Freitag, 19. April 2024

Archiv


Feinstaub-Alarm

Feinstaub macht krank, Feinstaub kann gar zum Tod führen. Die neuen Erkenntnisse über mikroskopisch kleine Killer-Partikel kamen wie ein Schock. Dennoch reagierten alle zu spät: Der Bund, die Länder, die Automobilindustrie. Auf Druck der EU kommt nun allmählich Bewegung auf - aber können EU-Grenzwerte und Rußfilter die Gefahr überhaupt eindämmen?

Von Daniel Blum | 11.04.2005
    Winzig kleine Killer. Mikroskopische Tötungsmaschinen. Unsichtbar: Du kannst sie nicht sehen, du kannst sie nicht hören, du kannst sie nicht riechen. Ohne zu wissen, atmest du sie ein. Dann dringen sie in deinen Körper, kriechen in deine Lunge, in dein Herz. Und bringen dir den Tod.

    Feinstaub macht Angst. Und sorgt auf dem Schlagzeilenmarkt für gute Geschäfte. Dabei gibt es die krankmachenden Staubteilchen schon seit Menschengedenken in der Atmosphäre.

    Blütenpollen, Abrieb von Steinen und Erde, Ruß von Waldbränden, herbei gewehter Wüstensand: All das bezeichnen Wissenschaftler als Feinstaub. Seit der Industrialisierung kommen weitere Flugteilchen dazu: aus den Schornsteinen der Fabriken, Kraftwerke und Heizungsanlagen. Die Belastung ist gewachsen, insbesondere in den großen Städten.

    In Deutschland haben die Gemeinden mittlerweile ein Netz von Messstellen über das ganze Bundesgebiet gespannt. Ihr Ergebnis: Insbesondere in den Ballungsräumen kommt zur Feinstaubbelastung aus der Industrie und der Natur eine weitere Belastung hinzu - der Straßenverkehr, wie Werner Reh vom Bund Umwelt und Naturschutz, B.U.N.D., erläutert:

    "wir gehen davon aus, dass an üblichen innerstädtischen Messstellen der Straßenverkehr die Emissionen eben aus den Motoren, dem Abrieb, der da besteht von Reifen oder der Straße, auch von Bremsen durchaus kommen Feinstäube, dass das etwa die Hälfte der Belastung ausmacht."

    Seit langem laufen Umweltschützer Sturm gegen die Blechlawine, die sich Tag für Tag durch die Straßen der Innenstädte wälzt. Bislang ohne großen Erfolg: Den Autofahrern war das eigene Hemd stets näher als die Jacke der Anwohner. Und die Politik traute sich nicht, den Wählern ins Lenkrad zu greifen. Das heiligste Freiheitssymbol der Deutschen ist offenbar nicht das Brandenburger Tor, der Reichstag oder die Frankfurter Paulskirche - sondern das eigene Auto. Für das es gefälligst kein Tempolimit, keine rote Ampel und kein Anwohnerparken geben darf. Eine Ideologie, die jetzt brüchig erscheint: Die Europäische Union hat den deutschen Autofahrern klargemacht, dass sie im Straßenverkehr nicht nur die Umwelt schädigen, sondern auch ihre eigene Gesundheit.

    65.000 Bundesbürgern kostet der Feinstaub Jahr für Jahr das Leben, sagt eine Studie der EU, vor allem durch Herzinfarkt und Krebs. Allerdings ist dies nur eine Schätzung, zwar eine fundierte, aber letztlich bloß eine statistische Annahme. Ein Problem, das für alle vergleichbaren Untersuchungen gilt, wie sehr Industrie und Straßenverkehr die Gesundheit der Menschen schädigen. Gifte und Gase, Strahlenbelastung und Staub lösen in der Regel so genannte unspezifische Krankheiten aus. Das heißt: Es ist nicht eine einzelne Substanz, die ein Herz stehen bleiben oder einen Tumor wuchern lässt. Sondern ein Bündel von Umwelteinflüssen, Lebensumständen und genetischen Vorbelastungen, das eines Tages so schwer wird, dass der Mensch es nicht mehr schultern kann - und krank wird. Studien wie die Feinstaub-Untersuchung der Europäischen Union schätzen, wie viele zusätzliche Tote ein bestimmtes Gesundheitsrisiko mutmaßlich bewirkt.

    65.000 Feinstaub-Tote jährlich: Damit ist die Bundesrepublik Europas Rekordhalter. Dabei ist die Staubbelastung in Deutschland in den vergangenen Jahren sogar deutlich gesunken.

    Die Abluft der Fabriken wird so aufwändig gereinigt wie noch nie in der Industriegeschichte, dazu kommen die Werksschließungen in Ostdeutschland. Aber: Die Bundesrepublik ist weiterhin das bevölkerungsreichste Land in der Union und eines der am weitesten industrialisierten dazu. In absoluten Zahlen muss die Zahl der Feinstaub-Toten hierzulande einfach am höchsten sein.

    Doch nicht zuletzt ist es eine deutsche Automode, die die Feinstaub-Toten auf europäischen Rekordstand katapultiert: der Diesel.

    Die Diesel-Abgase enthalten Partikel, die besonders klein sind. Und beim Feinstaub gilt: Je winziger, desto gefährlicher, wie Axel Friedrich vom Umweltbundesamt erklärt:

    "Wenn wir von Feinpartikeln reden, dann wird in der Regel eine Größe von 10 Mikrometer angesprochen. Dieselpartikel sind aber in der Regel 0,1 Mikrometer groß. Das heißt: sie sind viel, viel kleiner als die anderen Partikel. Und sie können deswegen sehr tief in die Lunge eindringen. Und gehen vor allem aus der Lunge auch in das Blut über. Und führen dann zu Herzkreislauferkrankungen."

    1999 war noch jeder vierte Pkw, der in Deutschland neu zugelassen wurde, ein Diesel. Heute ist es bereits fast jeder zweite. Der Grund: Diesel-Pkw sind im Unterhalt für Vielfahrer preiswerter.

    Zwar zahlt der Fahrzeugbesitzer eine etwas höhere Kfz-Steuer, kompensiert wird dies aber durch eine deutlich niedrigere Mineralölsteuer. 47 Cent pro Liter im Vergleich zu 66 Cent bei einem Benziner. Zudem schlucken Dieselfahrzeuge weniger Treibstoff, weswegen sie vielen Käufern nicht nur als sparsam gelten, sondern auch als umweltfreundlich.

    Das Öko-Image hat spätestens mit dem Feinstaub-Skandal Schmutzflecken bekommen. Allerdings stößt ein Diesel auch ansonsten weitaus mehr Schadstoffe aus als ein herkömmlicher Pkw mit Katalysator. Dabei ließe sich der Feinstaub ganz leicht aus den Dieselabgasen entfernen – mit einem Filter. Beim Kampf gegen die Staubpartikel müsse man bei den Dieselfahrzeugen anfangen, verlangt der Verkehrsdezernent beim Deutschen Städtetag, Folkert Kiepe, und beruft sich auf das Verursacherprinzip:

    "Und das heißt, zunächst mal darf man die Fahrzeuge, die als Hauptemittenten erkannt sind, und das weiß ja jeder, dass es die Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter sind, insbesondere die Lkws, die darf man gar nicht mehr in den Verkehr lassen."

    Neue Dieselfahrzeuge sollten nur noch mit Filter verkauft, alle alten Wagen schnellstmöglich nachgerüstet werden – so die fast einhellige Meinung aller Politiker und Behördenvertreter in diesen Tagen. Doch über den Weg zum einvernehmlichen Ziel herrscht Streit. Und auch in der Frage, warum der Staat nicht schon viel früher den Einbau von Filtern gefördert hat, sind sich dessen Vertreter nur in einem Punkt einig: Schuld sind immer die anderen. Doch nicht nur die Politik, auch die Automobilhersteller stehen am Pranger. Deutliche Worte findet der ADAC. Michael Niedermeier, Umweltexperte bei Deutschlands größtem Verkehrsklub:

    "Ich erwarte von allen Fahrzeugherstellern, dass sie rasch Fahrzeuge mit Partikelfiltern anbieten, sowohl bei den kleinen als auch bei den großen Fahrzeugen, und zwar ohne Aufpreis und möglichst schnell."

    Unbestritten ist, dass Rußfilter über neunzig Prozent der Feinstaubpartikel aus den Abgasen herausfischen. In einer seltenen Koalition üben die Umweltverbände und der ADAC seit zehn Jahren Druck aus auf die deutsche Industrie, ihre Diesel mit Filter auf den Markt zu bringen - vergeblich. Bis heute sind es nur wenige Fahrzeuge, die das Werk mit eingebautem Staubfänger verlassen, und für den müssen die Verbraucher beim Händler dann in der Regel noch einen Aufpreis zahlen. Noch heute spielt die deutsche Automobilindustrie das Problem herunter und bemüht dafür eine Statistik des Bundesumweltministeriums:

    Nur siebzehn Prozent des Feinstaubs in Deutschland stammen überhaupt aus dem Straßenverkehr, so die offiziellen Daten. Diese Zahl wird derzeit häufig zitiert – meist aber ohne einen wichtigen Hinweis. Die siebzehn Prozent beziehen sich auf das Gewicht aller freigesetzten Feinstaubteilchen, nicht auf ihre Zahl. Die Dieselrußpartikel sind aber gerade deswegen so gefährlich, weil sie zu den kleinsten, leichtesten dieser Staubteilchen gehören. Gerade weil sie so wenig Masse haben, können sie so tief in den menschlichen Körper eindringen und ihn schädigen.

    Die deutsche Automobilindustrie solle endlich standardmäßig Dieselfahrzeuge nur noch mit Rußfilter anbieten, verlangt Folkert Kiepe vom Deutschen Städtetag – ausländische Hersteller zeigten ja längst, dass das geht:

    "Die Technik ist da, in Frankreich kenne ich überhaupt keinen Fahrzeugproduzenten von Dieselfahrzeugen, der nicht automatisch und ohne Aufpreis diese Filtertechnik mitliefert. Und das muss sich die deutsche Industrie ja auch noch mal fragen, ob sie den Konkurrenten aus dem Nachbarstaat Frankreich den Dieselmarkt überlassen wollen."

    Diesel der Marken Peugeot und Citroën werden schon seit langem nur noch mit Filter verkauft, ohne Aufpreis. Deutsche und französische Hersteller haben unterschiedliche Strategien verfolgt im Konkurrenzkampf um das frischere Öko-Image. Die Deutschen haben Technologien entwickelt, die Schadstoffe der Dieselabgase pauschal zu senken, nach dem Rasenmäherprinzip: von allem etwas weniger. Die Franzosen dagegen haben sich auf den Ruß konzentriert. Weil er besonders gesundheitsgefährlich ist – aber auch, weil das schwarze Pulver ein populäres Symbol für Dreck und Schmutz ist.

    Die Deutschen wollten ihre Produkte im knallharten Preiskampf auf dem Automobilmarkt durch den Einbau einer zusätzlichen Komponente nicht noch teurer machen. Axel Friedrich vom Umweltbundesamt attestiert den Franzosen, cleverer kalkuliert zu haben:

    "Sie haben hier ihr Image verbessert und vor allem mehr Fahrzeuge verkauft. Weil die Menschen möchten an sich Fahrzeuge mit Rußfilter. Die deutsche Industrie hat dieses Problem lange unterschätzt. Erst jetzt haben sie verstanden, dass sie hier ihren Kunden auch die Fahrzeuge liefern müssen, die die haben wollen -. das heißt: ein Fahrzeug mit Rußfilter."

    Unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Politik will die deutsche Automobilindustrie jetzt für alle alten Dieselfahrzeuge die Nachrüstung mit Filtern anbieten und für alle Neufahrzeuge die Option, sich schon vom Werk ab einen Filter einbauen zu lassen. Doch von heute auf morgen geht das jetzt nicht: Denn so viele Filter können die Zulieferer auf einmal gar nicht produzieren, als dass sie den Rückstand in wenigen Monaten aufholen könnten. - Dass indes in Deutschland Industrie und Politik endlich, wenn auch verspätet, handeln, ist der Europäischen Union zu verdanken.

    Seit Beginn dieses Jahres gilt eine neue EU-Richtlinie, die der Belastung mit Feinstaub fixe Grenzwerte setzt. Die Bürger der Europäischen Union haben jetzt ein einklagbares Recht auf saubere Atemluft. In einem Kubikmeter Luft dürfen nicht mehr als fünfzig Mikrogramm Feinstaub sein. Überschreitet die Belastung diesen Grenzwert, passiert erst einmal nichts. Aber spätestens beim 35. Kalendertag eines Jahres, an dem die Luft zu dreckig ist, muss der Staat eingreifen und dafür sorgen, dass die Werte wieder sinken.

    Wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen haben die Politiker in den letzten Wochen darauf reagiert, dass mit Stuttgart und München die beiden ersten deutschen Städte über die 35-Tages-Marke gerutscht sind. Plötzlich regierte blanker Aktionismus. Quer durch die Parteien warfen Umweltpolitiker immer neue Vorschläge auf den Tisch, mit welchen Einzelmaßnahmen dem Feinstaubgespenst der Garaus gemacht werden könnte. Dabei kam die EU-Richtlinie alles andere als unangekündigt.

    Bereits 1999 hatte die Europäische Union ihre Richtlinie beschlossen, aber noch nicht in Kraft gesetzt - im Prinzip lief der Countdown also seit sechs Jahren. 2002 haben Bundestag und Bundesrat das deutsche Immissionsschutzgesetz geändert, um die Grenzwerte pflichtgemäß im nationalen Recht zu verankern. Zum 1. Januar 2005 wurde die EU-Richtlinie letztlich endgültig wirksam.

    Dass Deutschland auf das Überschreiten der Grenzwerte dennoch unvorbereitet erscheint, dafür macht die Opposition in Berlin Rotgrün verantwortlich. Dazu Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion:

    "Die Bundesregierung hat es offenbar versäumt, im Hinblick auf das Inkrafttreten der EU-Richtlinie bei der Industrie die Serienausstattung mit Rußfiltern für Dieselfahrzeuge anzumahnen, durchzusetzen. Und vor allem hat sie, obwohl bereits 2004 angekündigt, versäumt, pünktlich zum 1. Januar 2005 eine nachhaltige steuerliche Förderung der Einführung von Rußfiltern durchsetzen."

    Der deutsche Staat soll die Diesel-Fahrer mit Prämien ködern – so steht es im Gesetzentwurf des Bundesumweltministers. Trittin möchte den Einbau eines Filters bei Neuwagen vorerst mit 350 Euro fördern, das entspricht etwa der Hälfte der Kosten. Wer seinen alten Wagen nachrüstet, soll immerhin noch 250 Euro bekommen. Im Prinzip unterstützen die Länder diesen Vorschlag des Bundes – über die Details indes zankt man sich.

    Trittin möchte die Prämien indirekt auszahlen: Wer einen Filter einbaut, soll zur Belohnung einmalig weniger Kfz-Steuer entrichten. Den Ländern passt das gar nicht, denn sie kassieren die Einnahmen aus diesem Steuertopf. Ihr Vorwurf: Trittin und seine Kabinettskollegen wollten sich als Umweltengel feiern, die Länder sollten das Fest indes spendieren. Die Bundesregierung kontert, nach dem Dieselboom der vergangenen Jahre sei ihr Vorschlag doch nicht mehr als gerecht, schließlich hätten die Länder davon profitiert. Denn für Dieselfahrzeuge fällt mehr Kfz-Steuer an als für Benziner, dafür allerdings eine geringere Mineralölsteuer, die dem Bund zusteht. Was heißt, der Dieselboom hat den Ländern Geld gegeben und dem Bund genommen. Dass die Länder jetzt für die Filter-Prämien aufkommen sollen, sei, so die Bundesregierung, ein fairer Ausgleich.

    Der Streit zwischen Bund und Ländern bremst die Prämienvergabe für die Filter aus. Folkert Kiepe vom Deutschen Städtetag findet den Streit völlig überflüssig:

    "Das ist für mich überhaupt nicht einsichtig. / Man könnte die Differenzierung nämlich so machen, dass es auf null insgesamt im Volumen hinausläuft. Indem die Altfahrzeuge mehr zahlen und die Inhaber von Neufahrzeugen entlastet werden, so dass es unterm Strich dasselbe ist."

    Genau diesen Vorschlag einer so genannten aufkommensneutralen Förderung haben sich die Verkehrsminister der Länder jetzt zu eigen gemacht – und setzen damit Bundesfinanzminister Eichel gewaltig unter Druck. Denn bei dem liegt der fertige Gesetzentwurf seines Kabinettskollegen Trittin schon geraume Zeit in der Ablage. Eichel muss ihm den Feinschliff verpassen und ihn dem Gesetzgeber präsentieren. Aber der Finanzminister spielt auf Zeit. In Nordrhein-Westfalen stehen Landtagswahlen an, und die SPD traut sich nicht, Besitzern von Dieseln ohne Filter mit einer höheren Kfz-Steuer zu drohen. Das ewige Hin und Her zwischen Bund und Ländern bremst den Kampf gegen den Feinstaub aus.

    "Es ist ein Frust, der jetzt zusätzlich unter den Fachleuten, erst natürlich in der Bevölkerung entsteht. Da sollte sich die große Politik auch mal fragen, ob man sich das auf Dauer erlauben kann."

    Selbst die deutschen Automobilhersteller, lange Jahre Gegner des Rußfilters, wünschen sich mittlerweile, dass die Politik den Verbrauchern möglichst schnell Prämien für die Filter zahlt. Denn das Dieselgeschäft leidet unter der Unsicherheit, wie Axel Friedrich vom Umweltbundesamt beobachtet:

    "Wir hören aus der Industrie, dass die Neuwagenkäufer hier Zurückhaltung zeigen und ganz klar warten, bis ein Fahrzeug mit Rußfilter angeboten wird. Wir wissen auch, dass Kunden überlegen, eine andere Marke zu kaufen, wenn ihre eigene Marke kein Rußfilterfahrzeug anbietet."

    In einem anderen Punkt sind sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern mittlerweile einig geworden: Ab 2006 sollen Lkw ohne Filter eine höhere Autobahnmaut zahlen müssen, Lkw mit Filter im Gegenzug wahrscheinlich weniger. Eine aufkommensneutrale Regelung also – politisch möglich, weil es weniger Lkw- als Pkw-Fahrer gibt und somit weniger Wähler verärgert werden könnten. Dass die Politik im Feinstaubstreit den Weg des geringsten Widerstandes geht, zeigt sich auch in der neuen Debatte um Fahrverbote in den Innenstädten.

    In mehreren Großstädten haben Bürger, die an besonders mit Feinstaub belasteten Straßen wohnen, gegen ihr Bundesland geklagt oder dies angekündigt. Sie verlangen, dass in den Ballungsgebieten Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um den Grenzwert der EU-Richtlinie einzuhalten. Mehrere Kommunen planen deshalb, einzelne Hauptverkehrsstraßen für Lkw ohne Rußfilter phasenweise ganz zu sperren - Lkw stoßen im Vergleich zu Pkw besonders viel Ruß aus. Eine Maßnahme, von der Michael Niedermeier vom ADAC gar nichts hält:

    "Eine Straße zu sperren bringt natürlich überhaupt nichts. Das führt dazu, dass die Fahrzeuge woanders fahren. Das verringert die Emissionen nicht, das verlagert sie nur, am Ende noch in Wohngebiete, wo man sie überhaupt nicht brauchen kann."

    Wenn der Grenzwert knapp eingehalten wird, heißt das noch lange nicht, dass niemand mehr durch den Feinstaub geschädigt wird.

    Die Menschen werden nicht erst dann krank, wenn die Feinstaubbelastung die Schwelle überschreitet, sondern auch schon früher. Die Zahl der Erkrankten steigt mit wachsender Belastung linear, gleichmäßig an. Der politisch gesetzte Grenzwert hätte auch höher oder niedriger ausfallen können; Er beziffert letztlich, wie viel dem politischen Apparat die Gesundheit der Bürger in Abwägung zu den Interessen der Autolobby Wert ist.

    Sperren Kommunalpolitiker eine einzelne Hauptverkehrsstraße ab, verteilt sich der Verkehr lediglich gleichmäßiger über die Stadt. Einzelne Bürger werden gesünder, andere krank. Der Grenzwert, so die Hoffnung der Stadtherren, wird aber eingehalten, das Problem ist erst einmal vom Tisch. Sinn macht eine Verkehrssperrung nur dann, wenn sie weiträumig ist, wenn die Bürger einen echten Anreiz haben, Rußfilter einzubauen oder alternativ Busse und Bahnen zu benutzen. Zu befürchten ist indes, dass dies nicht geschehen wird: Haben die Kommunalpolitiker den Brüsseler Grenzwert auf dem Papier erfüllt, wird ihr Ehrgeiz wohl erst einmal gestillt sein – ob nun die Feinstaub-Gefahr tatsächlich gebannt ist oder nicht.