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FDP-Gesundheitspolitiker: "Lobbyismus an sich ist nichts Verkehrtes"

Im Gesundheitsministerium wurden Daten gestohlen und mutmaßlich zum Lobbying eingesetzt. Jens Ackermann, Obmann der FDP-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit, sagt: "Man hat ja so ein Bauchgefühl." Bestimmte Onlinedienste nahmen schon Stellung zu Entwürfen, bevor die überhaupt an Abgeordnete gelangt waren.

Jens Ackermann im Gespräch mit Christoph Heinemann | 13.12.2012
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Jens Ackermann (FDP), Obmann im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen!

    Jens Ackermann: Guten Morgen, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Ackermann, seit wann wissen Sie von dem mutmaßlichen Datendieb?

    Ackermann: Davon weiß ich seit Dienstag. Vermutungen gibt es schon seit Längerem, aber ganz konkret weiß ich es seit Dienstag. Nach der Fraktionssitzung hat der Gesundheitsminister das zur Kenntnis gegeben, dass dort wahrscheinlich ein Spion steckt und jetzt staatsanwaltliche Ermittlungen stattfinden werden.

    Heinemann: Gehen Sie davon aus, dass die Apothekenlobby gezielt diesen Spion, wie Sie ihn beschrieben haben, ins Ministerium eingeschleust hat?

    Ackermann: Na gut, es sind Vermutungen. Das möchte ich so nicht bestätigen. Aber natürlich ist es so, dass gerade die "Apotheke Adhoc", also der Onlinedienst, natürlich sehr gut Bescheid wusste. Und da steht die Vermutung schon sehr nahe, dass das eben auch aus diesem Umfeld kommt. Und die Art und Weise, wie dort auch argumentiert wurde und auf dieser Internetplattform auch versucht wurde, Druck auszuüben, das war schon gezielt unter der Gürtellinie. Und ich bin da auch sehr erbost darüber, wie das Ganze abgelaufen ist. Das muss ich schon sagen.

    Heinemann: Noch mal: Halten Sie eine gezielte Platzierung für möglich?

    Ackermann: Das ist eine Vermutung. Das wird die staatsanwaltschaftliche Ermittlung jetzt auch ergeben. Dem möchte ich da auch nicht vorgreifen. Es sind ja auch Diensträume durchsucht worden beziehungsweise auch in dem Umfeld der externen IT-Fachfirma. Und das wird sich im Zuge der polizeilichen und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen klären und dann haben wir die Fakten auf dem Tisch. Und ich hoffe, dass das recht zügig passiert, weil natürlich ganz wichtig ist, dass das Vertrauen auch in Abläufe in einem Ministerium und zwangsweise in einem parlamentarischen Verfahren ganz wichtig ist auch für die Bevölkerung. Und da bin ich schon sehr interessiert dran, dass wir da auch schnell zu einem Ergebnis kommen.

    Heinemann: Herr Ackermann, der SPD-Politiker Lauterbach, der ist es, der fordert eine Überprüfung der schwarz-gelben Gesundheitsgesetzgebung. Können Sie ausschließen, dass dieser Maulwurf die Gesetzgebung beeinflusst hat?

    Ackermann: Das kann ich ausschließen, weil der Gesetzgeber ist der Deutsche Bundestag und die Abgeordneten haben natürlich ihre Fachmitarbeiter in den Büros und die kennt man natürlich, da hat man auch vollstes Vertrauen zu. Aber natürlich ist es auch so, dass natürlich Gesetze durch Experten- oder Eckpunktepapiere im Ministerium vorbereitet werden. Und wenn dort frühzeitig abgeschöpft wird durch Spionage oder wie auch immer und diese Informationen dann auch schon, bevor es bei dem Abgeordneten ist, bei Lobbyvereinen landen, die dann schon Stellungnahmen entwickeln und frühzeitig argumentieren gegen eine Sache oder für eine Sache, ...

    Heinemann: Und die versuchen, Politiker zu manipulieren!

    Ackermann: Das wird nur schwer möglich sein. Aber das ist natürlich ein Vorgang, der unbedingt abgestellt werden muss. Und im Übrigen: Wenn der Kollege Karl Lauterbach den schwarzen Peter in das schwarz-gelbe Regierungslager schieben will, so will ich mal daran erinnern, dass unter Ulla Schmidt die Interessengruppen direkt mit am Tisch saßen und mit Feder geführt haben. Das haben wir natürlich sofort abgestellt.

    Heinemann: Da war es wenigstens offen!

    Ackermann: Ja, aber viel besser ist das natürlich auch nicht, wenn dort Interessenvertretungen bezahlt, eingekauft werden, um an Gesetzgebungsprozessen mitzuwirken und mitzuschreiben. Das ist ja eine Katastrophe, die man so nicht dulden konnte. Und deshalb haben wir dieses auch abgestellt. Und die Gesetze werden vorbereitet natürlich in Ministerien, aber der Gesetzgeber ist der Deutsche Bundestag und so ist es auch richtig.

    Heinemann: Daniel Bahr sind vor zwei Jahren schon Zweifel gekommen. Hätte er damals nicht schon Strafantrag stellen müssen?

    Ackermann: Na gut, das ist immer die Frage, wie ist die Lage und wie kann man das auch erhärten. Vor zwei Jahren? Ja, wir waren dort gerade in den Änderungen auch zur Apothekenbetriebsordnung. Man kann sich auch als Abgeordneter einfach immer nur wundern, wenn man eben auch im E-Mail-Fach oder im Postfach des Abgeordneten Stellungnahmen zu Eckpunktepapieren findet von Interessengruppen, bevor man sie besetzt hat.

    Heinemann: Herr Ackermann, ganz kurz noch mal die Frage. Entschuldigung! Die Frage lautete: Hätte man nicht vor zwei Jahren schon Strafanzeige erstatten müssen?

    Ackermann: Wenn man das gemacht hätte, hätte die Staatsanwaltschaft sicherlich keine Ermittlungen aufnehmen können, weil die Erkenntnislage zu schwach war. Aber dass irgendwas nicht stimmt, man hat ja so ein Bauchgefühl; das wäre sicherlich nicht zum Ziel gekommen. Jetzt ist es so weit, dass die Erkenntnislage auch da ist und Durchsuchungen stattgefunden haben. Vor zwei Jahren wäre das sicherlich nicht zu einem Verfahren gekommen.

    Heinemann: Ist dieser Fall für Sie ein Anlass für eine gesetzliche Beschränkung der Aktivitäten von Lobbyisten?

    Ackermann: Lobbyismus ist wichtig. Lobby ist natürlich ein verbrannter Begriff, aber trotzdem: Man braucht natürlich auch die Informationen, die Hinweise auch von Verbänden, wie steht die Bevölkerung dazu beziehungsweise wie betrifft es die einzelnen Gruppen. Und da muss man in einen Dialog kommen. Also Lobbyismus an sich ist nichts Verkehrtes, man muss nur die Art und Weise, wie das passiert, überdenken. Und da bin ich eher für ein Fachgespräch, für eine Expertenrunde. Aber die Art und Weise, wie das jetzt passiert ist, ist natürlich ein krimineller Akt.

    Heinemann: "Müssen wir überdenken", sagen Sie. Daniel Bahrs Vorgänger, Philipp Rösler, hat einen Spitzenmanager des Verbandes der privaten Krankenversicherung in das Bundesgesundheitsministerium geholt. Was haben Lobbyisten in Ministerien zu suchen?

    Ackermann: Lobbyisten haben im Ministerium nichts zu suchen. Das ist ganz klar.

    Heinemann: War das falsch, was Philipp Rösler damals getan hat?

    Ackermann: Nein, das war nicht falsch. Man braucht natürlich auch Fachexpertise.

    Heinemann: Ups!

    Ackermann: Man braucht auch Erkenntnisse von außen. Man kann eben aus einem Apparat oder aus einem Amtsapparat auch nicht alles wissen und man braucht natürlich auch Infos, wie ist die Lage vor Ort, wie betrifft das auch die Menschen, und dann braucht man auch Experten von außen, die einen da unterstützen.

    Heinemann: Aber ein Lobbyist wechselt seine Überzeugung doch nicht wie das Hemd?

    Ackermann: Jeder Mensch hat natürlich seine Überzeugungen und möchte die natürlich auch einbringen. Aber dieser Fall ist öffentlich gemacht worden. Der Mann ist auch eingestellt worden, weil man die Expertise eben auch brauchte. Und dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden.

    Heinemann: Herr Ackermann, wie erleben Sie das, was Ihr Kollege Jens Spahn von der CDU "aggressives Lobbying" im Gesundheitswesen genannt hat?

    Ackermann: Im Gesundheitswesen geht es um sehr viel Geld, das Geld der Versicherten, da geht es um Milliarden-Beiträge. Und das aggressive Lobbying – ich habe es schon versucht, zu erläutern – ist natürlich dieses, wenn man Stellungnahmen von Verbänden, von der Apothekerschaft hat zu Gesetzentwürfen, noch bevor man die Entwürfe überhaupt hat. Das empfinde ich als aggressiv. Aggressiv ist auch die Art und Weise der Kommunikation, wenn gerade auf "Apotheke Adhoc" unterhalb der Gürtellinie Polemik gemacht wird. Dann ist das aggressives Lobbying und das führt eben nicht dazu, dass man in einen Dialog eintritt und Pro und Contra auch abwägt.

    Heinemann: Gehören dazu auch Abendveranstaltungen, bei denen sich dann nach dem ersten Glas Champagner die Empfänglichkeit für die Argumente der Gastgeber etwas erhöht?

    Ackermann: Ja, das ist so ein Klischee. Ja, natürlich gibt es auch die Informationsveranstaltungen.

    Heinemann: Schönes Wort!

    Ackermann: Es gibt auch die Abendessen. Da gehe ich überhaupt nicht hin, weil mich das auch nicht interessiert. Und da ist mir die Zeit eigentlich zu schade für.

    Heinemann: Dann sind Sie ein Fall für die Champagner-Lobby. – Jens Ackermann, der Obmann der FDP im Bundestagsgesundheitsausschuss. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Ackermann: Bitte schön, Herr Heinemann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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