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FDP-Europaabgeordnete fordert klare Position im Ägypten-Konflikt

"Wir sollten insgesamt eine stärkere Rolle als Europäische Union im Nahen Osten spielen." Es sei wichtig, Ägypten bei der Demokratisierung zu unterstützen und eine klare Position im derzeitigen Konflikt am Nil zu beziehen, so Alexandra Thein.

Alexandra Thein im Gespräch mit Silvia Engels | 01.02.2011
    Jürgen Liminski: Gestern berieten auch die Außenminister der EU über ihre Haltung zur Lage in Ägypten und es scheint sich herauszuschälen, dass man ähnlich wie Washington für einen sanften und vor allem friedlichen und geordneten Übergang oder Wandel des Regimes eintreten will. De facto bedeutet das eine Abkehr vom System Mubarak, allerdings ohne genau zu wissen, auf wen man nun setzen soll. Insofern ist diese Haltung mit der der Straße in Kairo identisch.
    Über die Haltung der Europäer hat meine Kollegin Silvia Engels gestern Abend mit der FDP-Europaabgeordneten und Vorsitzenden des Beirats der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, Alexandra Thein, gesprochen. Ihre erste Frage bezog sich auf die Forderung der Außenminister nach einem geordneten Übergang in Ägypten, eine Formulierung, die der Europaabgeordneten nicht so gut gefällt.

    Alexandra Thein: Das ist, denke ich, eine ganz vernünftige, aber vorsichtige Formulierung. Ich als Liberale hätte mir natürlich eine etwas eindeutigere Stellungnahme zur Unterstützung des Demokratisierungsprozesses und der Reformbemühungen erhofft.

    Silvia Engels: Wie sollte sich denn die Europäische Union verhalten Ihrer Meinung nach, ganz offen die Absetzung Mubaraks fordern?

    Thein: Ich denke, was wir nicht tun dürfen ist, einfach abzuwarten, in welche Richtung jetzt die Ereignisse gehen. Ich denke, das wäre falsch. Wir müssen uns schon ausdrücklich für die Unterstützung des Demokratisierungsprozesses aussprechen, für den Aufbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Andererseits ist natürlich verständlich, dass sich die EU-Außenminister hier etwas vorsichtiger ausdrücken im Hinblick darauf, dass sie natürlich auch die Stabilität der Region im Auge haben.

    Engels: Aber was spricht denn im Moment dafür, Mubarak nicht so offen zu kritisieren? Ist es die Angst, nur die Angst vor der möglicherweise erstarkenden Muslimbruderschaft?

    Thein: Ich denke, es ist nicht nur diese Angst; es kommt natürlich auch hinzu: Frau Merkel befindet sich zurzeit in Israel, Israel hat ja auch ganz klar sich schon positioniert und eigentlich relativ deutlich gesagt, dass natürlich die Herrschaft religiöser Fanatiker nicht besser ist als ein Mangel an Demokratie, und hat hier im Endeffekt, glaube ich, doch auch Interesse daran, dass der Westen seine Kritik an Mubarak nicht zu deutlich formuliert.

    Engels: Na ja, laut eines Berichts der israelischen Zeitung "Haaretz" soll ja Israel sogar die westlichen Verbündeten aufgefordert haben, das ägyptische Regime weiterhin zu unterstützen. Ist das denn zu diesem Zeitpunkt ein weises Vorgehen?

    Thein: Nun, aus der Sicht von Israel ist das, denke ich, verständlich, aber ich glaube, dass wir diesem Begehren nicht folgen dürfen. Wir haben uns immer für Freiheits- und Bürgerrechte, für die Achtung der Menschenrechte, für Demokratie ausgesprochen, und dann müssen wir natürlich auch dazu stehen. Also das ist das, was uns im Endeffekt ja in der ganzen arabischen Welt vorgeworfen wird, dass wir hier immer mit zweierlei Maß messen. Und wenn wir das hier diesmal wieder tun, dann werden wir jegliche Glaubwürdigkeit im Nahen Osten verlieren.

    Engels: Welche Folge könnte das haben?

    Thein: Nun, ich denke, man baut ja im Moment doch noch auf die EU. Auch gerade im Nahost-Friedensprozess werden ja große Hoffnungen auf die EU gesetzt und nicht so große Hoffnungen mehr auf die USA. Ich denke, wir sollten insgesamt eine stärkere Rolle als Europäische Union im Nahen Osten spielen. Wir werden dazu zumindest immer von den einzelnen Ländern aufgefordert. Und ich denke, diese Rolle müssen wir jetzt auch wahrnehmen und diese Rolle ist ja auch gerade eine besondere Rolle für das Europäische Parlament. Wir haben uns bereits in mehreren Resolutionen mit der Lage in Ägypten beschäftigt, haben Ägypten immer wieder aufgefordert, die Freiheits- und Menschenrechte zu beachten, und haben auch ganz deutlich Stellung genommen zu einzelnen Vorfällen in Ägypten.

    Engels: Frau Thein, wenn Sie so deutlich fordern, dass man jetzt die demokratischen Bestrebungen in Ägypten unterstützen muss, müsste sich dann das Europäische Parlament möglicherweise auch damit zufriedengeben, dass eine Muslimbruderschaft, ein etwas radikalerer islamischer Kurs, in Ägypten künftig an der Macht ist?

    Thein: Ich sehe wirklich nicht, dass die Muslimbruderschaft eine Mehrheit in Ägypten hätte. Ich denke, das ist hier eine Befürchtung des Westens, die an den Realitäten vorbei geht. Es kann jetzt im Moment natürlich schwer gesagt werden, wohin der Zug geht, aber sicherlich ist zu erwarten, dass sich sicherlich etwas mehr religiöse Einflüsse, falls es zu einer Wahl käme, bemerkbar machen würden bei der Parlamentszusammensetzung. Davon gehe ich auch aus. Aber das bedeutet ja nicht eine komplette Radikalisierung und das bedeutet auch nicht eine Herrschaft der Muslimbruderschaft.

    Engels: Schauen wir noch einmal auf die Positionierung der EU. Die Außenminister der Gemeinschaft haben Auslandskonten des ehemaligen tunesischen Machthabers Ben Ali einfrieren lassen. Ist das auch eine Maßnahme, die Sie mit Blick auf Hosni Mubarak befürworten?

    Thein: Ich glaube, das sind alles sekundäre Schritte, wäre aber natürlich zu befürworten. Nur im Moment befindet er sich ja eigentlich noch an der Macht. Also das ist meistens ja ein Schritt, wenn jemand bereits zurückgetreten ist, beziehungsweise wenn er dabei ist, außer Landes zu fliehen.

    Engels: Aber man könnte es ja als Symbol oder als Signal auch jetzt setzen?

    Thein: Könnte man, aber ich glaube, man muss ein bisschen beachten, dass er ja offiziell im Moment noch an der Macht ist. Sicherlich ist das eine Option, aber ich glaube, das ist alles sekundär.

    Engels: Bundeskanzlerin Merkel hat in Israel gesagt, die von Präsident Mubarak eingeleiteten Maßnahmen zur Beilegung der Unruhen seien offenkundig unzulänglich. Ist das Ihrer Ansicht nach Distanzierung genug?

    Thein: Nun, eine deutliche Distanzierung wäre natürlich gewesen, Herrn Mubarak zum Rücktritt aufzufordern. Das wäre deutlich gewesen.

    Engels: Das hätten Sie sich gewünscht?

    Thein: Das ist, denke ich, für eine Bundeskanzlerin eine sehr weit gehende Forderung. Ich denke, das kann sie als Bundeskanzlerin so nicht fordern. Aber wir als Parlamentarier, gerade auch als Europaparlamentarier, sind da in einer ganz anderen Position und können dies auch fordern.

    Liminski: Das war die Europaabgeordnete der FDP Alexandra Thein im Gespräch mit meiner Kollegin Silvia Engels.