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Familien zwischen Politik und Arbeitswelt

Die Einführung des Elterngelds hat Deutschland nicht mehr Kinder beschert. Doch es hat dafür gesorgt, dass mehr Väter eine berufliche Auszeit für die Kinderbetreuung nehmen. Dieses neue Familienbild fordert die Unternehmen heraus.

Von Uschi Götz | 15.06.2011
    "Ja, es war schon schwierig, nach knapp acht Jahren durchgearbeitet zu haben, jetzt auf einmal zu Hause. Also, Haushalt an sich hat mir per se nie etwas ausgemacht, aber jetzt hier für alles verantwortlich zu sein, mit allen Konsequenzen, plus eben jetzt auch noch Kind, das war am Anfang etwas eingewöhnungsbedürftig."

    Immer mehr Väter gewöhnen sich daran, eine Weile ihren Arbeitsplatz mit einem Kleinkindhaushalt zu tauschen. Mittlerweile nimmt fast jeder vierte junge Papa in Deutschland Väterzeit. Die Väterzeit - auch Wickelvolontariat oder Papamonate genannt - ist ein Erfolgsmodell.

    Doch der eigentlich gewollte Effekt der vom Staat finanzierten Elternzeit bleibt bislang aus: Es werden nicht mehr Kinder geboren. Deutschland hat nach wie vor eine der niedrigsten Geburtenraten aller Industrieländer. Laut Statistik bekommt eine Frau in Deutschland 1,36 Kinder, der OECD-Schnitt liegt bei 1,74. Dies geht aus dem jüngsten Familienbericht der OECD hervor.

    Gibt es familienpolitisch noch immer zu wenige Anreize für Paare Kinder zu bekommen? Ist die Politik also verantwortlich dafür, dass die Geburtenrate in Deutschland nicht steigt? Der politische Wille, Familiengründungen zu fördern, ist zumindest vorhanden. Vor genau fünf Jahren stellte die Große Koalition eine wichtige Weiche in der Familienpolitik: Das Bundeskabinett beschloss nach vielen, hart geführten Diskussionen die Einführung des Elterngeldes.

    Die Reform sah vor, Mütter und Väter bis zu 14 Monate lang finanziell zu unterstützen, wenn sie zeitweise im Beruf pausieren und sich um die Erziehung ihres Nachwuchses kümmern. Die Vorkämpferin der Reform, Ursula von der Leyen, beschwor vor fünf Jahren noch in ihrer Funktion als Familienministerin:
    "Es wird allen Eltern nützen, die sich im ersten Lebensjahr Zeit für ihr Neugeborenes nehmen und auf Einkommen verzichten. Es ist aber auch ein klares Signal, dass es von der Gesellschaft akzeptiert ist, dann auch in den Beruf zurückzukehren und Kontakt zu halten, auch weil Eltern grundsätzlich erst einmal selber für den Lebensunterhalt für die Kinder verantwortlich sind."

    Am 1. Januar 2007 trat das Gesetz in Kraft. Die Elterngeldregelung löste die bis dahin geltende Regelung des Erziehungsgeldes ab. Die Union sieht die Einführung der Elternzeit nach wie vor als Erfolgsgeschichte, eine geplante Ausdehnung musste aber wegen der allgemeinen Sparzwänge verworfen werden. Das Sparpaket von Finanzminister Wolfgang Schäuble brachte Familienministerin Kristina Schröder vor einem Jahr dazu, sich zu weiteren Einschnitten bei der Elternförderung bereit zu erklären:

    "Sie werden kommen, und sicher auch schmerzhafte Einsparungen. Und da wird es auch nicht ohne Einsparungen auch beim Elterngeld funktionieren."

    Und die politischen Verhältnisse in Berlin haben sich weiter verändert. So stellt der jetzige Koalitionspartner der Union das Elterngeld komplett in Frage. Wie sieht die Bilanz des Vorzeigeprojekts aus, fragte jüngst FDP-Generalsekretär Christian Lindner auf dem Bundesparteitag in Rostock und lieferte die Antwort gleich dazu:

    "Es zeigt einmal mehr, politisch planen kann man Lebensentwürfe nicht. Und, ich habe zwar selbst keine Kinder, ich weiß auch, Kinder werden nicht am grünen Tisch gemacht, und deshalb sollte die Politik sich dieser familienplanerischen Intentionen enthalten."

    Die Geburtenrate sei nicht erhöht worden, konstatierte Lindner und empfahl, die Mittel an anderer Stelle auszugeben:

    "Mit den vier Milliarden des Elterngeldes können wir für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel Besseres tun, als Mitnahmetatbestände zu schaffen; wir können konkret in die Qualität und Flexibilität der Kinderbetreuung investieren. Da wäre das Geld besser aufgehoben als an dieser Stelle."

    CDU-Familienministerin Kristina Schröder kündigte umgehend an, sie werde das Elterngeld eisenhart verteidigen. Sie warf der FDP eine eindimensionale Betrachtungsweise vor:

    "Das Elterngeld ist keine Gebärprämie. Und wenn man das Elterngeld einfach abschaffen würde, dann würde das bedeuten, dass Eltern mit zwei Monate alten Säuglingen aus finanziellen Gründen gezwungen wären ihr Kind in die Kita zu geben. Und da frage ich mich, ob das das neue liberale Verständnis von Freiheit ist."

    Weniger kämpferisch äußerte sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder. In dieser Legislaturperiode bleibe es beim Elterngeld, sagte Kauder. Allerdings werde man seine Wirkung überprüfen. Die Opposition sieht in dem entbrannten Konflikt zwischen den Koalitionspartnern ein Scheinduell. Während Lindner den "marktradikalen Hardliner" gebe, versuche sich die Familienministerin als Interessenvertreterin der Familien, so SPD-Parteivize Manuela Schwesig.

    Mit rund 4,5 Milliarden Euro ist das Elterngeld der mit Abstand größte Posten im Etat des Familienministeriums. Es wird zusätzlich zum Kindergeld ausbezahlt und sichert das erste Jahr nach der Geburt eines Kindes finanziell ab.

    Die Höhe des Elterngeldes ist vom bisherigen Verdienst der Mütter beziehungsweise Väter abhängig. Es beträgt bis zu 67 Prozent des durchschnittlichen Nettogehalts der letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes; mindestens 300 Euro und höchstens 1800 Euro kann ein Vater oder eine Mutter in Elternzeit bekommen. Das Elterngeld wird für maximal 14 Monate gezahlt; Väter und Mütter können den Zeitraum frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen. Zwei weitere Monate gibt es, wenn sich der Partner an der Betreuung des Kindes beteiligt und den Eltern mindestens zwei weitere Monate eines von beiden Einkommen wegfällt.

    "Wenn die Möglichkeit besteht, würde ich jedem raten, das zu machen, ich denke, so viel Kontakt zum Kind wird man im Weiteren nicht mehr haben. Gerade diese Anfangszeit. Zu sehen, wie er jetzt auf einmal aufsteht, läuft, das ist alles einfach toll. Ich weiß noch, wenn ich gearbeitet habe, hat man es immer abends eben die Fortschritte beobachten dürfen, aber es war eben nie, dass ich als Erster gesehen habe, dass er aufsteht, ich durfte nie als Erster sehen, wie er einen Zwieback isst. Das ist einfach eine tolle Erfahrung, finde ich."

    Tobias Weckmann ist Facharzt für Anästhesie in einer großen Klinik in Stuttgart. Knapp fünf Monate lang betreute er seinen Sohn Erik. Seine Frau, ebenfalls Fachärztin, hatte die ersten neun Monate der Elternzeit übernommen. Vater Weckmann ist statistisch betrachtet eine Ausnahme. Drei von vier Vätern bezogen im Jahr 2009 Elterngeld für maximal zwei Monate. Anders sieht es bei den Frauen aus: Neun von zehn Müttern bekamen die Leistung für zwölf Monate.

    Hartz-IV-Empfänger bekommen seit Jahresbeginn faktisch kein Elterngeld mehr, weil es auf die übrigen Zahlungen angerechnet wird. Die Elternzeit soll vor allem berufstätige Frauen und Männer und erst recht Akademikerpaare zum Kinderkriegen animieren. Zwar blieb die Geburtenrate nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den vergangenen Jahren annähernd gleich, aber ein Effekt zeigte sich: Vor allem die gut ausgebildeten Väter nehmen die Väterzeit in Anspruch. Dr. Thomas Gesterkamp, Autor des Buches "Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere":

    "Die neuen Väter sind ein Phänomen der Mittelschicht. Das kann man auch, wenn man in die Details der Elternzeitstatistik hineingeht, nachvollziehen. Und wenn sie das nach Regionen, nach Stadtteilen usw. analysieren, stellen sie fest: In den wohlhabenden Regionen, in den wohlhabenden Stadtteilen sind die Quoten besonders hoch, also da, wo die Einkommen der Väter, der Männer hoch sind, machen sie die Elternzeit, zumindest die zwei Monate."

    Hat FDP-Generalsekretär Lindner also doch Recht, wenn er sich über Mitnahmebestände beklagt? Das Elterngeld ermögliche den Familien einen gewissen Luxus, schrieb "Der Spiegel" vor einigen Monaten. Der Mitnahmeeffekt beim Elterngeld lasse sich gerade in Berlin rund um einen Papa-Laden im Prenzlauer Berg sehr gut beobachten. Zur Standardlektüre der neuen Väter gehöre das Buch "Abenteuer Elternzeit: Ein Ratgeber über das Reisen mit Baby und Kleinkind". Thomas Gesterkamp reagiert auf solche Berichte empört:

    "Das ist ein uraltes Klischee! Als das in Schweden eingeführt wurde, haben dann Leute behauptet, die Väter gehen zur Elchjagd, weil herausgekommen ist, dass die Väter diese Elternzeit lieber im Sommer nehmen. Aber das kann ich keinem Mann übel nehmen. Warum sollte er das nicht versuchen, wenn sich das vom Geburtstermin des Kindes her anbietet. Wenn man sich diese Auszeiten nimmt und das für Männer erst einmal ungewöhnlich ist, finde ich das vollkommen legitim."

    Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung des Berliner Instituts für Sozialwissenschaftlichen Transfer lieferte zwei Jahre nach Einführung des Elterngeldes erste Ergebnisse darüber, wie die Lohnersatzleistung von jungen Eltern in Anspruch genommen wird. Die Diplom-Soziologin Svenja Pfahl vom Institut:

    "Es ist klar, und das zeigen auch unsere Ergebnisse aus den Interviews, dass die Väter sich nicht alle auf die Hausarbeit stürzen. Aber sie verbringen Zeit mit ihren Kindern, und sie intensivieren ihre Beziehung zu den neugeborenen Kindern als auch zu den Geschwisterkindern, also stärkt die Vater-Kind-Beziehung. Das führt auch nach der Elternzeit bereits dazu, das konnten wir auch in den Interviews sehen, dass sie das auch in den Betrieb mit rein nehmen."

    Es sei zu früh, die Elternzeit in Frage zu stellen, warnen Wissenschaftler. Die Berliner Soziologin Pfahl empfiehlt, die Gesamtsituation frei von Zahlen anzuschauen:

    "Eine gute Familienpolitik misst sich nicht nur daran, ob Leute Kinder bekommen, sondern ob Familien mit diesen Kindern auch gut leben können. Das ist für mich eigentlich die entscheidende Frage. Und das Elterngeld ist in jedem Fall ein Beitrag dazu, auch die Arbeitswelt zu berühren, die Arbeitswelt auch auf das Thema aufmerksam zu machen, auch familienfreundlichere Arbeitsbedingungen anzustoßen. Das kann für Familien nur gut sein. Und wie unsere Studie auch zeigt, beginnt das bereits, und insofern würde ich sagen, ist es erfolgreich."

    Das Thema ist auf dem Familientisch. Vorbei die Zeit, als Väter am Abend nur noch ihren schlafenden Nachwuchs antrafen. Wer sein Kind gewickelt und gefüttert hat, und sei es nur für zwei Monate, der hat zu ihm eine andere Beziehung. Doch das neue Familienbild fordert die Unternehmen heraus.
    Peer- Michael Dick, Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband Südwestmetall - der Verband vertritt vor allem mittelständische Firmen in Baden-Württemberg:

    "Auch die Unternehmen werden ja von Männern größtenteils geführt. Auch das sind andere Männer als vor 30 oder 40 Jahren ihre Väter. Auch die sehen die Problematik insgesamt, haben vielleicht auch eine ganz andere Einstellung. Und ich denke, da ist auch ein gewisses Verständnis vorhanden, und das entwickelt sich langsam."

    Vor allem für kleine Betriebe bringt die Elternzeit oft schwerwiegende organisatorische Probleme mit sich:

    "Stellen sie sich vor, Sie haben eine Entwicklungsabteilung mit fünf, sechs, sieben Mitarbeitern, und der Chef dieser Abteilung will jetzt mal sechs bis zwölf Monate nicht da sein, das führt sofort zu Problemen. Das ist den allermeisten Führungskräften auch bekannt, deswegen scheuen die sich in der Regel, in diesem Umfang in Elternzeit zu gehen, sondern versuchen das anders zu lösen."

    Zum Beispiel mit Teilzeitarbeit. Bisher wurden solche Modelle von Arbeitgebern nicht gern gesehen, vor allem nicht für Männer. Aber der Facharbeitermangel spielt dem Wunsch nach Teilzeitarbeit in die Hände, meint Dick. Qualifizierte Facharbeiter könnten immer mehr Bedingungen an ihren Arbeitsplatz stellen:

    "Der Zeitgeist, der sich entwickelt hat und weiterentwickelt, dass immer mehr Männer die Elternzeit in welchem Umfang auch immer in Anspruch nehmen, verknüpft mit der demografischen Entwicklung, dass also die Unternehmen die Fachkräfte wirklich mit der Lupe eines Tages suchen werden müssen, wird dazu führen, dass das ein ständiges und dann eines Tages ein ganz normales Thema und damit gar kein Thema mehr sein wird."

    Die Unternehmensleitung von Heidelberger Druckmaschinen am Standort Amstetten im Landkreis Göppingen hat gemeinsam mit ihren rund 1100 Mitarbeitern einen ganzen Katalog zusammengestellt, wie sich künftig Familie und Beruf besser vereinbaren lassen. In den kommenden Jahren werden 88 konkrete Maßnahmen getestet, die am Ende auch das Ziel haben: Facharbeiterinnen und Facharbeiter an das Unternehmen zu binden.

    Bernd Huss, Leiter der Abteilung "Human Resources" bei Heidelberger Druck:

    "Highlights sind sicher eine ausgebaute Ferienbetreuung in allen Ferienzeiten, wir bieten mittlerweile auch Gleitzeit in der Produktion an; wir haben jetzt mehrere Pilotbereiche, in denen wir das ausprobieren, das heißt die Mitarbeiter im Schichtbetrieb haben am Ende ihrer Schicht die Möglichkeit auch die Arbeitszeit flexibel anzupassen. Dadurch haben wir auch die Möglichkeit den einen oder anderen Gleittag zu nehmen, zum einen. Zum anderen bietet das für uns natürlich auch ein Stück weit die Möglichkeit einfach in der Produktion, die Maschinenlaufzeiten an die Arbeitszeiten besser anzupassen. Also es gewinnen letztendlich beide.""

    Wie viele Unternehmen muss sich gerade auch Heidelberger Druck am Standort Amstetten, einer ländlichen Gegend, mehr als Unternehmen in Ballungszentren um die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze kümmern. Flexible Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuungsangebote werden wohl künftig darüber entscheiden, ob etwa eine Ingenieurin mit ihrer Familie auf das Land zieht oder sich sicherheitshalber doch für die Nähe zur Großstadt entscheidet. Personalchefs wie Bernd Huss haben früh die Weichen gestellt und sich auf kommende Zeiten vorbereitet.

    "Wir wissen, dass es immer wieder einmal Lebensphasen gibt, wo es einfach auch für einen Mitarbeiter wichtig ist, die Möglichkeit zu haben, auf Teilzeit zu gehen, zu reduzieren, sei es jetzt, dass er sich um die Betreuung seiner Kinder kümmert, sei es, dass er sich um die Pflege der eigenen Eltern kümmert. Ich denke, dass es auch für die Mitarbeiter ein großer Wert ist, auch für die Mitarbeiter, dass sie bei einem Unternehmen arbeiten, das solche Möglichkeiten eben anbietet und wo auch die entsprechende Akzeptanz da ist."

    Theoretisch ist man also in einigen Chefetagen schon sehr weit. Die Umsetzung wird aber dauern. Barrieren in den Köpfen müssen nun eingerissen werden, das gilt gerade für Männer. Von den 1100 Beschäftigten bei Heidelberger Druck am Standort Amstetten sind gerade mal 30 Männer in Teilzeit oder in Väterzeit. Bernd Huss selbstkritisch:

    "Das kann nur der Anfang sein. Es ist auf dem Weg noch einiges zu tun. Und wir brauchen auf dem Weg auch Führungskräfte, die sich entsprechend für dieses Thema einsetzen, Vorbilder, letztendlich Führungskräfte, die selber das Thema Teilzeit auch ein Stück weit vorleben. Wir müssen als Unternehmen auch zeigen, dass auch Männer, die temporär Teilzeitmöglichkeiten wahrnehmen, dass es dadurch eben nicht zu einem Karriereknick kommt. Das müssen wir erst noch zeigen, dass das tatsächlich so ist."

    Zwar spräche nicht jeder Vorgesetzte offen darüber, aber noch sei in den Führungsetagen nichts von einer Väterrevolution zu spüren, die einst Ministerin von der Leyen beschworen hatte. So die Einschätzung von Buchautor Gesterkamp. Im Gegenteil: Einige Väter beschrieben das Arbeitsklima nach ihrer Rückkehr in die Firma als unterkühlt:

    "Es gibt diese schöne Anekdote vom "EDEKA"-Vermerk - Ende der Karriere -, der angeblich gemacht wird, wenn Väter nach der Elternzeit oder gar nach reduzierten Arbeitszeiten, nach Teilzeitstellen fragen. Das gibt es immer noch in einzelnen Unternehmen. Es tut sich aber im Moment etwas. Natürlich muss der familienbewusste Betrieb auch väterfreundlich sein, nicht nur mütterfreundlich. Müttern ist in der Vergangenheit immer schon zugestanden worden, dass sie wegen der Geburt eines Kindes zeitweise ausfallen. Ihnen wird auch die Teilzeit erleichtert, natürlich mit entsprechenden Karriereeinschränkungen. Bei Männern ist das noch sehr ungewohnt. Aber auch da tut sich was."

    Woanders dagegen nicht. Das Elterngeld ist nur dann gut, wenn nach der Elternzeit auch Krippenplätze zur Verfügung stehen. Vor allem in den alten Bundesländern gibt es zu wenige Betreuungsplätze für unter Dreijährige. In zwei Jahren bereits bekommen Eltern aber einen Rechtsanspruch auf einen Krippen- oder Tagesmutterplatz.

    Und in diesem Punkt haben die Liberalen Recht: Der Ausbau der Kinderbetreuung erfolgt dramatisch schlecht. Aber die Forderung von FDP-Generalsekretär Lindner, das Elterngeld besser in den Ausbau der Kindertagesstätten zu stecken, ist nicht schlüssig. Beide Komponenten werden gebraucht.
    Es gebe bereits mehr Betreuungsangebote für unter Dreijährige als in den vergangenen Jahren, aber es gebe nicht genug, sagte Familienministerin Kristina Schröder vor wenigen Wochen. In den alten Bundesländern müsste das Angebot innerhalb von zwei Jahren nahezu verdoppelt werden. Im Südwesten ist die Situation besonders schlimm. Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg:

    "Wir haben jetzt, die letzte Zahl, die wir wissen, das ist Ende 2010, haben wir rund 50.000 Plätze. Bis zu dieser angestrebten Quote von bis zu 34 Prozent brauchen wir 91.000. Die Rechnung ist leicht: Es fehlen circa 40.000 Plätze, also das ist nahezu eine Verdoppelung dessen, was wir bisher haben. Das heißt, dass wir dieses Ziel mit derselben Ausbaugeschwindigkeit nicht erreichen können. Und ich halte es nach wie vor für sehr unsicher, ob wir das überhaupt schaffen können."

    In der OECD-Familienstudie heißt es: Deutschland nehme im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern einen Spitzenplatz bei der Familienförderung ein. Bemängelt wird jedoch gerade der schleppende Ausbau von Betreuungsplätzen. Deutschland setzte bei der Familienförderung bisher sehr stark auf Steuererleichterungen für Eltern. Andere Länder investierten dagegen mehr direkt in Strukturen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Der eingeschlagene, familienpolitische Kurs müsste korrigiert werden.

    Doch selbst wenn alles optimal gestaltet würde, bleibt fraglich, ob am Ende dann mehr Kinder in Deutschland zur Welt kämen. Den perfekten Zeitpunkt für ein Kind gebe es nicht, sagte Familienministerin Kristina Schröder in einem Focus-Interview. Man solle Frauen ermutigen, früher diesen Schritt zu wagen, durchaus auch während des Studiums. Im Sommer erwartet die Ministerin ihr erstes Kind. Sie werde sich mit ihrer Auszeit am gesetzlichen Mutterschutz orientieren, hieß es aus Berlin. Der beginnt in der Regel sechs Wochen vor der Geburt und endet acht Wochen danach. Und danach wird es spannend, nicht nur bei Familie Schröder.

    "Ich kann nur sagen, am Elterngeld wird nicht gerüttelt. Es gab bereits schmerzhafte Einsparungen beim Elterngeld, und damit ist der Beitrag, den junge Eltern hier in Deutschland zur Haushaltskonsolidierung leisten, für die gesamte Legislaturperiode erfüllt."