Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


FDP-Umweltpolitiker: Alle müssen Energiewende mittragen

Rückwirkend in die EEG-Umlage einzugreifen würde die Rechtssicherheit stören, sagt Horst Meierhofer (FDP). Es müsse ein Kompromiss gefunden werden, durch den sich jeder an den Kosten der Energiewende beteilige.

Horst Meierhofer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 07.03.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Kehrtwende in der Atompolitik nach der Fukushima-Katastrophe, für manchen Wirtschafts- und Industrievertreter war sie ein schwerer Fehler, denn die Energiewende, die sie zwangsläufig zur Folge hatte, stellt das Land vor eine enorme Herausforderung und scheint doch mehr oder weniger festzustecken. Vor wenigen Minuten hat im Kanzleramt ein Spitzentreffen dazu begonnen.
    Per Mobiltelefon auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin erreichen wir jetzt Horst Meierhofer von der FDP. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages. Schönen guten Tag!

    Horst Meierhofer: Schönen guten Tag.

    Heckmann: Herr Meierhofer, nicht nur energieintensive Unternehmen, selbst Golfklubs und Versicherungen kommen in den Genuss des Strompreisrabatts. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das jetzt als unzulässig und nichtig erklärt. Auch die EU-Kommission leitet ein Verfahren ein. Haben Sie mittlerweile ein schlechtes Gewissen?

    Meierhofer: Nein. Erstens war der Bundestag an den Entscheidungen ja gar nicht beteiligt. Deswegen kann ich weder ein schlechtes Gewissen haben, noch mich darüber ärgern oder freuen. Aber klar ist auch, dass wir uns natürlich schon überlegen müssen – das hat der Herr Reck vom VKU ja auch gesagt -, wie wir die Energiewende schultern. Und wir können jetzt sagen, okay, dann lassen wir einfach die Industrie mehr bezahlen. Ob das allerdings im Interesse der Bevölkerung ist, wage ich zu bezweifeln, weil die Energiepreise in Deutschland auch für die Industrie ja im internationalen Wettbewerb sehr hoch sind, ich glaube die viertteuersten innerhalb Europas nach Dänemark, Italien und Zypern. Also es ist nicht so, dass wir in Deutschland hier einen besonderen Wettbewerbsvorteil durch günstige Energiepreise hätten. Aber wir müssen eben auch einen Kompromiss jetzt finden, dass jeder sich daran beteiligt, und das wird die Industrie genauso treffen wie die Privatverbraucher.

    Heckmann: Das sieht offenbar die EU-Kommission etwas anders, da ja ein Verfahren auch wegen Wettbewerbsvorteilen eingeleitet werden soll. Man hat doch ein bisschen den Eindruck, dass hier Teile der Wirtschaft Privilegien eingeräumt werden, die sie nicht verdienen?

    Meierhofer: Also, das wäre mir zu schwarz-weiß. Es ist ja so, dass kein geringerer als Jürgen Trittin dafür gesorgt hat, dass die Großindustrie aus der EEG-Umlage ausgenommen wird. Wir haben gesagt, wenn jemand im internationalen Wettbewerb steht, dann sollte das auch für Mittelständler gelten.

    Heckmann: Aber diese Regel ist ja immer weiter ausgeweitet worden, sodass jetzt Tausende Unternehmen eigentlich ausgenommen sind.

    Meierhofer: Also erstens mal: Aus der Regelung waren keine Golfunternehmen mit dabei. Das war auch so eine schöne Unterstellung von Herrn Trittin. Aber es war so, dass wir gesagt haben, es macht wenig Sinn, nur die Großindustrie auszunehmen, und der Mittelstand, der im grenznahen Bereich etwa – ich komme aus Ostbayern beispielsweise, da ist Tschechien daneben -, da muss man sich schon überlegen, wie die im Wettbewerb stehen. Nichtsdestotrotz: Die werden sich auch an einer Umlage beteiligen müssen. Da gibt es ja dieses Rösler-Altmaier-Papier, wo man sich an der einen oder anderen Stelle sehr berechtigt darüber unterhalten kann, zum Beispiel über die rückwirkenden Eingriffe. Von denen halte ich auch nichts. Da haben wir selber als Bundestagsausschuss seitens der FDP auch Vorschläge gemacht zu sagen, senken wir doch lieber den Anteil der Stromsteuer, damit könnten wir tatsächlich entlasten. Aber rückwirkend eingreifen in die EEG-Umlage, das würde natürlich Rechtssicherheit nicht fördern, sondern stören, und deswegen wäre ich da auch dagegen. Aber genauso hatten Rösler und Altmaier auch gesagt, dass die Ausnahmen, die es für die Industrie gibt, auch abgesenkt werden müssen, und das wird auch ein Teil sein. Die Bevölkerung wird nicht bereit sein zu sagen, die Industrie wird ausgenommen und wir müssen dafür bezahlen. Genauso wenig funktioniert es aber auch, dass man sagt, es ist uns egal, wie viel die Industrie zahlt und ob wir in Deutschland unsere Arbeitsplätze behalten, die müssen am meisten bluten. Es wird nur so gehen, wie Altmaier und Rösler gesagt haben, wenn alle ihren Beitrag dazu leisten. Gerade die Industrie profitiert ja auch, das muss man ja auch zugeben, wenn es darum geht, bei der EEG-Umlage vom günstigen Börsenstrompreis.

    Heckmann: Bezogen auf die Netzentgelte hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ja jetzt geurteilt. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das ist richtig. Aber das Urteil besagt im Prinzip, es geht nicht an, dass normale Stromkunden für die Rabatte der Wirtschaft bezahlen. Wundern Sie sich vor diesem Hintergrund, dass die FDP als Klientelpartei wahrgenommen wird?

    Meierhofer: Ich habe ja gerade gesagt, ich wundere mich darüber, dass so unkritisch darüber hinweggesehen wird, dass Jürgen Trittin ausschließlich die Großindustrie entlastet hat, und wenn die FDP sagt, wir wollen das Gleiche für den Mittelstand haben, dass wir dann die Klientelpolitik sind und die anderen sind die, die die Strompreise günstig machen. Das ist natürlich ein bisschen sehr Pippi langstrumpfmäßig, wenn man die Welt so betrachten würde. Deswegen fühle ich mich auch nicht als Lobbypartei, sondern ich fühle mich als Teil derer, die versuchen, einen Kompromiss zu finden. Und Sie haben es in Ihrem Bericht vorher ja schön deutlich gemacht, wie extrem die Ansichten auseinandergehen, und der VKU ist ja nicht der Verband der Großindustrie, sondern das sind diejenigen, die sagen, wir müssen schon darauf aufpassen, dass wir in Deutschland vernünftige Preise haben, während zum Beispiel die Umweltschutzverbände und natürlich die Lobbyisten der Erneuerbaren-Energien-Branche, gerade im Fotovoltaik-Bereich, größten Wert darauf legen, es muss alles so bleiben, wie es ist, damit wir jetzt im Moment noch Geld verdienen und dass wir mehrere Hundert Milliarden zusätzliche Kosten für die nächsten 20 Jahre jetzt mit verursachen. Das ist aus heutiger Sicht natürlich ein bisschen wenig und darum meine ich, dass wir am Schluss nicht darüber hinwegkommen zu sagen, wir müssen alle mitnehmen. Und dass der Strompreis momentan steigt, das liegt nicht an den 800 Millionen, dass wir jetzt schon Verpflichtungen über EEG-Umlage von mittlerweile 150 Milliarden Euro zum Status quo heute schon eingegangen sind, sondern das liegt natürlich zum großen Teil an der Energiewende, an den erneuerbaren Energien. Das liegt auch daran, dass wir von einem Großkraftwerk-Ideal, dass man früher hatte, mit Kohle, Gas und vor allem auch Kernkraft, wie es das früher noch gab, umstellen auf eine dezentrale Energieerzeugung, und die dezentrale Energieerzeugung natürlich auch den Netzausbau benötigt, und das ist natürlich auch gerade im Niederspannungsbereich etwas, was eine komplette Umstellung erfordert, …

    Heckmann: Und genau dieser Netzausbau, Herr Meierhofer, ist ja Thema des Treffens heute auch im Kanzleramt. Weshalb geht das da nicht voran?

    Meierhofer: Na ja, man hat es gesehen. Wenn man versucht hat, im Fotovoltaik-Bereich nur um zwei, drei Cent die Einspeisevergütung zu reduzieren, wo man wusste, dass gute zweistellige Renditen erreicht werden von den Investoren, während gleichzeitig ich auf dem Sparbuch vielleicht ein halbes Prozent bekäme, dann hat man gesehen, dass da natürlich alles extrem lobbygetrieben ist, und das hängt dann nicht mal mehr mit der Partei zusammen, wenn man ganz ehrlich ist, sondern das hängt davon ab, wo jemand herkommt: Gibt es in dessen Wahlkreis, gibt es in dessen Land …

    Heckmann: Also die FDP hat damit nichts zu tun, mit diesen Lobby-Arbeiten?

    Meierhofer: Also es ist ja nicht so, dass die FDP damit zu tun hat und die anderen nicht. Das würde ich mir wirklich verbitten. Aber es ist so, dass jeder gleich viel damit zu tun hat, insoweit, dass es natürlich davon abhängt, habe ich in meinem Land Windkraftunternehmen, habe ich in meinem Land Fotovoltaik-Unternehmen, habe ich in meinem Land Biomasse, habe ich in meinem Land besonders viel Wasserkraft, und das ist natürlich davon abhängig, wo ich herkomme. Und deswegen ist es wahnsinnig schwer, auch gerade vor einer Wahl, mit dem Bundesrat zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Ich hoffe, dass Altmaier recht hat, dass man hier einen Konsens findet. Wenn ich mir anschaue, wie lange jede kleinste Änderung in den letzten Jahren gedauert hat und wie schwierig es war, winzigste Reformen durchzusetzen, die jetzt übrigens dazu führen, dass die Preise explodieren, weil man nicht in der Lage war, auch vor 2009 ja eigentlich fast gar nichts passiert ist. Jetzt haben wir zumindest um 50, 60 Prozent die Kosten reduziert, haben immer noch riesige Ausbauzahlen im Fotovoltaik-Bereich die letzten drei Jahre gehabt, mit denen ja keiner gerechnet hat. Also der Erfolg könnte tatsächlich, wie es Herr Reck vom VKU gesagt hat, dazu führen, dass man das Gegenteil von dem erreicht, was man will, nämlich die Energiewende einzubremsen – nicht dadurch, dass man ihnen zu wenig zahlt, sondern dass man zu viel gibt und nicht bereit ist, hier Kompromisse einzugehen. Und ich glaube, da muss Bundestag natürlich ein Stück von seinen Maximalforderungen weggehen, aber Bundesrat ganz genauso.

    Heckmann: Aber vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung, Herr Meierhofer, was macht Sie denn optimistisch, dass die Energiewende in einem annehmbaren Zeitraum doch noch zu schaffen ist?

    Meierhofer: …, weil wir bislang alle Erwartungen übererfüllt haben. Ich kann Ihnen sagen, dass im Jahr 2002 nicht mal ein Gigawatt Fotovoltaik beispielsweise installiert wurde, nach drei Jahren dann jeweils über 7000 Megawatt, die dazugekommen sind, also über sieben Gigawatt. Es ist eine Erfolgsgeschichte und wir haben früher zwei, drei Prozent erneuerbare Energien gehabt, getrieben von Wasser, jetzt haben wir über ein Viertel. Das ist ein extremer Erfolg, das hatten wir nie erwartet, das hatte niemand damals erwartet. Deswegen werden wir es schaffen. Momentan ist das Problem aus meiner Sicht weniger die Geschwindigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren, sondern zum einen die Netzindikation. Die muss gelingen, dass wir nicht dafür bezahlen, dass jemand sein Windkraftrad aus dem Wind dreht und trotzdem 90 Prozent Vergütung dafür bekommt, sondern dass wir es integrieren und dass wir es auch so schaffen, dass diejenigen, die kein Eigenheim haben und keine Anlage auf dem Dach stehen haben und auch nicht an Windkraft-Fonds beteiligt sind, sondern ganz normale Mieter, am Schluss sich auch noch einen Strom leisten können.

    Heckmann: Die Energiewende – zentrales Thema heute eines Spitzentreffens im Kanzleramt. Wir haben gesprochen über das Thema mit Horst Meierhofer von der FDP. Herr Meierhofer, danke Ihnen für das Gespräch.

    Meierhofer: Sehr gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.