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Familienvater und Mörder

Der aus New York stammende Baruch Goldstein lebte in Qiriat Arba, einer jüdischen Siedlung im Westjordanland. Die Menschen dort schätzten Goldstein, den Notarzt und Vater von vier Kindern. Am 25. Februar 1994 betrat der Mann das Heiligtum von Hebron, die Höhle Machpelah. Mit einem Sturmgewehr erschoss er 29 palästinensische Muslime beim Gebet und verletzte 150 weitere.

Von Sebastian Engelbrecht | 25.02.2009
    "Zeugen berichteten, der Täter habe mehrere Magazine leer geschossen. Überall seien in der Moschee Menschen tot oder verletzt zusammengesackt. Der Attentäter wurde von der aufgebrachten Menschenmenge gelyncht."

    Die Muslime befanden sich im Fastenmonat Ramadan, die Juden feierten an diesem Tag das Purim-Fest. An dem Feiertag erinnern sie sich an den Sieg ihrer Vorfahren über ihre Feinde im Perserreich. Goldstein übertrug die biblische Geschichte, die mit der Ausrottung der Feinde der Juden endet, in die Gegenwart. Der 38 Jahre alte bärtige Mann gehörte der militanten jüdischen Kach-Bewegung an, einer extremistischen Gruppierung, die vor Anschlägen gegen Palästinenser nicht zurückschreckt.

    Für den Friedensprozess zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde war der Anschlag Goldsteins ein schlimmer Rückschlag. Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin bemühte sich noch am Tag des 29-fachen Mordes darum, den Schaden zu begrenzen.

    Rabins Friedenskurs, der auf eine Teilung des Landes in einen israelischen und einen palästinensischen Staat hinauslief, war für Baruch Goldstein Verrat an der biblischen Weisung, sich das ganze Land zu unterwerfen. Goldstein hatte selbst jeden Tag in der Machpela-Höhle gebetet - am zweitheiligsten Ort des Judentums. Die israelitischen Erzväter Abraham, Isaak und Jakob und ihre Frauen sollen hier begraben sein. In dem Gebäudekomplex befindet sich eine Synagoge und eine Moschee. Das Gebet der Muslime am selben Ort war für Goldstein eine Anfechtung.

    Jitzhak Rabin sprach von einem "abscheulichen Verbrechen". Vor der Knesset sagte er drei Tage nach der Tat, an die Palästinenser gewandt:

    "Wir laden Euch ein, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Gespräche wieder aufzunehmen. Wir sollten zu den Verhandlungen zurückkehren, weil nach dem Blut und den Tränen die Zukunft vielleicht bringt, wovon wir immer geträumt haben: 100 Jahre Krieg und Terror zu beenden und wie andere Völker zu leben."

    Die israelische Regierung setzte eine Untersuchungskommission ein: Warum hatte kein israelischer Wachsoldat in der Machpelah Baruch Goldstein, den Major der Reserve, an dem Massenmord gehindert? Zwei Wochen nach dem Massaker berichtete der ARD-Hörfunk-Korrespondent Martin Wagner:

    "Die israelischen Sicherheitskräfte hatten Anweisung, keinesfalls das Feuer auf Siedler in den besetzten Gebieten zu eröffnen, auch wenn die Siedler ihrerseits auf Palästinenser schießen. Die Anweisung lautete, dass Soldaten in Deckung gehen sollten, um erst dann einzugreifen, wenn der Siedler das Feuer eingestellt oder sein Magazin leergeschossen hat."

    Die Untersuchung kam zu spät. Goldstein hatte Maßstäbe gesetzt. Das Grab des Massenmörders in Qiriat Arba wurde zur Wallfahrtsstätte für Gleichgesinnte. Auf der Grabinschrift wird das "Andenken dieses aufrichtigen und heiligen Mannes" gepflegt. Seine Hände seien unschuldig, sein Herz sei rein, heißt es da. Aus der Sicht des in Deutschland geborenen Siedlerführers Eljakim Ha'etzni aus Qiriat Arba wird das Goldstein-Massaker bis heute hochgespielt.

    "Nun hat jeder wirklich - auf Hebräisch heißt das: eine Metzie, hab gefunden, also, wie sagt man, einen Schatz, einen jüdischen Mörder. Ihr tanzt auf diesem Blut alle und Ihr nutzt aus dieses Blut bis zum letzten Tropfen, um uns anzuschwärzen, und das ist auch krankhaft."

    Für den Mörder Jtzhak Rabins, Jigal Amir, bedeutete der Grabstein Goldsteins eine Inspiration zum Mord. Anderthalb Jahre nach Goldsteins Tat ermordete Amir den Friedensnobelpreisträger Rabin.