Donnerstag, 25. April 2024

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Feiertage
"Halloween hat den Reformationstag abgelöst"

An diesem 31. Oktober lernen auch Luther-Kritiker den Reformator zu lieben, denn diesmal ist der Reformationstag ein freier Tag. Muss man fromm sein, um frei zu haben? Was ist mit einem muslimischen Feiertag? Der Theologe Julian Sengelmann hat sich darüber Gedanken gemacht.

Julian Sengelmann im Gespräch mit Christiane Florin | 27.10.2017
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    "Halloween hat den Reformationstag bei den jungen Leuten, auch bei den Konfirmanden, abgelöst", sagte der Theologe Julian Sengelmann im Dlf. (picture alliance / dpa / Chinafotopress)
    Der Journalist und evangelische Theologe Julian Sengelmann hat ein Buch über Feiertage geschrieben. Auch deshalb, weil der Hintergrund vieler christlicher Feste nicht mehr bekannt ist.
    Er sagt: "Feiertage funktionieren auf drei Ebenen: als religiöse Feiertage, wie sie ursprünglich angesetzt waren; dann mit einer neuen Bedeutungszuschreibung, die sich in einer säkularisierten Welt ergeben hat. Und schließlich gesellschaftlich übergreifend durch eine Rhythmisierung des Alltags, durch das Setzen von Zäsuren."
    "Erfolgreich" seien Feiertage, wenn sie einen komplett anderen Brauch adaptiert haben - etwa Christi Himmelfahrt als Vatertag. "Und erfolgreich sind die, zu denen es biblische Geschichten gibt, die noch fast jeder kennt", sagt er. Der Reformationstag werde zwar in diesem Jahr besonders groß gefeiert, aber: "Halloween hat den Reformationstag bei den jungen Leuten, auch bei den Konfirmanden, abgelöst. Immerhin werden Luther-Bonbons verteilt."
    Katholiken neigen zur Heldinnenverehrung
    Noch gebe es deutliche Unterschiede zwischen katholischen und evangelischen Feiertagen. Die Katholiken neigten zur "Heldenverehrung" und, im Falle der Marienfeste, zur Heldinnenverehrung. Den Protestanten sei das fremd. Eine übertriebene Luther-Fixierung bestritt der Journalist. Luther sei eben das "Wappentier" des Jubiläums, mehr nicht.
    Das Sorgenkind, der große Unbekannte, unter den Feiertagen sei Pfingsten. "Das ist schwer zu greifen, da gibt es keine Identifikationsgeschichte wie an Weihnachten. Die beliebte Erklärung, Pfingsten sei der Geburtstag der Kirche, ist nur halbrichtig."
    Muss man fromm sein um frei zu haben oder wenigstens religiös gebildet sein, um richtig zu feiern? Nein, sagt Julian Sengelmann. "Die Freiheit besteht darin, zu sagen: Ich deute diesen freien Tag, wie ich das möchte."
    Zur Frage nach einem muslimischen Feiertag, die Thomas de Maizière kürzlich aufgeworfen hatte, sagte der Theologe: "Ich finde, das ist eine schöne Idee. Wir sind eine plurale Gesellschaft. Das kann eine Chance sein, um einander besser zu verstehen." Allerdings stecke ein Denkfehler darin. Die Entscheidung über Feiertage ist Ländersache, es gibt in mehrheitlich katholischen Bundesländern zusätzliche katholische Feiertage wie etwa Drei Könige oder Mariä Himmefahrt. Aber es gibt eben kein mehrheitlich muslimisches Bundesland. Insofern müsse ein muslimischer Feiertag anders begründet werden als ein evangelischer oder katholischer.
    Julian Sengelmann: Feiertag! Rowohlt. 240 Seiten, 10.99 Euro.
    Der Sänger und Schauspieler Julian Sengelmann steht am 05.06.2014 vor der Kirche St. Johannis-Harvestehude in Hamburg
    Theologe, Sänger und Schauspieler Julian Sengelmann (dpa / Christian Charisius)