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Falle Facebook

Internet.- Soziale Netzwerke sind so angesagt wie nie zuvor. Doch nicht nur Privatsurfer wollen bei Facebook & Co. Präsenz zeigen, sondern auch Unternehmen. Allerdings können besonders Firmen dabei leicht in die verschiedensten Fallen tappen, wie jetzt auf der Berliner Konferenz "Social Media im Unternehmen" erörtert wurde.

Von Jan Rähm | 07.01.2012
    Unternehmen können im Netz gut agieren. Sie können aber auch schlecht agieren. Manchmal hätten sie vielleicht gar nicht agieren sollen – so wie eine Waschmittelfirma.

    "Ein Waschmittelhersteller hat eine Aktion gemacht, bei der die Gemeinde zum designen eines Aktionsproduktes aufrief und hat aber im Vorfeld sich keine Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn eben dort Dinge bei rauskommen, die er nicht haben möchte, die auch negativ möglicherweise fürs Image sind. Und dann ist eben genau das passiert und die Webgemeinde hatte großen Spaß daran, hier Dinge zu voten, die überhaupt gar nicht ins Unternehmensimage passen und was hat der Hersteller gemacht? Er hat die AGB verändert, er hat die Ausschreibungsmodalitäten geändert, um zum Schluss einen Sieger zu bekommen, der sozusagen über eine Jury handverlesen ausgewählt wurde. Und das ist natürlich nicht Sinn des Netzes. Und da merkt man natürlich: Anfängerfehler. Hätte einem so großen Unternehmen nicht passieren dürfen."

    Volkmar Neumann leitet die Werbeagentur ACN in Saarbrücken. Wer als Unternehmen in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Google Plus aktiv sein will, sagt er, der sollte versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Werbebotschaften verteilen, das ginge gar nicht. Volkmar Neumann vergleicht das Social Web mit einer Party: Wer dort ständig prahlt, stehe schließlich auch schnell allein da.

    "Wir stellen im Moment fest, dass ganz ganz, viele Unternehmen in dieses Medium hinein drängeln, ohne eigentlich zu wissen, was sie daraus erwarten. Also man darf nicht vergessen, soziale Netzwerke sind entstanden, weil Menschen sozial miteinander umgehen wollen, eine neue Form, eine einfache Form der Kontaktaufnahme gefunden haben. Ob sich das jetzt letztendlich als Verkaufstool lohnt, dass ist eben genau die Frage, die ich stelle und ich habe größte Bedenken, dass da ganz, ganz viele Unternehmen dran scheitern werden."

    Viele Unternehmen können außerdem kaum abschätzen, ob sie überhaupt wahrgenommen würden, sagt Volkmar Neumann. Fans oder Follower seien nur schlechte Indikatoren.


    "Das ist ja das große Dilemma. Denn es meldet sich ja keiner ab. Das Problem ist, wenn ich mein X setze und sage, ich möchte keinen Kommentar von diesem Unternehmen mehr haben, dann kriegt das Unternehmen das eben nicht mit. Das heißt, es kann im schlimmsten Fall sein, dass zu einer Zeit, als man interessant war, hat man mehrere Millionen Fans gehabt und heute spricht man noch mit 150 Leuten auf der anderen Seite, weil alle anderen haben das aus Desinteresse 'ausge-ix-t'. Und das ist eben das Schwierige daran, das heißt, man suhlt sich immer noch im Erfolg, guck mal wie viele Fans wir haben, dabei ist auf der anderen Seite überhaupt niemand mehr. Und das ist auch eins der großen Probleme, die Unternehmen häufig nicht verstehen."

    Ob die virtuelle Präsenz eines Unternehmens noch beim Nutzer ankommt oder nicht, lässt sich höchstens aus den Kommentaren erahnen. Doch wenn tausende Follower Nachrichten hinterlassen oder Dialoge kommentieren, kann es sehr schnell unübersichtlich werden.

    "Große Textmengen können ja irgendwann nicht mehr gelesen werden und im Social Media treten die ja im großen Volumen auf, speziell bei Firmen, die sehr, sehr viel Konversation auf ihre Plattformen ziehen und deshalb ist für die besonders interessant -neben den klassischen Monitoring-Metriken – wie: Was sind die bedeutendsten Quellen oder wo kommen die Post her lokal oder, oder, oder - auch hinzugucken, was wird geschrieben. Und ganz klassisch ist da immer, das ist eine positive Aussage, Neutralaussage oder negative Aussage. Aber was genau dahinter steckt, das wird nicht gesagt",

    erklärt Holger Rath von Attensity Europe. Die Firma hat sich darauf spezialisiert, Webinhalte zu analysieren. Holger Rath und seine Kollegen durchforsten das Internet aber nicht nur nach bestimmten Begriffen wie dem eigenen Firmennamen. Vielmehr wollen sie den Unternehmen dabei helfen, Stimmungen und Meinungen im Netz zu orten. Das machen sie mit Verfahren der Semantik. Daher: Sie versuchen die Bedeutung hinter den Worten zu erkennen.

    "Das arbeitet so, dass es erstmal die Texte wirklich linguistisch analysiert. Auf Satzebene erkennt Substantive, Verben, Hauptsätze, Nebensätze, etc. etc., Beziehungen zwischen den Sätzen und bereitet die dann so auf, dass sie dann in ein Data-Warehouse, wie es so klassisch heißt, hineingeschrieben werden können, als Daten, die dann mit Business-Intelligence, also Auswertungsmechanismen, zu ganz klassischen Reports zusammengebaut werden können."

    Die Unternehmen können so zum Beispiel schnell auf Kritik reagieren und Schlimmeres auf Facebook und Co. verhindern. Was den Firmen aber immer bewusst sein sollte: Wer die Netzöffentlichkeit mit einbezieht, muss auf Überraschungen gefasst sein – und damit auch souverän umgehen können. Volkmar Neumann von ACN erinnert sich da an die Social-Web-Aktion eines großen Versandhauses.

    "Da ging's um einen Model-Contest. Man suchte Gesicht für die Fan-Page. Und es gab eine irre Frequenz. 1,2 Millionen Votes, die abgegeben wurden. Und der Sieger oder die Siegerin, das Gesicht, das weibliche Gesicht, das gesucht wurde, war eben ein Junge, der sich eben entsprechend Perücke zurechtgestylt hatte. Und das Unternehmen hat perfekt reagiert. Junge, dich lassen wir aus der Verantwortung nicht mehr raus."

    Das Versandhaus lud den jungen Mann kurzerhand zum Model-Shooting. Er zierte – wie versprochen – eine Zeitlang die Fanpage des Unternehmens auf Facebook. Und das, sagt Volkmar Neumann, sei bei den Nutzern natürlich hervorragend angekommen.

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