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Fehlende Blutgruppen
Blutspenden von Migranten gesucht

Wenn Menschen mit Migrationshintergrund eine Blut- oder Stammzellspende brauchen, fehlen in Deutschland oft die passenden Spender. Denn ihre Stammzellen weisen häufig Eigenschaften auf, die hier selten vertreten sind. Das neues Projekt BluStar.NRW ruft nun gezielt Migranten zu Blutspenden auf.

Von Ann-Kristin Pott | 11.07.2018
    Blutkonserven in einem Kühlraum im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
    Die Eigenschaften von Blut und Stammzellen müssen bei Spender und Empfänger zusammenpassen - sonst kann es zu Abwehrreaktionen kommen (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Wenn die Haut deutlich röter wird, rufen Sie an, Creme. Eincremen und neue Tablette gegen den Juckreiz."
    Sercan - sein Name wurde geändert - hält seinen Mundschutz in den Händen und bespricht mit Dr. Lambros Kordelas vom Uni-Klinikum Essen seinen Ausschlag und seinen Juckreiz an Bauch und Armen - eine Reaktion auf seine Blutstammzelltransplantation. Sercan hat mit 26 Jahren die Diagnose Leukämie bekommen.
    "Schock, ne? Hast du auch nicht mit gerechnet."
    Gewebemerkmale müssen zusammenpassen
    Sercan wurden Blut und Knochenmark entnommen und ein Stammzellenspender gesucht. Für viele Blutkrebserkrankungen ist eine Blutstammzelltransplantation die einzige Chance auf Heilung. Dafür muss das Blutimmunsystem des erkrankten Patienten zerstört und durch ein neues, möglichst gut passendes ersetzt werden, erklärt Dr. Kordelas vom Uniklinikum Essen.
    "Das kann entweder das Blutsystem eines Geschwisters sein, und das ein Geschwister passt, die Wahrscheinlichkeit ist eben genau 25 Prozent. Wenn ein Patient entweder keine Geschwister hat oder die Geschwister nicht passen, muss man einen unverwandten Spender nehmen. Weil für den Erfolg der Transplantation ist es ganz entscheidend, dass bestimmte Gewebeverträglichkeitsmerkmale zusammenpassen."
    Blut- und Stammzelleneigenschaften werden typisiert
    Je mehr zusammenpassen, desto besser. Die Merkmale sind genetisch bedingt. Deswegen unterscheiden sie sich zwischen Mitteleuropäern und Menschen aus Afrika, Syrien oder der Türkei. Das Problem: In den Spenderdateien sind Spender aus diesen Ländern unterrepräsentiert. Das will das Projekt BluStar.NRW ändern. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kooperation zwischen der Uni Düsseldorf, der Uniklinik Essen, dem Roten Kreuz West, der Caritas in Essen und der Westdeutschen Spenderzentrale. Dr. Kordelas hat die Idee mitentwickelt.
    "Wir sehen in den letzten drei Jahren, dass wir vermehrt Patienten haben mit Migrationshintergrund und teilweise neuen Bluterkrankungen, die in Mitteleuropa nicht so oft vorkommen und deswegen eine Transplantation bekommen müssen. Also das Problem ist jetzt schon relevant."
    Im Verbund mit weiteren Partnern aus verschiedenen Fachdisziplinen werden die Blut- und Stammzelleigenschaften analysiert und bestimmt. Durch das Projekt sollen neue Spender für Blut-, Knochenmark- und Stammzellspenden gewonnen werden.
    "Das gilt sowohl für die Menschen, die in den letzten zwei, drei Jahren nach Deutschland gekommen sind, beispielsweise aus dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika als auch für die Türken, die schon seit vielen Jahren hier leben, die sind auch zu wenig in den Dateien typisiert, um als potenzieller Stammzellspender zur Verfügung zu stehen."
    Gefährlich: die Abwehrreaktion
    Passen nicht alle Merkmale zusammen, kann das zu einer Spender-gegen-Empfänger-Reaktion, der sogenannten GvHD, führen. Das neue Blutimmunsystem des Spenders erkennt dann, dass es in einem fremden Körper ist und "greift" den Körper des Patienten an. So war das auch bei Sercan.
    "Mein Spender passt zwar, aber nicht zu 100 Prozent, so ungefähr 90 oder 95 Prozent kann man sagen und dadurch hast du Ausschlag bekommen, woran du merkst, dass das neue Blut im Körper arbeitet. Eine gute Nachricht. Aber juckt sehr viel, ey."
    Dass Sercan keinen zu 100 Prozent passenden Spender gefunden hat, macht deutlich, wie wichtig Spenden von Menschen mit Migrationshintergrund sind. Sercan ist froh überhaupt einen Spender gefunden zu haben. Das gibt ihm die Hoffnung die Leukämie zu überleben.