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Feiertag
Gehört Pfingsten zu Deutschland?

Wenn man keinen Aufsatz über Pfingsten schreiben könne, dann sei es mit der Kenntnis des christlichen Abendlandes ja nicht so weit her, sagte Angela Merkel im Herbst letzten Jahres. Wo aber bleiben die Abhandlungen zum Fest?

Von Christiane Florin | 13.05.2016
    Das Gemälde eines südschwäbischen Meisters um 1480 mit dem sakralen Thema: "Die Ausgießung des Heiligen Geistes". Die Gläubigen werden durch eine Taube mit dem heiligen Geist erfüllt.
    An Pfingsten wird die Aussendung des Heiligen Geistes an die Gläubigen gefeiert. (dpa / Schnoerrer)
    Pfingsten sind die Geschenke am geringsten, während Ostern, Geburtstag und Weihnachten etwas einbrachten. Das schrieb Bertolt Brecht vor vielen Jahrzehnten. Brecht hat Recht. Ein Fest, an dem es keine Geschenke gibt, ist nicht vermittelbar. Welches Parfum, welche Sockensorte, welche App passt schon zum Heiligen Geist? Wer Pfingsten googelt, stößt entweder auf Ferientermine oder auf Umfrageergebnisse nach dem Motto: Was war denn da eigentlich? War da nicht die Hochzeit von Maria und Josef?
    Doch in diesem Jahr hätte Pfingsten das Zeug zum politischen Fest. Und schuld daran ist die Kanzlerin. Im Herbst letzten Jahres hatte eine besorgte Bürgerin von Angela Merkel wissen wollen, was man gegen die Islamisierung tun könne. Und die Kanzlerin hatte sinngemäß geantwortet, sie halte die Angst vor der Islamisierung für merkwürdig, solange die Deutschen ihre christlichen Wurzeln nicht kennen würden. Und jetzt kommt’s: Diese Deutschen, sagte die Kanzlerin, könnten ja nicht einmal einen Aufsatz über Pfingsten schreiben. Die abendländisch-demokratische Grundordnung wird also offenbar mit dem Heiligen Geist verteidigt.
    Nun ist bald Pfingsten, aber wo bleibt der regierungsamtliche Aufsatz zum Fest? "Mein schönstes Pfingsten im Pfarrhaus. Ein Downloadangebot Ihrer Kanzlerin" – das wäre doch was. Aber diesen Merkel-Aufsatz gibt es nicht. Auch der SPD fällt nichts ein. Gute Bildung für alle, verspricht die Homepage. Aber es gibt keine Basisbildung zum Thema Zungenrede, Taube und Sprachengewirr. Da bleibt eine Menge Deutungsspielraum für die christlich-soziale Union. "Der Heilige Geist spricht deutsch!". So könnte in etwa Horst Seehofer seinen Aufsatz betiteln. Aber er macht’s nicht. Statt klarer Pfingst-Ansagen gibt es auf der CSU-Seite nur ein Dialogfeld für Fragen an Horst Seehofer.
    Wird also wieder einmal ein identitätsstiftendes Thema der AfD überlassen? Schnappt die sich das Pfingstwunder, von dem Angela Merkel träumte? Man wird ja wohl noch was über Pfingsten sagen dürfen in Deutschland, oder? Doch die Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-Experten schweigen. Einen einzigen mickrigen Treffer verzeichnet die Homepage der AfD. Frauke Petry sagte nämlich im vergangen Jahr "Einigung tut Not, besonders über Pfingsten." Da ging es allerdings um den Bahnstreik. Auch die AfD, selbsternannte Verteidigerin des Christentums, verbindet mit dem Hochfest vor allem ein langes Ferien- und Reisewochenende.
    Kein Aufsatz gegen die Angst vor der Islamisierung, nirgends. Pfingsten gehört nicht zu Deutschland.