Donnerstag, 25. April 2024

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Fehmarnbelt-Tunnel
"Dänen wollen näher an Europa heranrücken"

Der Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark ist ein Milliardenprojekt der Dänen. Besonders Schweden profitiere von dem Projekt, sagte Johannes Bröcker, Leiter des Instituts für Internationale und Regionale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Kiel, im DLF. Aber auch deutsche Bundesländer könnten durchaus Nutzen daraus ziehen.

Johannes Bröcker im Gespräch mit Ursula Mense | 29.04.2015
    Ursula Mense: Der Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark ist ein Milliardenprojekt der Dänen. Denn wenn er gebaut wird - und danach sieht es nun aus, nachdem das dänische Parlament ihn beschlossen und auch die Bundeskanzlerin ihn für gut befunden hat -, wenn dieser Tunnel gebaut ist, wird er die Dänen ein Stückchen näher an Europa binden. Acht oder auch neun Milliarden Euro wird er kosten, die Zahlen schwanken ein bisschen, zumal man auch noch nicht weiß, wann es losgeht, denn es gibt jede Menge Widerstand gegen den Tunnel. Viele Menschen und Organisationen behindern seinen Bau schon jetzt. Und sie tun das, obwohl die Dänen uns den Tunnel mehr oder weniger schenken. Aber das überzeugt Natur- und Tierschützer, Hausbesitzer und auch die Fährbetriebe nicht, die Angst haben vor schwindenden Einnahmen.
    Schon lange beschäftigt sich Professor Johannes Bröcker, Leiter des Instituts für Internationale und Regionale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Kiel, mit dem Fehmarnbelt-Projekt. Ihn habe ich gefragt, ob der Tunnel wirtschaftlich gesehen Sinn macht und wer davon alles profitiert.
    Johannes Bröcker: Die Effekte sind sehr weitläufig. Es ist keineswegs so, dass man nur in der Nähe profitiert. Schweden profitiert in erheblichem Umfang und ist überhaupt nicht an den Kosten beteiligt. Die haben sozusagen das große Los gezogen. Das liegt ja daran, dass die Öresund-Brücke auch da ist und Schweden ja eine größere Volkswirtschaft als Dänemark ist und stark auf den europäischen Markt ausgerichtet ist. Es ist so: Wenn man sich die räumliche Verteilung der Effekte anguckt, dann sind die in jeder Einzelregion sehr klein, kaum zu sehen. Wenn ich jetzt die Prozentsätze sage, sagen wir mal, oder was das pro Jahr bringt für Schleswig-Holstein, sagen wir mal, außerhalb dieses Korridors, dann ist das pro Jahr 0,04 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist alles andere als ein wirtschaftlicher fühlbarer Aufschwung oder Ähnliches, was man sich vorstellt. Das sind ganz kleine Beträge. Nur wenn Sie ganz Europa, auch Skandinavien nehmen und auch jetzt weiter nach Süden, die Bundesrepublik insgesamt oder auch darüber hinaus, und all diese vielen kleinen Beträge zusammenzählen, kommt doch ein erheblicher Nutzen dabei heraus.
    "Politisch-psychologischer Effekt"
    Mense: So dass Sie unter dem Strich sagen würden, es lohnt sich, für so einen Tunnel von dänischer Seite da acht oder neun Milliarden auszugeben, und natürlich auch von deutscher Seite sind es 2,2 Milliarden, die ausgegeben werden müssen, um Bahn- und Autoverkehr anzubinden. Lohnt sich das?
    Bröcker:: Die deutsche Seite würde, wenn sie tatsächlich, sagen wir mal, einen fairen Anteil zahlen müsste, sagen wir mal die Hälfte der Gesamtkosten einschließlich der Anschlusskosten - die Dänen zahlen ja auch ihre Anschlusskosten; die sind ja auch nicht null. Wenn die Deutschen jetzt ihre Anschlusskosten zahlen müssten und die Hälfte des Tunnels, dann würde ich nicht dafür plädieren. Aber die Dänen sehen es anders, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern für die hat das auch vielleicht den politisch-psychologischen Effekt, näher an Europa heranzurücken, und deswegen gibt es in Dänemark einen großen Konsens und die übernehmen von dem Kern der ganzen Sache, nämlich die gebührenpflichtige Überfahrt, das vollständige Risiko.
    Wenn Sie mich jetzt fragen würden, sagen wir mal, die Dänen würden das jetzt als private Aktiengesellschaft gestalten und sie hätten einen kleinen Vermögenswert von Ihrer Großmutter geerbt und Sie fragen jetzt, soll ich den in den Tunnel investieren, würde ich Ihnen eher abraten. Es gibt doch erhebliche Risiken, was die Nutzungsmenge angeht, was die Einnahmen angeht.
    Mense: Gut, das ist die dänische Seite. Jetzt mal von der deutschen Seite?
    Bröcker: Von der deutschen Seite? Die Deutschen, die haben ja nur den Anschluss zu zahlen.
    Mense: Ja, das sind immerhin auch 2,2 Milliarden. Sie würden sagen, das ist aber okay?
    Bröcker: Das sind 2,2 Milliarden. Ja, gut.
    Mense: Aber da profitieren wir dann doch genug?
    Bröcker: Da würden wir genug profitieren und das ist ja auch ein Vorteil, dass dann der Gütertransport auf die Eisenbahn geht, und das ist für das gesamte europäische Transportnetz. Dieser Aspekt ist unter den ökologischen Gesichtspunkten auch vorteilhaft. Es gibt natürlich andere ökologische Probleme, die angemerkt werden. Da bin ich jetzt aber nicht der Fachmann.
    Mense: ..., sagt Professor Johannes Bröcker von der Universität Kiel über den Fehmarnbelt und seinen zukünftigen Tunnel.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.