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"Farbige" Identität in Südafrika
Nicht weiß, nicht schwarz

Schwarz, weiß, asiatisch und farbig - das waren die rassistischen Kategorien während der Apartheid. Fast 25 Jahre später beklagen sich "farbige" Südafrikaner über Vorurteile und Diskriminierung. Ein junger Künstler dreht den Spieß mit seinem "Colourman" um.

Von Leonie March | 03.01.2019
    Der südafrikanische Künstler Rory Emmett bei einer Performance als 'Colourman'
    Der südafrikanische Künstler Rory Emmett bei seiner Performance als 'Colourman' (Rory Emmett)
    "Hi my name is Kelly-Eve. And I am Sarah. And we are about to go on a journey to figure out our own heritage."
    Zwei junge Frauen aus Kapstadt machen sich in der Webserie "Coloured Mentality" auf die Suche nach ihrer Identität. Während der Apartheid wären sie als "coloured" also "farbig" klassifiziert worden. Aber was bedeutet das eigentlich heute, fast ein Vierteljahrhundert später?
    "What is a coloured person?"
    Was ist ein Farbiger? Diese Frage steht im Mittelpunkt der ersten Episode. Künstler und Kulturschaffende antworten.
    "For the longest time I did not want to be associated with that term being coloured, because the term was given to us."
    Einige haben den Begriff aus der rassistischen Vergangenheit lange abgelehnt. Andere sind dagegen stolz auf ihre genetische Mischung.
    "I think we are just like a mixed breed of everything that’s happened. And you are like the special pot at the end of it all: Tastes good, looks nice, cause you threw everything in."
    Coloureds kämpfen gegen Vorurteile und Diskriminierung
    Zu ihren Vorfahren gehören die Ureinwohner Südafrikas ebenso, wie die europäischen Einwanderer und ihre Sklaven aus asiatischen und afrikanischen Staaten. Eine homogene Gruppe waren sie nie. Trotzdem würden sie bis heute mit pauschalen Vorurteilen konfrontiert, sagt der Künstler Rory Emmett.
    "Die Medien stellen Farbige als Rowdys dar, als Gangster, die mit Drogen, Diebstahl und Gewalt assoziiert werden. Als Leute, die einen komischen Dialekt sprechen. Die eigentlich keine Wurzeln und keine eigene Kultur haben. Die Apartheid lebt so in den Köpfen, Definitionen und Kategorien weiter. Selbst wenn man offizielle Formulare ausfüllt, muss man bis heute angeben, ob man weiß, schwarz oder farbig ist. Es wird dauern, bis wir all das überwunden haben und uns als Teil dieser Gesellschaft fühlen können."
    Früher seien sie nicht weiß genug gewesen, heute nicht schwarz genug, kritisieren politische Aktivisten bei Protesten am Kap. Mit Blick auf die Beschäftigungspolitik und Aufstiegschancen Farbiger, die rund neun Prozent der Bevölkerung ausmachen. Sie fühlen sich diskriminiert. Und angesichts maroder Infrastruktur sowie eskalierender Gewalt in ihren Vierteln von Regierung und Polizei allein gelassen. Es sind Probleme, die auch Rory Emmett in seinem künstlerischen Werk thematisiert – allerdings eher auf spielerische Weise.
    Der "Colourman" nimmt Farbig-Sein wörtlich
    Passanten drehen sich um, als sie Rory als kunterbunten ‚Colourman‘ bei einer öffentlichen Performance sehen. Sein Oberkörper und sein Gesicht sind von Farbklecksern in allen Schattierungen bedeckt.
    Rory Emmett: "Er ist mein Avatar, mein Alter Ego. Bei meinen Performances als ‚Colourman‘ nehme den Begriff ‚farbig‘ wörtlich. So wird ein farbiger Mann wirklich bunt. Es ist meine Art, mich mit dem Konstrukt des ‚Farbigen‘ auseinander zu setzen. Ich definiere es neu und werde nach meinen eigenen Bedingungen ‚farbig‘."
    "So sollten die Bürger einer Regenbogennation aussehen!"
    Als "Colourman" steht der 26-Jährige mit einem Vorschlaghammer auf der Brache des ehemals multikulturellen Viertels District Six, das die Bulldozer der Apartheid dem Erdboden gleichgemacht haben. Er reißt eine Mauer ein, die er zuvor bunt angemalt hat. Zurück in seinem Atelier experimentiert er mit kunterbunten Actionfiguren und historischen Schwarz-weiß-Fotos:
    "Ich habe mir Fotos der Apartheid angesehen und überlegt, wie wir in diesen Kontext passen. Da wir weder schwarz noch weiß sind, haben mich vor allem die Grautöne interessiert. Weil sie undefiniert sind, kann man sie mit jedweder Farbe füllen. Und das tue ich. Es fühlt sich bestärkend an und es ist natürlich auch humorvoll gemeint. Ich führe die Absurdität der rassistischen Kategorien vor Augen. Und zeige, wie bunt schillernd die Bürger unserer Regenbogennation wirklich aussehen sollten!"
    Damit trifft der junge Künstler den Nerv der Zeit in Südafrika. Aktivisten fordern, dass es statt der alten rassistischen Terminologie endlich einen neuen Begriff geben müsse, mit dem sich alle Südafrikaner identifizieren. Der Colourman macht vor, wie es geht.