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Fall Steudtner
Schröder vermittelte in der Türkei

Altkanzler Gerhard Schröder hat sich offenbar für die Freilassung des Menschenrechtlers Peter Steudtner eingesetzt - auf Wunsch der Bundesregierung. Mindestens zehn weitere Deutsche sind noch in türkischer Haft. Ob der Altbundeskanzler auch in anderen Fällen vermitteln wird, bleibt unklar.

Von Paul Vorreiter | 27.10.2017
    Menschenrechtler Peter Steudtner (l) umarmt in Istanbul, Türkei, vor dem Gefängnis Silivri eine Kollegin.
    Menschenrechtler Peter Steudtner (l) umarmt in Istanbul vor dem Gefängnis Silivri eine Kollegin (dpa-Bildfunk / AP / Emrah Gurel)
    Auf die Erleichterung folgte die Überraschung. Für die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner aus der Untersuchungshaft in der Türkei hat sich Altkanzler Gerhard Schröder offenbar maßgeblich eingesetzt.
    Nach Informationen des Magazins "Spiegel" hat Bundesaußenminister Gabriel Schröder gebeten, in die Türkei zu reisen, um zu vermitteln. Kanzlerin Merkel habe davon gewusst. Schröder und der türkische Präsident Erdogan sollen in Istanbul vereinbart haben, dass die Außenminister der beiden Staaten weiter an einer Lösung arbeiten sollten.
    Die türkische Seite soll darauf bestanden haben, dass sie nicht öffentlich in das laufende Gerichtsverfahren Steudtners eingreifen wolle. Wäre Steudtner verurteilt worden, hätte die türkische Regierung ihn möglicherweise ausgewiesen oder sogar begnadigt.
    Viele offene Fragen, auf die die Bundesregierung heute nicht antworten wollte. Die stellvertretende Sprecherin, Ulrike Demmer:
    "Die Bundesregierung freut sich sehr, dass Peter Steudtner frei ist und wieder bei seiner Familie sein kann. Wir werden uns selbstverständlich weiter mit aller Kraft auch für die anderen deutschen Staatsbürger einsetzen, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen in der Türkei inhaftiert sind; ich bitte aber um Verständnis, dass ich die Berichterstattung hier nicht kommentieren werde."
    Journalist Deniz Yücel und die Übersetzerin Mesale Tolu in türkischer Haft
    Und so bleibt unklar, ob Alt-Kanzler Schröder auch in Zukunft eingesetzt werden könnte, um in dem festgefahrenem Streit mit der Türkei auszuhelfen. Mindestens zehn weitere Deutsche sind dort noch in Haft. Unter ihnen der Journalist Deniz Yücel und die Übersetzerin Mesale Tolu.
    Sie war Ende April in Istanbul ähnlich wie Steudtner aufgrund von Terrorismusvorwürfen festgenommen worden. Tolus Anwalt Dieter Hummel dämpfte bereits ähnliche Erwartungen im Verfahren gegen seine Mandantin. Der Jurist sagte der "Frankfurter Rundschau", dass die Politik der Türkei an dieser Stelle keiner Rationalität folge. Man könne nur hoffen.
    Maria Adebahr, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, hob heute hervor, dass mit der Türkei weiter gesprochen werde:
    "Der Bundesaußenminister hat heute Morgen mit dem türkischen Außenminister Herrn Cavusoglu telefoniert. Er hat deutlich gemacht, dass es für die Bundesregierung ein Anliegen ist, im Dialog mit der Türkei zu bleiben und natürlich gehen die diplomatischen Bemühungen weiter, auf allen Ebenen, auf allen Kanälen, sich für die verbliebenen Deutschen, die in Haft sind, dort einzusetzen."
    Neue Diskussion über die deutsche Türkeipolitik
    Darüber hinaus wolle sich Bundesaußenminister Gabriel in naher Zukunft mit Peter Steudtner treffen.
    Nach dessen Freilassung ist eine neue Diskussion über die deutsche Türkeipolitik entbrannt. Bei ihren Sondierungsgesprächen konnten sich Union, FDP und Grüne abgesehen von einem proeuropäischen Formelkompromiss nicht darauf einigen, wie sie zum EU-Beitrittsverfahren der Türkei stehen. Grüne und FDP sind gegen einen vollständigen Abbruch der Gespräche, auf den die CSU drängt.
    SPD-Außenpolitiker Niels Annen fordert die Bundesregierung auf, den Dialog mit der Türkei aufrechtzuerhalten. Er warnte in der "Passauer Neuen Presse" vor zu viel Euphorie, sah aber dennoch die Chance für ein Entspannungssignal. Parteichef Schulz sagte, die Türkei müsse ihre Politik grundlegend ändern.