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FDP-Politiker
Keine Entzugserscheinungen

Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl müssen sich etliche FDP-Politiker nach einer neuen Beschäftigung umsehen. Birgit Homburger, ehemalige Vorsitzende des Landesverbands Südwest, genießt ihre wiedergewonnene Freizeit. "Das Leben geht weiter", sagt sie.

Von Uschi Götz | 19.12.2013
    Birgit Homburger war immer für ihr perfektes Styling bekannt. Vor Kameras trat sie meist in Hosenanzügen und farbigen Blusen. Sie war das Gesicht der Südwest-FDP in Berlin, stand zu schwarz-gelben Zeiten auch mal der Bundestagsfraktion vor. Zum Interview kommt die einstige Vollblutpolitikerin im noblen schwarzen Trainingsanzug und schwarzen Laufschuhen. An vergangene Tage erinnert lediglich der pinkfarben geschminkte Mund.
    Sie bittet in das Besprechungszimmer einer Zahnarztpraxis. Es ist die Praxis ihres Mannes. Mehrfach räuspert sie sich, seit Tagen plagt sie eine Erkältung.
    "Was mache ich den ganzen Tag? Es gab zunächst einmal genügend zu tun, in den letzten Monaten. Natürlich nutze ich meine neuen Freiheiten ein bisschen dazu, dass ich jetzt die Dinge, die ich früher vernachlässigt habe, jetzt ein bisschen mehr mache. Einfach ein bisschen mehr Sport mache, bisher habe ich ein Fitnessstudio nur subventioniert, jetzt nutze ich es auch. Dann mag ich einfach auch sehr gerne diese Landschaft hier, also ich gehe sehr gerne spazieren."
    Wiesen, Felder, Tannen. Idylle pur. Während Birgit Homburger in Hilzingen nahe Konstanz auf die winterliche Landschaft blickt, steht im knapp 800 Kilometer entfernten Berlin Angela Merkel am Rednerpult des Bundestags. Die frisch gekürte Bundeskanzlerin hält zu Beginn ihrer dritten Amtszeit ihre erste Regierungserklärung:
    "Es juckt mich überhaupt nicht. Das werde ich dann heute Abend in den Nachrichten schon mitkriegen, was sie gesagt hat."
    Nach 23 Jahren im Bundestag keine Träne vergossen
    Homburger grinst. Und ihre von der Erkältung geschwollenen Augen leuchten regelrecht bei diesen Sätzen. 23 Jahre gehörte Homburger dem deutschen Bundestag an. Fast zehn Jahre war sie Landesvorsitzende der Südwest-FDP. Nun ist damit Schluss. Die FDP ist abgewählt, muss sich bewähren als APO, als außerparlamentarische Opposition. Und Homburger? Sie will künftig nur noch einfaches Parteimitglied sein. Das sagt sie so entschlossen, wie alles, was sie in ihrer aktiven Zeit als Politikerin gesagt hat. Kein Abschiedsschmerz, keine Entzugserscheinungen. Nicht einmal als der eigene Landesverband sich von ihr als Vorsitzende verabschiedete, vergoss sie eine Träne. Homburger ist keine Heulsuse, so sagt man dort, wo sie herkommt:
    "Ich bin ja in einem Handwerksbetrieb groß geworden, in einem mittelständischen Betrieb, und da hat man das einfach von Kindesbeinen an gelernt, dass es eben gute Phasen gab und das es eben schwierigere Phasen gab. Aber irgendwie habe ich immer gelernt: Das ist kein Problem, das ist eine Herausforderung!"
    Ihr Vater war Schreiner und Bestattungsunternehmer. Das mittelständische Unternehmen führt mittlerweile einer der beiden jüngeren Brüder weiter. In Hilzingen, einer kleinen Gemeinde mit ein paar Tausend Einwohnern, ist sie aufgewachsen, hier fühlt sie sich wohl.
    "Berlin war für mich immer Arbeitsort, und Familie, Zuhause, war immer hier, war immer in Hilzingen, war immer im Wahlkreis. Und ich bin auch jedes Wochenende nach Hause gefahren, auch wenn wir zwei Sitzungswochen am Stück hatten. Ich bin nie in Berlin geblieben. Was wollte ich denn in Berlin?"
    Ihr Büro in der Bundeshauptstadt hat Birgit Homburger aufgelöst, das Inventar verkauft. Vom Tischventilator bis zu den Grünpflanzen, nichts hat sie mitgenommen. Mittlerweile haben auch vier bis zur Bundestagswahl fest angestellte Mitarbeiter von ihr einen neuen Job gefunden, darunter auch eine Assistentin, die 23 Jahre lang den Alltag der FDP-Politikerin gemanagt hat:
    "Das ist nicht so, dass man dann sagt, okay, ist halt vorbei. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, und dass sie jetzt was hat, da bin auch froh drüber."
    "Ich befinde mich in Gesprächen"
    Wie es für Birgit Homburger beruflich weitergeht, ist noch offen. Die Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin war in den vergangenen Wochen mehrfach in Berlin, ihren Wohnsitz dort will sie nicht aufgeben. Ihre berufliche Zukunft sieht sie vielleicht auch künftig in der Bundeshauptstadt.
    "Ich befinde mich da gerade in Gesprächen und das warte ich jetzt in aller Gelassenheit ab. Ich löse jetzt nicht eine Zweitwohnung auf, um hinterher in drei Monaten wieder eine zu brauchen. Das ist mir zu doof."
    Ganz von der Politik lassen kann sie nicht. Die einstige Spitzenpolitikerin arbeitet nun ehrenamtlich für ihre Partei. Für die Kommunalwahlen im kommenden Jahr sucht Homburger noch Kandidatinnen und Kandidaten.
    "Und im Augenblick habe ich auch ein bisschen mehr Zeit, also kann ich auch ein bisschen mehr machen als bisher."
    Sie hofft, sie setzt natürlich auf ein Comeback der Liberalen. Traditionell beginnt das politische Jahr mit dem Dreikönigstreffen der Liberalen am 6. Januar in Stuttgart. Der Termin ist Pflicht. Auch für Homburger.
    "Ich mach jetzt was anderes"
    "Das ist ja ein zentraler Termin im Kalender jedes Liberalen und da geht es jetzt drum, dass wir im Jahr 2014 einen neuen Aufschlag machen mit der neuen Führung, dass sie sich präsentieren kann und dass wir aus dem Tief wieder herauskommen. Und alles, was ich dazu beitragen kann, werde ich natürlich beitragen."
    Im Bundestag endet derweil die Aussprache über Merkels Regierungserklärung. Die FDP sitzt nicht mehr im Parlament. Keiner im Plenum scheint die Liberalen an diesem Tag zu vermissen. Birgit Homburger schaut gelassen aus dem Fenster. Über Hilzingen scheint die Wintersonne. Und sie blickt nicht zurück.
    "Ich finde das jetzt ja normal. Das ist jetzt ein demokratischer Prozess, eine demokratische Entscheidung, die ist gefallen, und so ist es halt. Was soll ich mich jetzt daran aufhalten? Und das Leben geht weiter. Ich mach jetzt was anderes."