Donnerstag, 25. April 2024

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FDP fordert Aufklärung über BND Journalistenbespitzelung

Die FDP hat von der Bundesregierung die vollständige Aufklärung der Vorwürfe gegen den BND verlangt, Journalisten bespitzelt zu haben. Der geheime Untersuchungsbericht des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, müsse veröffentlicht werden, sagte der innenpolitische Sprecher, Max Stadler, im Deutschlandfunk. Der BND habe bei der Wahrung seiner Sicherheitsinteressen das Grundrecht der Pressefreiheit zu achten.

Moderation: Klaus Remme | 12.05.2006
    Klaus Remme: Sektlaune kann im Umfeld des 50. Jahrestages der Gründung des Bundesnachrichtendienstes nicht aufkommen. Da ist zum einen der Untersuchungsausschuss, der die Rolle des BND im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg klären soll. Da sind zum anderen aber neue Vorwürfe der massiven Bespitzelung von Journalisten bis ins vergangene Jahr. Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Gerhard Schäfer hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium einen entsprechenden Bericht vorgelegt. Am Telefon ist jetzt Max Stadler. Er sitzt für die FDP im Parlamentarischen Kontrollgremium und auch im BND-Untersuchungsausschuss, der ja gestern seine Arbeit begonnen hat. Guten Tag Herr Stadler!

    Max Stadler: Guten Tag!

    Remme: Herr Stadler, was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

    Stadler: Ich bin der Meinung, dass die Bundesregierung gut beraten ist und auch gar nicht anders kann, als selber jetzt in der Öffentlichkeit die Vorgänge zu klären. Es ist uns als Mitgliedern des Kontrollgremiums ja nicht erlaubt, dass wir dazu Stellung nehmen würden, was an Einzelheiten in dem Bericht steht, aber es geht eben um ein Grundproblem. Der BND muss seine Aufklärungsarbeit so machen können, dass unsere Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben, wie die Bundeskanzlerin sagt. Er macht geltend, dass er zu diesem Zweck natürlich auch undichte Stellen im eigenen Apparat aufklären muss. Dort gibt es aber Grenzen und das Grundrecht der Pressefreiheit muss von unseren Sicherheitsbehörden und auch vom BND vollständig beachtet werden. Schon nach dem, was öffentlich im letzten Herbst bekannt geworden ist, hat ja Herr Hanning als früherer BND-Präsident selber gesagt, da waren rechtswidrige Aktionen gelaufen. Das muss eine parlamentarische Debatte nach sich ziehen!

    Remme: Herr Stadler die Geheimhaltungspflicht, die Sie gerade in Bezug auf das Kontrollgremium erwähnt haben, das ist ja eine grundsätzliche Regelung in diesem Gremium. Erzwingt dieser Bericht beziehungsweise erzwingen Einzelheiten dieses Berichtes Geheimhaltung oder nicht?

    Stadler: Ich sagte schon, ich kann mich als Mitglied dieses Gremiums natürlich über meine Verpflichtungen, die ich dort habe, nicht hinwegsetzen und das werde ich auch nicht tun. Aber die Bundesregierung selber, das Bundeskanzleramt, das ja für die Aufsicht über den BND zuständig ist, der jetzige BND-Präsident Uhrlau, sollten diesen Bericht in der "Süddeutschen Zeitung" zum Anlass nehmen, selber in aller Öffentlichkeit die Karten auf den Tisch z legen, damit eine politische Debatte stattfinden kann, die wir als FDP mit dem Ziel führen werden, dem BND eine effektive Arbeit zu ermöglichen, aber gleichzeitig die Pressefreiheit völlig unangetastet zu lassen. Es bahnt sich schon eine Auseinandersetzung an, die ins Grundsätzliche geht, und ich darf daran erinnern, dass wir ja auch andere Eingriffe in die Pressefreiheit in letzter Zeit hatten, etwa Durchsuchungen von Redaktionsräumen, damit Informanten aufgefunden werden sollten. Da ist der Gesetzgeber jetzt am Zuge, dem Einhalt zu gebieten. Die FDP hat einen Gesetzentwurf ja eingebracht zu diesem Thema.

    Remme: Herr Stadler, ich will Sie ja auch gar nicht dazu verleiten, inhaltlich etwas zu sagen. Ich frage mich nur, ob es mit Blick auf diesen Bericht gute Gründe dafür gibt, ihn geheim zu halten?

    Stadler: Nein! Das ist genau aus meiner Antwort ja zu entnehmen gewesen, dass ich der Meinung bin, die Bundesregierung muss die Geheimhaltung weitestgehend jetzt aufgeben. Sie muss von sich aus über die Vorgänge veröffentlichen. Es ist doch nicht damit getan, dass Herr Hanning als früherer BND-Präsident sagt, da hat es Vorgänge gegeben, die waren rechtswidrig - er hat sich anerkennenswerterweise auch bei einzelnen Betroffenen entschuldigt -, sondern hier muss schon für die Zukunft auch Vorsorge getroffen werden, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Da frage ich mich, wie denn die interne Organisation im Bundesnachrichtendienst beschaffen ist, wenn einzelne Mitarbeiter über längere Zeit hinweg so etwas machen. Man stellt sich die Frage, ist es wirklich richtig, dass BND-Mitarbeiter dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht unmittelbar Mitteilung von Missständen machen dürfen, sondern den Dienstweg einhalten müssen. Da scheint mir auch ein Punkt für eine Reform im Sinne einer besseren parlamentarischen Kontrolle des Geheimdienstes zu liegen, denn wir sind in unserem Kontrollgremium darauf angewiesen, was uns die Bundesregierung mitteilt oder was wir beispielsweise über die Medien erfahren. Richtig wäre es, dass Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und anderer Dienste, die Kenntnis von solchen rechtswidrigen Praktiken haben, uns als Abgeordneten das unmittelbar übermitteln dürfen. Das ist jetzt noch nicht der Fall und das muss neu geregelt werden.

    Remme: Herr Stadler, bestätigt dieser Bericht die These vieler Kritiker, dass der BND eine Art unzulässiges Eigenleben entwickelt hat?

    Stadler: Wenn sich das alles so herausstellt, wie das jetzt in der "Süddeutschen Zeitung" berichtet wird – wie gesagt, die öffentliche Debatte darüber beginnt ja jetzt gerade erst -, dann bin ich schon der Meinung, dass entweder, was ich nicht hoffen will, Vorgesetzte innerhalb des BND solche Praktiken gebilligt haben – das wäre auf keinen Fall akzeptabel -, oder aber, dass einzelne Mitarbeiter ein Eigenleben entwickelt haben. Dann muss man überlegen, wie man dem für die Zukunft vorbeugt, denn noch einmal: Wir kommen hier in Bereiche des Schutzes der Pressefreiheit hinein, die schon Grundprinzipien unserer Demokratie berühren, wie das Bundesverfassungsgericht ja oft ausgeführt hat.

    Remme: Ich sagte es. Sie sitzen auch im Untersuchungsausschuss zum BND, der seine Arbeit gestern aufgenommen hat. Hat der Ausschuss das Mandat, diesen Vorwürfen nachzugehen?

    Stadler: Nein, dieses Mandat hat er nicht. Der Untersuchungsausschuss hat ganz klar begrenzte Themen. Theoretisch wäre es möglich – das ist sogar ein Minderheitenrecht, das von der Opposition alleine durchgesetzt werden kann -, den Untersuchungsauftrag zu erweitern. Ich finde aber die Bundesregierung sollte die Chance ergreifen, von sich aus jetzt offen zu informieren und sich einer parlamentarischen Debatte im Plenum des Bundestages zu stellen, wie man künftig dafür sorgt, dass die notwendige Geheimdienstarbeit nicht auf Kosten der Pressefreiheit geht. Denn zu den Themen im Untersuchungsausschuss wie Irak-Krieg oder Maßnahmen von Terrorismusabwehr passt dieses Thema nicht so ganz. Es ist ein eigenes, aber ebenfalls sehr wichtiges Thema: der Schutz der Pressefreiheit.