Freitag, 19. April 2024

Archiv


Fangquoten für den Wal

In den 1930er-Jahren boomte der Walfang. Die Arktis war praktisch schon leergejagt. Auf der ganzen Welt drohten die Walbestände zu kollabieren. Um die Situation in den Griff zu bekommen und vor allem um die Walfang-Industrie am Laufen zu halten wurde 1946 die Internationale Walfangkommission gegründet.

Von Marieke Degen | 02.07.2012
    November 1946. In Washington treffen sich Delegierte aus 15 Ländern, darunter die größten Walfangnationen Großbritannien und Norwegen. Sie sind fest entschlossen, ihren Industriezweig zu retten. Am 2. Dezember 1946 unterzeichnen sie das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs. Die Internationale Walfangkommission, kurz IWC, ist geboren.

    Lied Kevin Johnson: "”The Whales are singing to me
    I went to sea,
    there were no other choices for me
    a whaling ship,
    what greater adventures could there possibly be?”"

    In den 30er-Jahren war der Walfang ein lukratives Geschäft und weit mehr als ein Abenteuer. Aus Waltran machte man Margarine, und der Bedarf stieg. Die Jagd auf die Meeressäuger fand inzwischen auf hoher See statt, in der Antarktis, wo die meisten Wale leben. Gegen die moderne Technik der Flotten hatten die Tiere keine Chance. Die Walfänger fahndeten mit Flugzeugen nach ihnen. Die dieselbetriebenen Fangboote waren schnell, und die Leinen der Harpunen standen unter Strom, der die Wale sofort betäubt hat. Petra Deimer, Meeresbiologin und Mitglied im Wissenschaftsausschuss der IWC:

    "Zu Anfang hat man Wale gefangen und musste sie mit den Fangbooten an Land bringen, wo die Kocher waren und das Walfleisch ausgekocht wurde, beziehungsweise der Speck zu Tran. Später hat man dann schwimmende Fabrikschiffe gehabt, die also auf hoher See alles machen konnten. Die konnten schon vor Ort die Wale zerlegen und zerkochen."

    Schon 1931 waren um die 30 Fabrikschiffe in der Antarktis unterwegs. Ein Rekordjahr: Die Walfänger haben mehr als 40.000 Wale getötet und dreieinhalb Millionen Barrel Waltran gewonnen. Weit mehr, als der Weltmarkt verkraften konnte. Hunderttausende Tonnen mussten zu Schleuderpreisen verhökert werden. Doch die Walfangflotten hatten noch ganz andere Sorgen.

    "Die Bestände waren alle schon sehr stark geschrumpft, geschröpft, weil viel zu viele Wale gejagt wurden und die größeren mehr als die kleineren, also Blauwale, Buckelwale, Finnwale waren zu der Zeit schon sehr stark gefährdet bis hin zu vom Aussterben bedroht."

    Der Rohstoff Wal ging zur Neige. Die norwegische Regierung hatte schon früh den Ernst der Lage erkannt: Bereits 1929 fing sie damit an, den Walfang zu regulieren. Norwegische Harpuniere durften keine Jungtiere oder Muttertiere erlegen.

    1932 führten die Walfangnationen die Blauwaleinheit ein. Ein Blauwal hat soviel Tran wie zwei Finnwale, zweieinhalb Buckelwale oder sechs Seiwale. Zum ersten Mal gab es auch eine Quote: Die Walfänger durften insgesamt nur noch zwei Millionen Barrel Tran gewinnen, das entspricht 18.000 Blauwal-Einheiten. Welche Wale sie jagen wollten, das blieb den Männern selbst überlassen.

    "Das ist die größte Idiotie der ganzen Geschichte. Man kann doch nicht dem Walfänger sagen, du kannst dir aussuchen, ob du einen Blauwal, zwei Finnwale oder zweieinhalb Buckelwale fängst. Weil natürlich die Walfänger am liebsten die großen Wale gefangen haben, das war mehr Beute auf einen Schlag."

    1938 erlegten die Harpuniere mindestens 45.000 Wale. Alle Versuche, den Walfang zu regulieren und die Tiere zu schützen, schlugen fehl.

    "Davon war immer wieder die Rede, nur man hat nichts Konkretes gemacht, weil die Industrie keine Lust dazu hatte. Ist ja auch verständlich, man wollte immer den Walfang erhalten und nicht die Wale."

    Die Internationale Walfangkommission, die am 2. Dezember 1946 ins Leben gerufen worden ist, sollte den Walfang endlich in geregelte Bahnen lenken. Sie legte Fangquoten fest, aber:

    "Der Aspekt Naturschutz oder Artenschutz kam nicht vor. Und das war eben der Fehler, und man hat nach wie vor nicht an dieser Blauwal-Einheit gerüttelt, und deshalb nützte das Ganze eigentlich überhaupt nichts."

    Erst im Laufe der Zeit hat die IWC Quoten für einzelne Arten eingeführt. Seit 1986 dürfen überhaupt keine Wale mehr zu kommerziellen Zwecken gefangen werden. Doch nicht alle Länder halten sich daran. Japan, Norwegen und Island töten weiterhin um die 2000 Wale pro Jahr.

    Dabei gibt es einen viel besseren Weg, mit den Meeressäugern Geld zu verdienen: mit Whale Watching für Touristen. Die sanfte Jagd auf Wale könnte den Ländern viele Millionen Dollar pro Jahr einbringen.

    Mehr zum Thema:
    "Kommerzieller Walfang wurde in den letzten zwei Jahren nicht behandelt" - Konferenz der Internationalen Walfang-Kommission in Panama