Archiv


Fahrräder made by Opel

Das von Adam Opel 1862 gegründete Unternehmen hatte ursprünglich nichts mit Autos zu tun. Ihr Gründer verkaufte vor allem Fahrräder und Nähmaschinen - und das auch dank guter Werbung.

Von Kay Müllges | 09.05.2012
    Ein Sommertag in Rüsselsheim im Jahre 1884. Der damals 47-jährige Adam Opel steht vor einem von ihm selbst zusammengebauten Hochrad. Sorgfältig studiert er die Gebrauchsanweisung:

    "Der Fahrer nehme, das kleine Rad zwischen den Füßen, Stellung hinter dem Zweirad, erfasse mit beiden Händen die Handgriffe der Lenkstange, setze die linke Fußspitze auf den auf der linken Seite oberhalb des Hinterrads befestigten Auftritt, bringe das Vehikel in dieser Stellung durch Abstoßen mit dem rechten Fuß in möglichst schnellen Gang und stelle sich durch einen kräftigen Abstoß vom Boden auf den Tritt."

    Opel folgt der Anweisung, unternimmt seinen ersten Fahrversuch – und landet prompt im Straßengraben. Danach steht sein Urteil fest: das im Volksmund "Knochenbrecher" genannte Rad trägt seinen Namen zu Recht. Entschlossen verkauft er das Hochrad und ist überrascht welchen Preis er dafür erzielt. Er beschließt fortan auch Fahrräder zu produzieren. Dieser Geschäftssinn hat schon den jungen Opel ausgezeichnet. Während seiner Lehr- und Wanderjahre arbeitete der am 9. Mai 1837 Geborene in Paris bei der Firma Journeaux et Lebland. Hier lernte er alles über die Herstellung eines damals noch neuen Produktes, der Nähmaschine. Als Opel 1862 nach Rüsselsheim zurückkehrte, begann er sofort mit der Produktion einer eigenen Nähmaschine, gegen den Willen des Vaters und trotz widriger Umstände. So schrieb er an seinen Bruder Georg, der ihm nach Paris gefolgt war und dort noch lebte:

    "Das deutsche Gußeisen ist hart und bricht wie Glas, wenn man es bearbeitet. Die feineren Nähmaschinenteile kann ich damit gar nicht machen. Besorge sie mir bitte in Paris."

    Immerhin lief das Geschäft mit der Nähmaschine so gut, das die väterliche Werkstatt bald zu klein wurde. Von einem Onkel erhielt er einen ausgedienten Kuhstall und einen kleinen Kredit. Der preußisch-österreichische Krieg ließ die Nachfrage nach Nähmaschinen steil ansteigen, wovon auch Opel profitierte. 1868 kaufte er ein großes Grundstück außerhalb von Rüsselsheim und baute dort eine neue Fabrik. Er hatte jetzt 25 Mitarbeiter, 1884 war ihre Zahl bereits auf 240 angestiegen. So viele qualifizierte Arbeitskräfte bekam man im landwirtschaftlich geprägten Rüsselsheim nur mit Anstrengung, erläutert der Wirtschaftshistoriker Hans Pohl, der eine Biographie über Adam Opel geschrieben hat.

    "Opels Problem war: Er musste sie anlernen. Deshalb hat er zu Recht, von Anfang an Wert gelegt auf eine solide Ausbildung und hat die auch immer weiter gepflegt. Das war ein Kriterium natürlich auch, um die Mitarbeiter später zu halten. Wobei ein großes Verdienst seiner Frau zukommt. Weil sich die Frau sehr um die Mitarbeiter und um die Lehrlinge gekümmert hat, um deren Ausbildung. Und sie hat auch die Löhne selbst ausgezahlt."

    Opel führte schon sehr früh freiwillige Sozialleistungen, wie etwa eine Betriebskrankenkasse ein. Von gewerkschaftlichen oder sozialdemokratischen Umtrieben seiner Arbeiter wollte er allerdings nichts wissen:


    "Er hat dann 1892 auch eine Fabrikordnung erlassen und darauf hingewiesen, dass die Verbreitung von entsprechendem Schriftgut und Agitation zugunsten politischer Parteien, - es waren ja nicht nur die Sozialdemokraten, es gab auch andere linksgerichtetere Gruppen, - dass die verhindert werden sollten."

    Wer sich nicht daran hielt, wurde entlassen. Zu Opels Lebzeiten kam es dazu allerdings nicht, auch Streiks waren bei der Firma unbekannt. Denn Nähmaschinen und Fahrräder verkauften sich wie warme Semmeln. Die Produktion zweier so unterschiedlicher Güter funktionierte relativ problemlos, weil Nähmaschinen- wie Fahrradproduktion im Grunde darauf beruhten, austauschbare Einzelteile zu produzieren und miteinander zu verbinden. Opel stieg schnell zu einem der bedeutendsten Fahrradproduzenten in Deutschland auf. Das gelang auch deshalb, weil er als einer der Ersten auf die Kraft des Marketings vertraute:

    "Werbung war für ihn ganz entscheidend. Er hat das mit Anzeigen zunächst angefangen. Und hat dann aber auch systematisch geworben mit Vertretern. Dann auch mit Niederlassungen. Später hat er Fahrradsäle gebaut und vor allem seine Söhne wurden richtig eingesetzt, so würde ich das heute formulieren, als Marktträger bei Rennen."

    Adam Opel starb am 8. September 1895 an Typhus. Die ersten Autos, mit denen man heute den Namen Opel verbindet, wurden in Rüsselsheim vier Jahre später gebaut.