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Fatah-Politiker Marwan Barghouti
Wohl ein künftiger Verhandlungspartner für Israel

Er ist Anführer des zweiten Palästinenseraufstands, der im Oktober 2000 begann: Marwan Barghouti, in Tel Aviv fünfmal zu lebenslänglich verurteilt, bezeichnet sich selbst als Mann des Friedens. Die Familie des potenziellen Nachfolgers von Palästinenserpräsident Abbas bastelt am Mythos eines palästinensischen Nelson Mandela. Gut möglich, das Israel eines Tages mit ihm verhandeln muss.

Von Eva Lell | 22.04.2017
    Porträt von Marwan Barghouti auf Grenzwall zu Israel.
    Porträt von Marwan Barghouti auf Grenzwall zu Israel. (EPA)
    Marwan Barghouti als politischen Führer zu bezeichnen, das sei so, als würde man den syrischen Staatschef Baschar al-Assad einen Kinderarzt nennen. Das sagt Israels Premier Benjamin Netanjahu über den Anführer des Massenhungerstreiks.
    Fünfmal lebenslänglich wegen Terror und Mord
    Das Bezirksgericht Tel Aviv hat Barghouti im Jahr 2004 zu fünfmal lebenslänglich verurteilt wegen fünf Terrorattacken und Morden. Er selbst erkannte weder das Gericht noch das Urteil an und rief bei dem Prozess:
    "Jeder weiß, dass Marwan Barghouti für den Frieden kämpft, ich bin ein Mann des Friedens. Ich habe versucht, alles für den Frieden zu tun. Ich glaube, dass zwei Staaten für zwei Völker die beste Lösung ist."
    Anführer der Zweiten Intifada
    Barghouti, der Fatah-Politiker, gilt als Anführer der Zweiten Intifada, des Palästinenseraufstands, der im Oktober 2000 begann. Israel warf ihm vor, dem bewaffneten Arm der Fatah vorzustehen, der mehrere Anschläge auf Checkpoint und auf Zivilisten in Israel verübte.
    Barghouti selbst behauptet, er habe sich immer gegen das Töten von Zivilisten ausgesprochen. Im Gefängnis gab er im Jahr 2006 ein Fernsehinterview:
    "Es ist nicht zu rechtfertigen, dass Zivilisten, Kinder und Frauen getötet werden. Das sollte klar sein, in Palästina und in Israel."
    Die Tageszeitung Haaretz zitiert Barghouti aber auch mit den Worten: Das einzige, was Israelis verstünden, sei Gewalt. Seit 2002 sitzt Barghouti in Haft. In dem Fernsehinterview aus dem Jahr 2006 und in einem Gastbeitrag für die New York Times von Beginn dieser Woche beklagt er die Zustände in der Haft.
    Aufstand und Massenhungerstreik
    Um die Haftbedingungen geht es auch bei dem Massenhungerstreik, zu dem Barghouti aufgerufen hat. Seit Montag sind über 1000 Häftlinge in den Hungerstreik getreten. Sie fordern eine Ende der Isolationshaft, bessere medizinische Versorgung, mehr Besuchszeiten für Angehörige.
    Israelische Politiker und Beobachter unterstellen Barghouti, eigentlich ginge es ihm um eine Machtdemonstration in Richtung seines parteiinternen Konkurrenten Mahmoud Abbas, der laut israelischen Medien versucht, Barghouti politisch auszubooten.
    Machtkampf um das Erbe von Abbas
    Der frühere israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Tsahi Hanegbi sagte im Armeeradio in Bezug auf den Hungerstreik:
    "Der einzige Grund für diesen politisch motivierten Aufruf, den der Mörder Barghouti gestartet hat, ist seine persönliche Notlage im Machtkampf um das Erbe Mahmoud Abbas in der palästinensischen Führung, der bereits zu beobachten ist."
    Stilisierung zum Freiheitskämpfer
    Barghoutis Sohn Qassam nennt diese Vorwürfe lächerlich. Auch Barghoutis Frau Fadwa setzt sich öffentlich für ihren Mann ein. Die Rechtsanwältin startete im Jahr 2013 eine internationale Kampagne in Südafrika. Das Ziel: die Freilassung ihres Mannes.
    Unterzeichnet wurde diese sogenannte "Erklärung von Robben Island" von acht Friedensnobelpreisträgern. Der Ort war symbolisch aufgeladen: die ehemalige Gefängniszelle des südafrikanischen Freiheitskämpfers Nelson Mandelas.
    Marwan Barghouti, der palästinensische Nelson Mandela. An diesem Mythos arbeitet die Familie Barghouti. Auf die Frage, ob er glaube, jemals das Gefängnis frei zu kommen, antwortet er im Jahr 2006:
    "Ich denke, es ist sehr klar, dass Israel uns nicht für immer wegsperren kann. Was ist in Südafrika passiert? Am Ende sind sie auf Nelson Mandela zugegangen und haben angefangen, mit ihm zu verhandeln."
    Hohe Beliebtheitswerte
    Barghouti gilt als einer der beliebtesten Politiker bei den Palästinensern. Das belegen Meinungsumfragen. Er gilt als möglicher Nachfolger von Palästinenserpräsident Abbas, der zunehmend an Rückhalt verliert.
    Schon bei seiner Verurteilung vor 13 Jahren schlossen Beobachter nicht aus, dass Barghouti eines Tages frei kommen und zum politischen Verhandlungspartner für Israel werden könnte.