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Fehlende Endlager für Atommüll
Report warnt vor hohem Sicherheitsrisiko

Die Atomkraft gehört in vielen Ländern noch immer zum Energiemix dazu. Doch was mit dem Atommüll passiert, ist nicht geklärt – kein einziges Land betreibt bisher ein Endlager. Und die Zwischenlager würden langsam gefährlich voll, warnt ein Report der Heinrich-Böll-Stiftung.

Von Benjamin Dierks | 11.11.2019
Drei schwarze Atommüll-Fässer, wobei eines im Vordergrund in der Mitte scharf abgebildet ist, im Hintergrund zwei weitere Fässer unscharf.
Wohin mit dem Atommüll? (imago stock&people / imagebroker)
Die Autoren des Atommüllreports warnen vor unberechenbaren Risiken auf der Suche nach sogenannten Endlagern für den hochradioaktiven Abfall aus der Kernkraft. Allein in Europa lagerten 60.000 Tonnen abgebrannte Brennstäbe in Zwischenlagern, die nicht für die dauerhafte Aufbewahrung geeignet seien, heißt es in der Studie, die unter anderem von der Heinrich-Böll-Stiftung finanziert wurde. Bislang betreibe weltweit kein einziges Land ein Endlager. Lediglich Finnland sei dabei, eines zu bauen. Daneben hätten Frankreich und Schweden einen Ort für ein Endlager bestimmt. Die Stilllegung und der Rückbau von Atomkraftwerken unter anderem durch den von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg werde die Mengen an Atommüll noch deutlich erhöhen, warnte Marcos Buser, einer der Autoren der Studie.
"Der große Teil der Länder ist gerade nur daran, die Standortsuche zu planen, beziehungsweise macht im Moment nichts anderes als Zwischenlagern. Und das ist das ganz große Problem, dass man die hochradioaktiven Abfälle in Zwischenlager tut und in die Zukunft abschiebt, und zwar in einer Art und Weise, die wirklich gefährlich ist."
Regierungen und Betreiber unterschätzten Kosten
Die Zwischenlager stießen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen, warnte Buser. So sei beispielsweise ein Depot für abgebrannte Brennstäbe in Finnland zu 93 Prozent ausgelastet. Der Geologe und Sozialwissenschaftler arbeitete lange am Entsorgungskonzept der Schweiz. Heute kritisiert er die Endlagerungskonzepte europäischer Regierungen. Zu den hochradioaktiven Brennstäben kommen große Mengen schwach- und mittelradioaktiven Atommülls. Mehr als 2,5 Millionen Kubikmeter davon seien bisher in Europa angefallen, heißt es in der Studie. Insgesamt sei mit 6,6 Millionen Kubikmetern zu rechnen. In Europa komme der größte Teil davon aus Frankreich, Großbritannien, Ukraine und Deutschland. Die Länder seien unterschiedlich gut auf die Lagerung vorbereitet. Frankreich etwa sei bereits weiter als Deutschland, sagte Buser.
"Sie haben die entsprechenden Finanzen bereitgestellt, um so ein Programm aufzugleisen, haben die Strukturen geschaffen."
Die Autoren der Studie stützen ihre Analyse vor allem auf die Länderberichte, die die Staaten alle drei Jahre für die Internationale Atomenergiebehörde verfassen. Neben den Sicherheitsaspekten warnt der Report vor schwer kalkulierbaren Kosten der Zwischen- und Endlagerung. Regierungen und Betreiber unterschätzten diese, sagte Ben Wealer, Wirtschaftsingenieur an der Technischen Universität Berlin und Co-Autor der Studie. Die Kostenschätzungen der Regierungen basierten häufig noch auf veralteten Studien aus den 1970er- und 80er-Jahren.
"Wir haben festgestellt, dass eine erhebliche Finanzierungslücke besteht. Auch wie das Geld zurückgelegt wird, unterscheidet sich massiv in den Staaten in Europa oder auch weltweit. Zum Beispiel in Deutschland sind für den Rückbau die Betreiber verantwortlich. Die Endlagerung wurde mit einem Fonds jetzt finanziert."
Energieunternehmen durch einmalige Zahlung entlastet
Dieser Fonds, in den die Kraftwerksbetreiber 24 Milliarden Euro einbezahlt haben, macht aber Verluste und wird womöglich nicht ausreichen, um die anstehenden Kosten zu decken. Wealer kritisiert, dass die Energieunternehmen durch ihre einmalige Zahlung aus der Verantwortung entlassen worden seien.
"Was jetzt mehr kostet für die Zwischenlagerung, was ein großes Problem ist, der Schacht Konrad, das Finden eines Endlagers, alles das soll von diesem Fonds bezahlt werden."
Unvorhergesehene Pannen etwa könnten die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung aber in die Höhe treiben. Das erlebe die Bundesregierung mit dem Lager in Asse, das wegen hohen Wassereintritts und Instabilität ungeeignet ist und geräumt werden muss. Am Ende müssten für derlei unvorhergesehene Ausgaben voraussichtlich die Steuerzahler aufkommen.