebt. Wir haben fünf Prozent Rezession in Deutschland erlebt. Wir haben ein dagegen Aufbäumen in Deutschland erlebt. Wir haben einen Marsch aus dieser Krise erlebt, der deutlich gemacht hat, wo unsere Stärken liegen: im Mittelstand, in engagierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Und am Ende gibt es für diese Zuspitzungen kein Lehrbuch. Wir müssen einen Weg finden, die gemeinschaftliche Währung zu sichern, sie stabil zu halten, vor allen Dingen im Interesse der Deutschen, weil wir an der Geldwertstabilität ein ganz zentrales Momentum haben, und trotzdem brauchen wir Wege, wie wir in Europa auch gemeinsam koordiniert vorgehen. Das ist in Europa mit 27 nationalen Staaten und Regierungen schwieriger als in anderen Regionen.

    Müller: Wenn das so schwierig ist, wie Sie sagen, 27, dann 17 in der Euro-Zone? Jetzt sagen ja viele, wir brauchen noch mehr Europa, wir brauchen sogar Verfassungsänderungen. Das hat Angela Merkel in der vergangenen Woche noch einmal deutlich gemacht, neue Verfassungsänderungen sind kein Tabu mehr. Das würde ja bedeuten, dass demnächst diejenigen, die es nicht können, die Griechen und die Italiener, mit darüber reden, wie wir unsere Wirtschaftspolitik zu organisieren haben.

    Fahrenschon: Also ich würde immer davor warnen, keine Debatte über mehr oder weniger Europa zu führen, sondern über richtig oder falsch. Und falsch war es, die Spielregeln zu brechen und aufzuweichen. Falsch war es, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Falsch war es, die Griechen in die Euro-Zone aufzunehmen, weil sie in ihrer Volkswirtschaft einfach nicht leistungsfähig genug sind. Und richtig ist jetzt, als Konsequenz auf diese Krise deutlich daran zu arbeiten, dass wir mehr Automatismen brauchen, dass wir Regeln brauchen, die von allen eingehalten werden. Und wenn sich ein Staat, wenn sich eine Volkswirtschaft innerhalb der Euro-Gruppe nicht an die gefundenen Regeln hält, dann muss man ihm erst das Stimmrecht entziehen, dann muss man ihm zweitens kein Geld mehr geben und drittens muss er sich selber mit der Frage konfrontieren, ob er überhaupt noch Mitglied der Gemeinschaft werden will.

    Müller: Wolfgang Schäuble hat auch den Stabilitätspakt gebrochen.

    Fahrenschon: Das ist am Ende eine Situation, in einer Weltwirtschaftskrise - ich habe auf die Situation Ende 2008, 2009 angesprochen – mussten wir natürlich handlungsfähig sein. Aber was für die Bundesregierung, den Bundesfinanzminister, Union, CDU und CSU, immer klar war: Wir werden den Kurs auf Konsolidierung weiter ausrichten, weil wir von dem Grundprinzip überzeugt sind, dass in dieser weltweit vernetzten Wirtschaft die Soliden die Stärkeren sind. Wir können schneller reagieren, das haben wir in den letzten zwei Jahren, glaube ich, auch gezeigt.

    Müller: Bei der Steuerpolitik hat die Kanzlerin nun vergessen, bei der neuen Diskussion mit der CSU zu reden. Redet die Kanzlerin mit der CSU über den Euro?

    Fahrenschon: Also wir sind in intensiven Debatten. Ich komme gerade von einer Besprechung des Bundesfinanzministers mit den Finanzministern der Länder, die der Union angehören. Ich will diese Woche nicht mit einem Rückblick beginnen; ich glaube, entscheidend ist, dass wir immer dann stark sind, wenn wir die Ideen und Konzepte nebeneinanderlegen und wenn wir sie gemeinsam auch intensiv vertreten.

    Müller: Waren Sie auch sauer auf die Kanzlerin?

    Fahrenschon: Nein! Ich habe keinen Grund, sauer auf die Kanzlerin zu sein. Ich glaube, dass in der Koalition, die aus drei Parteien besteht, immer von zentraler Bedeutung ist, dass wir unsere Initiativen vorher abstimmen und dass wir sie dann auch gemeinsam kraftvoll vertreten.

    Müller: Also ein Fehler der Kanzlerin?

    Fahrenschon: Ich halte nichts davon, jetzt in den Rückspiegel zu schauen. Entscheidend ist, dass wir den Kurs weiter fortsetzen. Es geht um die Stabilität unserer Währung, es geht um die Konsolidierung der öffentlichen Kassen und es geht natürlich auch darum, in der Politik immer wieder Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen, weil am Ende brauchen wir Wachstum, um die Konsolidierung zu erreichen und unsere Haushalte in Ordnung zu bringen. Das Fanal Griechenlands muss uns ein Menetekel sein, wir müssen darauf achten, dass wir nicht mehr ausgeben als wir einnehmen.

    Müller: Blicken wir bei der letzten Frage noch einmal kurz nach vorne. Finanztransaktionssteuer, das steht überall ganz oben auf dem Papier. Wären Sie bereit, das mitzutragen, auch wenn andere EU-Staaten es nicht mittragen?

    Fahrenschon: Ich bin am Ende dafür, dass wir, wenn wir das nicht weltweit, wenn wir das leider auch nicht europaweit durchsetzen, dass wir, um dem Markt ein Signal zu geben, die Finanzmarkttransaktionssteuer auch in der Euro-Gruppe durchsetzen. Ich glaube, dass neben den Konsequenzen im Vertragswerk, neben stärkeren Durchgriffsrechten, dass wir auch ein klares Signal brauchen, es gilt auch, mit Verboten und Geboten zu arbeiten – das bezieht sich auf Leerverkäufe -, und es ist auch notwendig, im Steuerrecht dem Markt klare Signale zu geben, eine Besteuerung von Produkten, die nichts mit der Realwirtschaft zu tun haben, hat eine entsprechende Signalwirkung.

    Müller: Der bayrische Finanzminister Georg Fahrenschon bei uns heute Morgen im Interview. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Fahrenschon: Gerne, Herr Müller. Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.