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Feinstaubbelastung in Städten
Smarte Bäume sollen Luft reinigen

Wenn es immer wärmer wird in Deutschland, schadet das vielen Baumarten: Linden, Buchen oder Eichen kommen mit dem Klima nicht mehr klar. Allerdings arbeiten Experten längst an Alternativen. In Berlin hat ein Startup-Unternehmen einen künstlichen Baum vorgestellt.

Von Dieter Nürnberger | 12.03.2020
Luft-Messstation des Landesamt für Natur Umwelt und Verbraucherschutz NRW, an der Kardinal-Gahlen Straße in Duisburg
Luft-Messstation des Landesamt für Natur Umwelt und Verbraucherschutz NRW, an der Kardinal-Gahlen Straße in Duisburg (imago stock&people / Jochen Tack)
Den künstlichen Baum sollte man sich bildlich nicht wie einen natürlichen vorstellen. Auch wenn das Objekt "Citytree" genannt wird. Es geht vielmehr um eine Art Stadtmöbel - in etwa so groß wie eine traditionelle Litfaßsäule. Allerdings nicht rund, sondern eckig. Im unteren Bereich gibt es eine Plattform, auch zum Sitzen geeignet, und im oberen Teil sind äußerlich Holzpanelen zu sehen - und dahinter Moos.
Und genau auf diese Bauweise kommt es an, sagt Peter Sänger, er ist Mitbegründer des Startups Green City Solutions. Hier wurde der Citytree entwickelt.
"Der Citytree ist ein Holzkorpus, indem Moose wachsen. Und diese Moose werden aktiv mit feinstaubbelasteter Luft durchlüftet. Dadurch wird die Luft gereinigt. Diese Moose haben die Fähigkeiten, diese Feinstäube anzulagern und in unschädliche Biomasse umzuwandeln. Das machen Moose seit Jahrmillionen, weil das von Natur aus so gegeben ist. Und wir wollen diesen Effekt für die Menschen in einer Stadt nutzbar machen."
Testprojekte zeigen die Schwierigkeiten
Die Idee ist nicht gänzlich neu, das Unternehmen hat schon vor über sieben mit der Entwicklung begonnen. Und in einigen Städten in Deutschland und Europa gab es auch schon Pilotprojekte mit dieser Moosbepflanzung. Allerdings waren die Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht per se positiv: In Amsterdam beispielsweise überlebte ein Viertel der Bepflanzungen nicht. Anderenorts färbten sich die Moose bräunlich-gelb, einige vertrockneten.
Verbaut sind auch Sensoren, die Umwelt- und auch Klimadaten sammeln und so zu einer optimalen Versorgung mit Wasser beitragen sollen. Der Citytree braucht somit Strom und über Schlauchanschlüsse ist die Wasser- und Abwasserregulierung gewährleistet. In direkter Nähe zur Berliner Gedächtniskirche wurde heute die neue Generation vorgestellt.
Zusatz zu natürlicher Bepflanzung
Die Probleme der Vergangenheit seien nun besser gelöst, sagt Green City Solutions. Das Unternehmen wurde für diese Idee mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise auch im Rahmen der Initiative "Deutschland - Land der Ideen". Auch von der EU gibt es Fördergelder. Nora Hesse von der EU-Kommission spricht von einer sinnvollen Idee:
"Es ist ja oft so, dass in der Innenstadt die Luft besonders schmutzig ist. Etwa an Kreuzungen durch Abgase. Und oft fehlt der Raum für Grünflächen und Bäume, die natürlicherweise auch zur Luftreinigung beitragen. Wir sehen deshalb den Citytree als einen Zusatz, um Luft- und auch Lebensqualität in einer Stadt zu verbessern."
Allerdings betont die EU-Expertin den Gleichklang - diese High-Tech-Bepflanzungen könnten helfen, für ein besseres Stadtklima zu sorgen, aber die Bepflanzung mit natürlichen Bäumen gehöre ebenso und weiterhin dazu. Ähnlich äußerte sich heute ein Experte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
80 Prozent des Feinstaubs in direkter Umgebung gebunden
Doch wie hoch ist jetzt die Filterleistung eines solchen Citytree? Peter Sänger von Green City Solutions macht folgende Rechnung auf:
"Im Januar wurden die finalen Messungen abgeschlossen. Und wir wissen jetzt genau, wieviel können wir damit filtern und was macht das dann mit der Umgebungsluft. Es sind bis zu 82 Prozent des Feinstaubs über die Größen- und Fraktionsklassen. Das passiert in einem Umfang von bis zu fünf Metern um die Anlage herum. Das können wir nun wissenschaftlich nachweisen - ein enormer Schritt."
Experten werden dies sicherlich weiter kontrollieren. Und noch ein Wort zum Preis: Ab 39.000 Euro geht so ein Citytree los, das ist viel Geld. Zum Vergleich: Für die Pflanzung und betreute Aufzucht eines gewöhnlichen und natürlichen Straßenbaums muss mit Kosten von lediglich rund 1.000 Euro gerechnet werden.