Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Farbe auf der Leinwand

Entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Farbfilms hatte die amerikanische Firma Technicolor. Mit ihrer Erfindung der so genannten Drei-Streifen-Kamera experimentierte zunächst ein gewisser Walt Disney und drehte in den frühen 30er Jahren die Zeichentrickfilme seiner "Silly Symphonies",ehe damit der erste Spielfilm hergestellt werden konnte. Heute vor 70 Jahren hatte "Becky Sharp" in den USA Premiere.

Von Michael Langer | 03.06.2005
    Als 3. Juni 1935 Rouben Mamoulians Spielfilm "Becky Sharp" in die amerikanischen Kinos kam, waren sowohl die Kritiker als auch das Publikum erstaunlicherweise nicht sonderlich begeistert, wiewohl dieser Film einen technischen Fortschritt moderner Bild- und Farbgebung bedeutete, der die kommenden 20 Jahre kinematographischer Entwicklung entscheidend prägen sollte: "Becky Sharp" war allerdings nicht, wie leider immer mal wieder behaupt wird, der erste Farbfilm der Geschichte. Nein, Farben gab es schon in Cecil de Milles Klassiker "Die zehn Gebote" aus dem Jahr 1923 und auch Douglas Faibanks nutze bereits 1926 das Zwei-Farben-Technicolor-System für seinen Abenteuerfilm "The Black Pirate".
    "Becky Sharp" war vielmehr der erste abendfüllende Spielfilm, der im so genannten Drei-Streifen-Technicolor-Verfahren gedreht worden war; einem technischen Verfahren, das es seinerzeit möglich machte, endlich das gesamte Spektrum natürlicher Farben auf die Leinwand zu bringen.

    "Becky Sharp" war damals bereits die dritte Verfilmung des beliebten Stoffes "Vanity Fair", die recht freie Adaption von William Makepeace Thackerays berühmten Roman "Jahrmarkt der Eitelkeiten", einem "Roman ohne Helden", wie Thackeray selber schrieb. Also keine Heldengeschichte, sondern ein Sittengemälde aus napoleonischer Zeit, die farbenprächtige Geschichte vom Aufstieg und Fall einer Anti-Heldin, einer jungen Waisin, die zielstrebig und ohne Rücksicht auf Verluste ihren Weg durch die englische Klassengesellschaft macht

    Miriam Hopkins, die hier streckenweise - wie man so schön sagt - dem Affen ordentlich Zucker gab, übernahm die Titelrolle der "Becky Sharp" , was ihr übrigens eine Oscar-Nominierung als beste Schauspielerin eintrug. Ansonsten wurde "Becky Sharp" kein Kassenschlager, und die Kritiker monierten nicht nur den dürftigen Plot einer allzu theatralisch inszenierten Geschichte, sondern beschwerten sich vor allem über eine übertriebene Verwendung der Farben. Nicht alles Neue ist eben auch eine Sensation.

    Zu grell, zu bunt, bunter als bunt muss das Spektakel gewirkt haben: Knallrote Erdbeeren, tiefblaue Trauben, goldgelber Schmuck, flirrende Kostüme und schillernde Uniformen. Ja sogar die Gemütszustände einzelner Figuren wollte Mamoulian durch entsprechende Farbgestaltung zum Ausdruck bringen, was das Publikum zusätzlich überfordert haben dürfte. Schließlich mussten sich die Zeitgenossen erst einmal an das ganze Spektrum natürlicher Farben auf der Leinwand gewöhnen, da machte der Regisseur im Farbenrausch sogleich einen Kunstgriff daraus, mittels natürlicher Farben künstlich wirkende Szenerien zu entwerfen und mit dem symbolischen Wert der Farbe zu spielen.

    Wer heutzutage beurteilen möchte, ob die Farbeffekte in "Becky Sharp" gelungen sind, der müsste sich nach Los Angeles begeben, denn dort liegt in den Filmarchiven der Univeristy of California die einzige, im Jahr 1984 auch nur zu zwei Drittel restaurierte Fassung von "Becky Sharp", dessen Original verloren ging.
    Eine bloß in Übersee erhältliche DVD liefert in dürftiger sog. Zwei-Farben-Cinecolor-Kopie lediglich einen matten und schäbigen Eindruck von einem ansonsten nicht weiter der Rede werten Spielfilm, der Geschichte nur deshalb machte, weil er der erste war im Drei-Streifen-Technicolor-Verfahren, aber damit den Boden bereitete für eine neue Ära des Farbfilms: Denn wahre Triumphe feierte jenes Technicolorverfahren erst in den Jahren nach 1935 mit Filmen wie "Robin Hood" (gespielt von Eroll Flynn) oder Disneys "Schneewittchen" und - last but not least -: "Vom Winde verweht".