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Feminismus und Freiheit in der Kunst
Für Ambivalenz trotz #MeToo

Jutta Koether machte sich schon in den 80er Jahren einen Namen als feministische Künstlerin. Heute wird sie in internationalen Museen gezeigt. Ihre Kunst ist der Versuch eines Gegenkanons zum männlich dominierten Diskurs. Die #MeToo-Debatte sei wichtig, ambivalente Kunst aber auch, sagte Jutta Koether im Dlf.

21.05.2018
    Jutta Koether, Ohne Titel, 1987, Öl auf Malkarton, 18 x 24 cm, Courtesy Galerie Buchholz, Köln/Berlin/New York
    Jutta Koether, Ohne Titel, 1987, Courtesy Galerie Buchholz, Köln/Berlin/New York (Galerie Buchholz Köln)
    "Ich habe immer versucht, etwas herzustellen, was anders ist", sagt Künstlerin Jutta Koether. "Ich arbeite aktiv daran, Strukturen, in denen Künstlerinnen arbeiten und aufwachsen, zu untersuchen - und die Probleme zu finden". Aktuell diskutiert sie mit Studentinnen in einem Crossschool-Seminar über die #MeToo-Debatte. Auch ihr Engagement als Professorin an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg sieht sie als Gegenarbeit "zum männlich besetzten Autoritätsmodell". Ihre eigene Studienzeit sei von männlichen Künstlerstereotypen geprägt gewesen, dem wollte sie etwas entgegensetzen.
    "Man sollte jetzt nicht alles bereinigen"
    Von Kurzschlussreaktionen in den Museen hält sie allerdings nichts. So spricht sie sich dagegen aus, dass umstrittene Werke von Künstlern wie Chuck Close oder Balthus aus den Museen entfernt werden. Sie schätze den Wert von ambivalenter und problematischer Kunst und arbeite selbst in diesem Bereich. "Man sollte jetzt nicht alles bereinigen", so Koether. Die Verantwortung eines Künstlers könne immer nur innerhalb des eigenen Kulturkreises und der jeweiligen Zeit gelten. "Was das woanders irgendwann mal produzieren könnte, kann ich nicht mitdenken", sagt Koether. Zuspitzungen und emotionale Provokation seien für ihre Kunst unabdingbar.
    Das "Nicht-Aufgehen" wird bei ihr zum Prinzip
    So reproduzierte sie in den 80er Jahren Gemälde von Van Gogh oder Courbets "L’Origine du monde" in knalligem Rot. Später kombinierte sie ganz unterschiedliche Stile, Techniken, Materialien und Themen der Kunstgeschichte von Piero della Francesca über Jackson Pollock bis hin zu Cy Twombly, den sie in der Ausstellung "Tour de Madame" im Museum Brandhorst in München (18.5.-21.10.) zitiert. Koether bezeichnet das als ein "Surfen durch die Kulturgeschichte", als ein "Suchen und Wandern". Ihre Methode vergleicht sie mit der von Schriftsteller William S. Burroughs oder Regisseur Jean-Luc Godard: "Eine offene Struktur, das Zusammenführen von Bild und Wort, eine fragmentierte Sprache, die gleichzeitig eine bestimmte Signatur hat." Das "Nicht-Aufgehen" wird bei ihr zum Prinzip.
    Die junge Generation hält alles für erklärbar
    Bei jungen Künstlern sieht Jutta Koether eine Sozialisierung im Zeichen der Digitalisierung: "Dass alles erklärbar ist, dass alles sinnvoll ist, dass alles aufgeht und man ein gutes Bild von sich abgeben kann", schildert sie diesen Glauben einer neuen Generation, die "Selbstdisziplinierung und -optimierung" auch in ihrer Wahrnehmung verinnerlicht habe.