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#fairLand
Die spaltende Idee einer vereinten Linken

Eine neue linke Sammlungsbewegung - bisher unter dem Titel "#fairLand" - wollen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine schaffen. Doch auch im Saarland, Lafontaines Wirkungsort, sind potenziell Angesprochene bei Linken, SPD und Grünen skeptisch: Von oben verordnen lasse sich linke Bewegung nicht.

Von Tonia Koch | 07.06.2018
    Die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag, Sahra Wagenknecht (M), ihr Mann, Oskar Lafontaine (l), und der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch stehen am 14.01.2018 an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin im Gedenken an die 1919 ermordeten Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Foto: Britta Pedersen/dpa | Verwendung weltweit
    Die Linken-Politiker Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine (l.) schlagen eine überparteiliche Bewegung vor, um linke Kräfte in Deutschland zu bündeln (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    In der Saarbrücker Innenstadt, am St. Johanner Markt, dem Wohnzimmer der Landeshauptstadt, füllen sich die Cafés. Wer sich hier umschaut, dem fällt es schwer zu glauben, dass sich die Deutschen in diesen sonnigen Tagen für eine neue linke Sammlungsbewegung begeistern können, wie sie Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine vorschwebt.
    "Na, die sehe ich noch nicht, die sehe ich jetzt nicht unbedingt."
    Heinz Bierbaum ist ein langjähriger Weggefährte von Oskar Lafontaine. Seine saarländischen Ämter hat er aufgegeben, aber er ist noch immer Mitglied im Bundesvorstand der Linken und vertritt die Partei auf internationaler Ebene, als Vorsitzender der internationalen Kommission der Linken.
    "Erhebliche Risiken, was die Parteientwicklung anlangt"
    Der Kampagne, die vor einigen Wochen unter dem Namen #fairLand bekannt wurde, wird aktuell – kurz vorm Parteitag der Linken – vorgeworfen, die Linkspartei zu spalten, statt neue linke Kräfte zu mobilisieren. Das aber sei sicher nicht beabsichtigt, wendet Bierbaum ein:
    "Ich denke nicht, er hat ja immer gesagt, und auch Sahra Wagenknecht hat gesagt, dass sie nicht spalten wollen, sondern sammeln. Aber das Vorgehen hat natürlich auch erhebliche Risiken, was die Parteientwicklung anlangt."
    Bierbaum kennt unter anderem auch die französischen Verhältnisse und die Erfolge eines Jean Luc Mélenchon. Die Galionsfigur der französischen Linken dient mit seiner Sammlungsbewegung "La France insoumise" Oskar Lafontaine als Vorbild für ein deutsches Pendant. Allerdings sei die Ausgangslage in beiden Ländern nicht vergleichbar, argumentiert Bierbaum:
    "In Frankreich haben wir eine Krise des traditionellen Parteiensystem, die sozialistische Partei liegt in Trümmern in Frankreich, insofern haben wir dort eine neue Situation, die ist nicht vergleichbar mit Deutschland. Wir haben hier eine sehr große Unzufriedenheit, wir haben auch eine tiefe Krise der Sozialdemokratie in Deutschland, aber wir haben jetzt keine Bewegung in dem Sinne, wie es gegenwärtig in Frankreich der Fall ist."
    Wofür eine außerparlamentarische Bewegung?
    Mélenchon bedient sich linkspopulistischer Feindbilder, die gegen die deutsche Kanzlerin und gegen die EU gerichtet sind.
    "Das europäische Projekt ist vollkommen gelähmt. Die rechte Regierung in Deutschland entscheidet alles, für jeden von uns, so wie es ihr passt, ausschließlich zu ihren Gunsten und im Sinne der Interessen konservativer Bevölkerungsschichten."
    Unbehagen gegenüber der EU, ja, das gebe es auch in Deutschland, sagt Jo Leinen, SPD-Europaabgeordneter. Aber bislang bediene sich in erster Linie das rechte Spektrum stereotyper Kritikmuster, die sich gegen alles wendeten, was aus Europa komme. Selbst wenn der linke Teil der SPD – dem Leinen noch immer nahe steht – mit einer außerparlamentarischen Bewegung liebäugele – in Deutschland fehlten die Themen, die einen solchen Prozess in Gang setzten.
    "Weil, es wäre eine außerparlamentarische Bewegung, die arbeitet im Wesentlichen mit außerparlamentarischen Mitteln. Man müsste Demonstrationen machen und Aktionen durchführen, aber zu was und gegen wen? So etwas kann nicht von oben verordnet werden, das muss aus großen Themen heraus von unten entstehen und sich breit machen, und die Atmosphäre hierzu sehe ich in Deutschland nicht."
    "Zu wenig mit der Partei diskutiert"
    Oskar Lafontaine selbst wollte zu den Plänen, die im Herbst präsentiert werden sollen, gegenüber dem Deutschlandfunk nicht Stellung nehmen. Zu den Befürwortern der Kampagne aber zählt der linke Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi:
    "Eine Sammlungsbewegung ist notwendig, weil es Mehrheiten in der Bevölkerung für Steuergerechtigkeit, für öffentliche Investitionen, für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik gibt, aber keine Mehrheiten im Bundestag oder den Parteien. Deswegen ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit all diesen Menschen die Demokratie verteidigen."
    Die Grundüberlegung, dass die Linke sich breiter aufstellen muss, um mehr gesellschaftlichen Einfluss zu erzielen, der am Ende auch in parlamentarische Mehrheiten mündet, sei richtig, sagt der langjährige Linken-Funktionär an der Saar Heinz Bierbaum. Aber solche Vorstellungen ließen sich eben nicht verordnen.
    "Das muss meiner Ansicht nach von unten kommen und kann nicht medial von oben eingestielt werden, insofern halte ich den Ansatz für falsch."
    Auch die Partei dürfe bei den Überlegungen für eine neuartige Sammlungsbewegung nicht außen vor bleiben.
    "Was ich auch vermisse, das muss ich ganz deutlich sagen: Ich glaube, dass zu wenig von Lafontaine und Wagenknecht mit der Partei diskutiert wird, sondern es läuft ein Stück weit neben der Partei, das halte ich für falsch. Insofern gibt es da eine Art von Konkurrenz, die ich nicht für gut halte."
    "Lafontaine und Wagenknecht sind verbraucht"
    Ähnlich hat sich auch Gregor Gysi diese Woche in der "Berliner Zeitung" geäußert. Darüber hinaus sind auch potentielle Unterstützer einer linken Sammlungsbewegung aus dem grünen Spektrum, wie der saarländische Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete der Grünen, Markus Tressel, skeptisch gegenüber dem Vorhaben.
    "Ich glaube, dass diese Sammlungsbewegung extrem schwierig wird, weil man unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Richtungen, auch unterschiedliche politische Kulturen zusammen bringen müsste, um das tatsächlich zu einem nachhaltigen Erfolg zu machen. Und ich glaube, insbesondere die Personen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine wären die ganz Falschen, um so ein Projekt sinnstiftend voran zu treiben."
    Das sieht SPD-Mann Leinen genauso.
    "Lafontaine und Wagenknecht sind in gewisser Weise auch verbraucht, also Oskar Lafontaine hat die beste Zeit hinter sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er junge Leute begeistert. Also man braucht ein Thema, wo sich eine Opposition aufbaut. Man kann nicht in Merzig-Silwingen sitzen und der Republik eine neue Linksbewegung verordnen."