Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Fall Evi Sachenbacher-Stehle
Ein Bauernopfer des russischen Staatsdopings?

Evi Sachenbacher-Stehle wurde nach einem viertem Platz beim Biathlon-Massenstart positiv auf die verbotene Substanz Methylhexanamin getestet. Es ist bis heute der Schatten, der über der Karriere der Ex-Wintersportlerin schwebt. Doch nun liefert die Autobiografie eines russischen Doping-Whistleblowers neue Details.

Von Sebastian Münster | 31.07.2020
Evi SACHENBACHER - STEHLE im Ziel niedergeschlagen 12,5 km Massenstart der Frauen XXII. Olympische Winterspiele Sochi, Russland am 17.02.2014 Evi Bacher property Stehle in Target depressed 12 5 km Mass start the Women XXII Olympic Winter Games Sochi Russia at 17 02 2014
Der russische Doping-Whistleblower Grigori Rodchenkov bringt neues Licht in den Fall Evi Sachenbacher-Stehle. (imago images / Kosecki)
Die Ex-Skiläuferin Evi Sachenbacher-Stehle hat die neuesten Enthüllungen des Doping-Whistleblowers Grigori Rodchenkov überrascht zur Kenntnis genommen. "Meinen Namen habe ich in den letzten Jahren des öfteren in Verbindung mit Doping gehört. An des habe ich mich mittlerweile gewöhnt. In dem Fall ist es ja eher positiv für mich. Deswegen hat es mich dann auch emotional so gepackt."
Bei Olympia in Sotschi wurde sie positiv auf ein Stimulans getestet, erst zwei Jahre gesperrt, nach einer Berufung nur noch sechs Monate. Sportrechtlich wurde ihr nur geringe Schuld attestiert: Das Mittel war undeklariert in einem Tee.
"Das erste Opfer war die deutsche Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle"
Ein Buch wirft nun ein neues Licht auf den Fall: Geschrieben hat es Grigori Rodchenkov, in Sotschi war er Chef des Dopingkontrolllabors. Er wurde zum Whistleblower, lebt heute in den USA. Rodchenkov behauptet nun, die Russen hätten zur Vertuschung des eigenen Betrugs andere Doping-Verdachtsfälle besonders streng bewertet. So sollte der Eindruck erweckt werden, dass das manipulierte Testsystem in Sotschi funktioniert. "Das erste Opfer war die deutsche Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle", schreibt Rodtschenkow.
Whistleblower Grigori Rodtschenkow
Doping - Whistleblower lehnt Olympiastart russischer Athleten ab
Grigori Rodschenkov leitete lange das Moskauer Doping-Analyselabor. Dann wurde er zum Whistleblower, der das russische Staatsdoping mit aufdeckte.
Die Spuren von Methylhexanamin im Urin der Athletin seien so im Grenzbereich gewesen: "Doch wegen der Dürre an Positivproben, musste Blut fließen, also meldete ich es. Es tat mir leid für Evi. Die Bestrafung entsprach nicht ihrem Vergehen."
DOSB-Präsident Alfons Hörmann war schon in Sotschi als Chef der Olympia-Athleten vor Ort. Er sagt, Rodtschenkows Äußerungen könnten eine Bankrott-Erklärung für das Anti-Doping-System bedeuten: "Wenn das so ist, wie er das behauptet und er nicht gnadenloser Hochstapler ist, dann würde die WADA, der Welt-Anti-Doping-Agentur, schlichtweg konsequent versagen an so einer Stelle, weil’s niemals von einer Person abhängig sein darf, wie man mit einer Probe eines Athleten umgeht."
Urteil nicht mehr antastbar
Evi Sachenbacher-Stehle hat mit ihrem Dopingfall abgeschlossen. Und auch sportrechtlich ist das Urteil gegen sie nicht mehr antastbar. Dennoch, für die 39-Jährige bleibt ein fader Nachgeschmack. "Das Ende hätte ich mir natürlich anders gewünscht. Es ist aber leider nun mal so. Das können wir nicht mehr ändern. Und das wird auch das Buch von Herrn Rodchenkov nicht ändern können und damit muss ich jetzt leben." Immerhin hatte die einstige Medaillengewinnerin vom Produzenten des verunreinigten Tees später Schadensersatz erhalten.