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FDP-Politikerin: Jüngere sind die Gekniffenen

Das Thema Generationengerechtigkeit hat im politischen Alltag wenig Raum, sagt Miriam Gruß, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag. Grundsätzliche Gedanken, wie die nächsten 30 Jahre mit Blick auf Rente, Gesundheit und die sozialen Sicherungssysteme ablaufen sollten, gäbe es zu wenig.

Miriam Gruß im Gespräch mit Gerwald Herter | 12.01.2011
    Gerwald Herter: 2030, Aufstand der Jungen, soziale Unruhen entzünden sich am mysteriösen Tod eines 30-Jährigen, Ausnahmezustand in Berlin, die Generation der 30-Jährigen hat es satt, für die Fehler ihrer Eltern zu bezahlen. Gestern lief diese Doku-Fiction im ZDF. Man muss dieses Genre nicht unbedingt mögen, aber bemerkenswert ist, dass sich das Zweite Deutsche Fernsehen hier eines Themas annimmt, das in der Politik eine eher untergeordnete Rolle spielt: mögliche Konflikte auch zwischen Generationen.

    Die Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß hat sich den Film für uns angesehen. Sie ist die jüngste weibliche FDP-Abgeordnete und kümmert sich in ihrer Fraktion auch um die Familienpolitik. Guten Morgen, Frau Gruß!

    Miriam Gruß: Schönen guten Morgen!

    Herter: Werden die Verteilungskonflikte zwischen Generationen wahrscheinlicher, weil es immer mehr Ältere, immer weniger Jüngere gibt?

    Gruß: Es ist immer schwierig, in die Glaskugel und in die weite Zukunft zu gucken. Derzeit, kann ich jedenfalls sagen, glaube ich nicht, dass überwiegend Generationenkonflikte auftauchen, aber für die Zukunft ist das ganz sicher nicht ausgeschlossen, denn wir müssen die demografische Entwicklung ganz klar sehen. Es wird immer mehr Ältere und immer weniger Jüngere geben. Und eines ist klar, dass es um die Ressourcen, die Mittel, die wir zur Verfügung haben, auch Kämpfe geben wird.

    Herter: Ist Generationengerechtigkeit bisher ein Tabu in der deutschen Politik?

    Gruß: Ein Tabu würde ich es nicht bezeichnen, aber es ist schon etwas, das wenig Raum hat im politischen Alltag. Wir diskutieren aktuell um Dioxin-Skandale, wir nehmen Überschwemmungen wahr etc., aber sich mal grundsätzlich rauszunehmen und grundsätzlich darüber Gedanken zu machen, wie die nächsten 30 Jahre ablaufen sollen, das wird wenig gemacht.

    In einer Sache jedenfalls haben wir es gemacht. Wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz aufgenommen, was ich ausdrücklich begrüße. Zum ersten Mal wurde hier verankert, dass Haushaltspolitik nicht zu Lasten künftiger Generationen gemacht werden kann. Solche Initiativen wären wünschenswert noch mehr im politischen Alltag.

    Herter: Aber da steht eher der Euro im Vordergrund, wenn ich das richtig sehe in der Begründung, weniger die Generationengerechtigkeit. Hängt diese Zurückhaltung damit zusammen, dass die Politik es sich nicht mit allen möglichen Altersgruppen verscherzen will?

    Gruß: Sicherlich ist es so, dass man auf die Wählergruppen guckt, und wenn man sieht, dass immer noch der größte Wähleranteil bei den 55, 60 plus liegt und weniger bei den jüngeren, dann überlegen sich die Parteien natürlich schon, für wen machen wir denn Politik, und man guckt darauf. Man muss aber auch sehen: Die ältere Generation hat unbestritten Verdienste sich erarbeitet, und deswegen will man auch nicht denjenigen, die ein Leben lang gearbeitet haben, natürlich zu viel wegnehmen.

    Herter: Das wollen wir auch nicht bestreiten.

    Gruß: Auf der anderen Seite sind natürlich die Jüngeren auch wiederum derzeit schon die Gekniffenen, denn sie wissen, sie zahlen in die Rentenversicherung ein, und wissen eben nicht, was kommt in 30, 40 Jahren dabei heraus. Sie wissen nicht, wohin steuert das Gesundheitssystem, und sie wissen nicht, wie entwickeln sich die sozialen Sicherungssysteme weiter. Sie wissen nur, dass sie irgendwann mal alleine für zwei Rentner arbeiten werden, und deswegen sind da schon zurecht Zukunftsängste vorhanden.

    Herter: Spielt das auch in Ihrer praktischen Parlamentsarbeit eine Rolle? Auch im Bundestag sind ja nun eher ältere Abgeordnete vertreten.

    Gruß: Sicherlich spielt das immer wieder eine Rolle. Wir haben in der letzten Legislaturperiode beispielsweise wie in der vorletzten auch eine Initiative gehabt, dass wir die Generationengerechtigkeit im Grundgesetz verankern. Darüber hinaus gab es Initiativen, auch die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, um hier deutlich zu machen, auch Kinder müssen Rechte haben, die durchsetzbar sind. Wir haben die Diskussionen gehabt, parlamentarisch übergreifend, zum Wahlrecht von Geburt an, dass man sagt, je mehr Kinder eine Familie hat, warum soll die nicht auch mehr Stimmen bekommen, damit man einigermaßen eben dem Problem begegnen kann. Wir haben immer wieder die Diskussion um die Absenkung des Wahlalters und es gibt Parteien wie beispielsweise unsere, die FDP, die inzwischen neue Formen finden, wie Jüngere angesprochen werden können, durch einen Landesverband Internet beispielsweise, weil ich glaube auch, dass die politische Beteiligung immer mehr zunimmt, wie uns die letzte Shell-Jugendstudie auch gesagt hat.

    Herter: Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz, gibt es derzeit dazu eine Initiative?

    Gruß: Momentan nicht. Die Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz ist aber nicht vom Tableau deswegen. Sie ist sicherlich eine Initiative, die noch mal neu angegangen werden muss. Wir haben im Koalitionsvertrag als schwarz-gelbe Regierung aber insgesamt verankert, dass wir eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie haben wollen, in der auch eine Art Generationenbilanz Eingang findet, was ich wichtig finde, dass die einigermaßen monetarisierbaren Leistungen einfach auch mal transparent gemacht werden, welche gehen denn zu Lasten beispielsweise der nächsten Generationen. Ich finde es wichtig, dass es auch mal solche grundsätzlichen Überlegungen gibt.

    Herter: Das war Miriam Gruß, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, über die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Frau Gruß, vielen Dank und schönen Tag.

    Gruß: Vielen Dank! Auch Ihnen einen schönen Tag.