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FDP-Politiker warnt vor einem "erheblichen Eingriff in die Privatsphäre"

Mit der FDP werde es "eine sechsmonatige anlasslose Speicherung" von Kommunikationsdaten nicht geben, sagt der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz. Für Behörden, die bei schweren Straftaten ermitteln, sei eine Datenspeicherung von vier Wochen mehr als ausreichend.

Jasper Barenberg sprach mit Jimmy Schulz | 17.04.2012
    Jasper Barenberg: Bis Ende der Woche hat die Bundesregierung noch Zeit, dann droht ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel, dann drohen Strafzahlungen. Diese Pistole hat die EU-Kommission der Koalition auf die Brust gesetzt, weil sich Union und FDP beim Thema der sogenannten Vorratsdatenspeicherung lange schon unversöhnlich gegenüberstehen, weil sich die Koalition deshalb nicht auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigen konnte – ein Gesetz, das den europäischen Anforderungen und Regeln entspricht. Auch der jüngste Vorschlag aus dem FDP-geführten Justizministerium wurde vom CSU-geführten Bundesinnenministerium zurückgewiesen. Am Telefon mitgehört hat Jimmy Schulz, er sitzt für die FDP im Bundestag. Einen schönen guten Tag, Herr Schulz.

    Jimmy Schulz: Ja guten Tag!

    Barenberg: Wie peinlich ist es eigentlich für die Koalition, dass sie sich seit Monaten und Monaten nicht verständigen kann auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf?

    Schulz: Also ich glaube nicht, dass das peinlich ist, denn es war ja von Anfang an klar, dass wir als FDP und gerade mit der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hier eine ganz klare Linie haben, dass es eine sechsmonatige anlasslose Speicherung aller Verkehrsdaten aller Kommunizierenden in Deutschland nicht geben wird. Das ist doch keine Überraschung.

    Barenberg: Ja, aber geeinigt haben Sie sich nicht, und das ist ja keine befriedigende Situation für eine Bundesregierung, die jetzt dann drauf und dran ist, Gefahr zu laufen, Strafzahlungen leisten zu müssen.

    Schulz: Na ja, also so weit sind wir ja noch nicht. Jetzt haben wir ja erst mal diesen Termin Ende nächster Woche, und ob dann ad hoc sofort irgendwas passieren wird, das werden wir dann sehen, oder ob man da sich in Europa vielleicht auch noch ein bisschen Zeit lassen wird. Denn es ist ja nun so: Gerade zum Beispiel Irland hat ja vor dem EuGH noch eine Klage anhängig gegen die Vorratsdatenspeicherung. Des Weiteren ist ja seit vielen, vielen Monaten eine Evaluierung auf europäischer Ebene, die möglicherweise hinterfragt, ob denn das überhaupt so richtig ist, was man da macht mit dieser Vorratsdatenspeicherung, anhängig. Auch da warten wir übrigens auf Ergebnisse, die uns schon vor Monaten, nämlich Ende letzten Jahres, schon mal versprochen worden waren. Die sollen jetzt im Juni, Juli wohl vorliegen. Ich halte es für nicht klug, wenn wir jetzt etwas beschließen sollten, was dann möglicherweise und damit auch die Internetprovider zum Beispiel oder die Telekommunikationsanbieter zu etwas verpflichten würde, was dann nach der Evaluierung möglicherweise sich ganz anders darstellt.

    Barenberg: Herr Schulz, Sie haben gerade gesagt, nun warten wir mal die Frist ab. Also Sie haben kein Problem damit, dass Deutschland in dieser Frage als einziges Land in der EU eine Richtlinie der Europäischen Union nicht in geltendes Recht umsetzt? Das ist für Sie kein Problem?

    Schulz: Sie haben ja auch gerade im Bericht gehört, dass wir momentan 74 solcher Richtlinien nicht umsetzen und da auch schon in anderen Bereichen, nämlich zum Beispiel beim VW-Gesetz, Strafzahlungen in Aussicht stehen. So weit sind wir ja hier noch gar nicht.

    Barenberg: Dann kommt es auf die eine oder andere mehr auch nicht an?

    Schulz: Nein, das sage ich gar nicht. Ich sage nur, dass es sich hier nicht um einen einmaligen Sonderfall handelt, und übrigens ist es ja mitnichten so, dass alle europäischen Mitgliedsstaaten diese Richtlinie schon umgesetzt hätten. Da sind einige Staaten dabei, die auch ernsthafte Probleme damit haben, und ich sage nur, dass es vielleicht nicht klug wäre, jetzt etwas umzusetzen, was in zwei, drei Monaten schon wieder sich ganz anders darstellen könnte. Das ist meiner Meinung nach nicht hilfreich, weil wir damit nämlich die Kommunikationsanbieter und auch die Internetserviceprovider heute zu etwas möglicherweise verpflichten würden, was sich dann in Monaten oder in einem halben Jahr ganz anders darstellt und sie dann alles wieder umstellen müssen. Das halte ich nicht für hilfreich.

    Barenberg: Herr Schulz, Einwände gegen diese Haltung, jetzt erst mal noch ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, dürften insbesondere die Fahnder haben, die Polizisten, die Praktiker, die mit der Aufklärung schwerer Straftaten zu tun haben, die ja ein ums andere Mal eingefordert haben, dass sie ganz dringend Zugriff in bestimmten Fällen brauchen auf solche Kommunikationsdaten. Was sagen Sie denen denn, die sollen jetzt auch ein paar Monate noch warten, da kann die eine oder andere Straftat eben unaufgeklärt liegen bleiben?

    Schulz: Also ich habe mich sehr ausführlich insbesondere gerade mit den Ermittlern, die in diesen Bereichen ermitteln, beschäftigt. Es handelt sich ja hierbei, bei der Vorratsdatenspeicherung, um eine Ermittlungshilfe, die in besonders schweren Fällen, nämlich internationale Kriminalität, internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität greifen soll, so jedenfalls ursprünglich der Plan. Wenn man mit denen spricht: Was brauchen die denn wirklich? Das, was die Vorratsdatenspeicherung, wie wir sie umgesetzt hatten, also die Große Koalition, und dann vom Bundesverfassungsgericht ja auch wieder kassiert wurde - zum Glück -, vorgesehen hat, ist ein deutliches Mehr als das, was die Ermittler wirklich brauchen. Wenn man sie fragt, was wollt ihr denn wirklich, dann kommt die Antwort fast unisono immer heraus, wir brauchen eigentlich nur die Zuordnung von einer IP-Adresse – das ist so eine Art Telefonnummer im Internet – zu der Anschlusskennung, also wem gehört die denn, weil die ja alle 24 Stunden ungefähr in den meisten Fällen verändert werden beziehungsweise durchtauschen. Das heißt also, diese Zuordnung von der Telefonnummer zu der Anschlusskennung, also Adresse zum Beispiel oder Name und Adresse, wo denn diese Telefonnummer für die 24 Stunden auffindbar war. Diese Zuordnung würden wir ja mit dem Vorschlag der Ministerin, der jetzt schon seit über einem Jahr auf dem Tisch liegt, auch als Gesetzesentwurf, lösen, weil diese Taten sollen ja in diesem Quick-Freeze-Plus-Verfahren für sieben Tage gespeichert werden. Jetzt kann man darüber streiten, ob dieser Zeitraum vielleicht ausreichend sei, aber was mir die Ermittler sagen ist, dass ein Zeitraum von vier Wochen mehr als ausreichend ist genau für das, was sie brauchen. Den ganzen Rest der Vorratsdatenspeicherung, wer wem eine E-Mail geschickt hat und, und, und, und, und, das brauchen die gar nicht. Ebenso brauchen sie nicht eine Speicherung von sechs Monaten. Also ich warne davor, dass wir sozusagen die Bedürfnisse der Ermittler übererfüllen und damit natürlich auch einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre aller in Deutschland Kommunizierenden tun.

    Barenberg: Das sagt der FDP-Innenpolitiker Jimmy Schulz. Vielen Dank, Herr Schulz, für dieses Gespräch.

    Schulz: Danke sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.