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Ferber: Irland wird unter den Rettungsschirm schlüpfen müssen

Der bayerische Europa-Abgeordnete Markus Ferber rechnet damit, dass Dublin auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds zurückgreifen wird. Derzeit herrsche in Irland aber noch die Sorge, mit diesem Schritt die Haushaltssouveränität zu verlieren.

Markus Ferber im Gespräch mit Silvia Engels | 17.11.2010
    Silvia Engels: In der Nacht haben die Finanzminister, die der Euro-Gruppe angehören, offenbar hart gerungen, denn nach der Krise um Griechenland im Frühjahr droht nun die Zuspitzung der Verschuldung in Irland und auch mit Abstrichen in Portugal und Spanien. Eigentlich haben die Europäer für diesen Fall ja schon im Frühjahr einen Euro-Rettungsfonds ins Leben gerufen, Euro sollen als Garantien abgerufen werden. Nun könnte im Beispiel Irland der Schirm erstmals zum Einsatz kommen.

    Am Telefon ist nun Markus Ferber, er ist Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr Ferber.

    Markus Ferber: Einen schönen guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Irland will nicht unter den Rettungsschirm, wir haben es gerade noch mal gehört. Aber für wie wahrscheinlich halten Sie es dennoch, dass Irland diese Hilfen in Anspruch nehmen muss?

    Ferber: Wir haben ja in Irland eine Sondersituation: Wir haben hier keine Staatsverschuldungskrise wie in Griechenland, sondern wir haben eine extreme Bankenkrise und einen Staat, der sein Bankensystem massiv unterstützt hat, und in dem Maße, wie die Banken nicht in der Lage sein werden, gerettet zu werden und weiteren Kapitalbedarf haben, wird Irland auch unter den Rettungsschirm schlüpfen müssen.

    Engels: Sie halten es also für unausweichlich?

    Ferber: Ich halte es nicht für unausweichlich, aber für sehr, sehr wahrscheinlich.

    Engels: Herr Ferber, das "Wall Street Journal" berichtet heute darüber, die Finanzminister würden erwägen, Irland ein Hilfspaket im Umfang von 80 bis 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, unter Einschluss des IWF und Großbritanniens. Ist das ein Weg, der in Ihrem Sinne wäre?

    Ferber: Also es ist absolut notwendig, dass der IWF dabei ist, um das mal deutlich zu sagen, und das ist ja auch der Punkt, weswegen Irland so skeptisch ist. Irland will deswegen momentan ja nicht unter den Rettungsschirm, weil sie Sorge haben, ihre Haushaltssouveränität zu verlieren, wie das im Falle Griechenland ja schon durchexerziert wurde. Wenn der Internationale Währungsfonds in einem Land mal ist, dann wird hier massiv auch Einfluss genommen auf die Haushaltspolitik. Es sitzt die EZB mit dabei, die Europäische Kommission, und das ist genau der Grund, warum Irland sich zurzeit weigert, Mittel aus dem Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen: die Sorge, nicht mehr Herr im eigenen Haus zu sein.

    Engels: Würden Sie das denn begrüßen, dass Irland nicht mehr Herr im eigenen Haus ist, das heißt, dass jemand dort die Haushaltsführung in die Hand nimmt, der nicht in Dublin sitzt?

    Ferber: Wer unter den Rettungsschirm geht, akzeptiert auch die vereinbarten Spielregeln, und die vereinbarten Spielregeln heißen unter anderem, dass hier von außen massiv auch nicht nur Rat gegeben wird, sondern auch in die Haushaltssteuerung mit eingegriffen wird.

    Engels: Herr Ferber, Sie haben dazu schon im Vorfeld an Irland quasi Bedingungen gestellt, falls das Land den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nimmt, und zwar soll das Land dann die Körperschaftssteuern erhöhen. Das sind also die Steuern, die quasi der Einkommenssteuer für Unternehmen entsprechen. Was versprechen Sie sich davon?

    Ferber: Wir müssen ja feststellen, dass Irland mit die niedrigsten Körperschaftssteuern hat, die es in der Europäischen Union gibt. In Irland zahlen Körperschaften 12,5 Prozent Steuern. Das heißt, hier ist durchaus ein Potenzial vorhanden, wo auf der einen Seite Irland ja auch massiv Firmen aus anderen Ländern abgeworben hat mit diesen extrem niedrigen Steuersätzen, auf der anderen Seite aber auch noch ein Potenzial vorhanden ist nach oben, um die Einnahmesituation zu verbessern. Und ein Land, das in einem Jahr ein Drittel seiner Wirtschaftskraft neue Schulden aufnimmt, muss auch über Einnahmeverbesserungen nachdenken. Auch das war ja im Paket, das mit Griechenland geschnürt wurde.

    Engels: Nun hat aber die EU nicht das Recht, in das nationale Steuerrecht so genau hineinzuregieren, wie Sie das jetzt fordern. Wollen Sie Irland dieses Recht entziehen?

    Ferber: Nein, aber schauen Sie mal das Paket an, das für Griechenland geschnürt wurde. Griechenland musste die Mehrwertsteuer erhöhen, die Tabaksteuer erhöhen, die Alkoholsteuern erhöhen. Das war Bedingung, bevor auch entsprechende Hilfsmittel zur Sanierung des griechischen Staatshaushaltes geflossen sind. Und Ähnliches würde auch für Irland gelten, dass man hier Vorschläge macht und von Irland ein Paket erwartet, was es auch selber an Konsolidierungsbeitrag leisten will. Und ich darf noch mal darauf zurückkommen: Das ist genau der Punkt, warum Irland sich nach wie vor weigert, unter den Rettungsschirm zu gehen, weil sie wissen, dass dann ein solches Paket für Irland geschnürt werden wird.

    Engels: Nehmen wir an, dass Irland sich weiterhin weigert, Herr Ferber. Sollte dann die Hilfe der Euro-Gruppe verweigert werden?

    Ferber: Wer keine Hilfe will, der muss auch keine bekommen. Da bin ich ganz offen. Auf der anderen Seite muss Irland ja auch eine andere Frage beantworten. Das extrem hohe Staatsdefizit ist ja dadurch entstanden, dass der Staat permanent frisches Geld in den Bankensektor pumpt. Irland muss natürlich auch hier glaubhaft machen, ob der Bankensektor komplett überlebensfähig ist, oder ob hier nicht Gelder in Strukturen gepumpt wurden, die dauerhaft nicht sanierbar sind. Und ich sage hier auch ganz offen: Es kann ja nicht sein, dass bei uns zum Beispiel in Deutschland mit der West-LB von Seiten der Kommission extrem harte Auflagen gemacht werden bis jetzt zur kompletten Zerschlagung, weil öffentliche Gelder geflossen sind, und im irischen Bankensektor darf man munter Monat für Monat zweistellige Milliardenbeträge hineinpumpen. Auch das muss ja irgendwann mal bedacht werden, ob das alles noch zurückzahlbar ist und der Bankensektor dort überhaupt rettbar ist, und diese Frage muss sich Irland natürlich auch stellen, und wenn sie sie selber nicht stellen können, dann muss es von außen entsprechende Impulse geben.

    Engels: Stichwort "was bezahlbar ist". Nun sind neben Irland auch die Staaten, die Euro-Staaten Portugal und Spanien in Nöten. Was denken Sie, reicht dieser Euro-Rettungsschirm für diese Fälle auch noch?

    Ferber: Momentan ist der Euro-Rettungsschirm ja mit 750 Milliarden Euro dotiert und es ist noch kein einziger Cent daraus abgeflossen, weswegen ich mich an dieser Diskussion nicht beteilige, ob die Volumina ausreichen oder nicht. Jedes Land hat da seine Sonderprobleme.

    Momentan hat sowohl Spanien als auch Portugal sich auf den Kapitalmärkten refinanzieren können, Irland übrigens auch, sodass hier abzuwarten ist, mit welchen Beträgen überhaupt ein Schlüpfen unter den Schirm notwendig wird. Wenn sich die Finanzmärkte wieder beruhigen und stabilisieren, wenn also das, was aus der Euro-Gruppe an Signalen jetzt kam, was bis zum Ende des Jahres auch von Seiten der Staats- und Regierungschefs zu einem dauerhaften Rettungsschirm plus strengere Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen werden wird, stabilisierend auf die Finanzmärkte wirkt, kann es auch sein, dass Spanien und Portugal gar nicht den Rettungsschirm beanspruchen muss.

    Engels: Die Finanzmärkte sollen sich wieder stabilisieren, Sie haben es angesprochen. Was sagen Sie in dem Zusammenhang zu dem Vorwurf des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou, Deutschland habe durch die Ankündigung, dass künftig auch private Investoren bei Schuldenkrisen mithaften sollen, die Märkte erst so verunsichert, dass es sich jetzt so zugespitzt habe?

    Ferber: Zunächst muss man ja auch mal sagen, dass der Internationale Währungsfonds über den Instrumentenkasten eines Haircut, also einer Beteiligung aller Gläubiger bei einer Reduktion von Staatsschulden, verfügt. Das heißt, dieser Instrumentenkasten ist bekannt. Dass er innerhalb der Euro-Zone mal zur Anwendung kommen könnte, hat ja bisher sich keiner vorstellen können, und wir müssen natürlich das schon berücksichtigen, dass in den letzten Jahren für die emittierten Staatsanleihen hier kein Risikoaufschlag der Gestalt gegeben wurde, und das hat natürlich zu Nervosität auf den Märkten geführt. Aber ich sage auch ganz offen: Dieses Modell ist alternativlos. Es kann ja nicht sein, dass jemand, der im Euro ist, absolut geschützt ist gegen alle Widrigkeiten, die sich in einer Staatsfinanzierungskrise ergeben können, weil hier ein beliebiges Einstehen der Partner vorgesehen ist, und dass das für andere Länder nicht gilt.

    Ich denke, dass es richtig war, diesen Weg zu gehen, und deswegen muss auch Griechenland einfach mal feststellen: Niemand hat die Griechen gezwungen, so übermäßige Staatsschulden anzuhäufen. Wenn sie aber jetzt alleine nicht mehr in der Lage sind, diese Dinge zu bedienen, dann sind sie auf Hilfe von außen angewiesen und dann muss auch der gesamte Instrumentenkasten, der dem Internationalen Währungsfonds zur Verfügung steht, auch für solche Länder zur Verfügung stehen.

    Engels: Das heißt also, Herr Ferber, die von Frau Merkel angestrebte Insolvenzordnung für Staaten, die ja dann auch private Gläubiger künftig einschließen soll, das, denken Sie, ist eine umsetzbare und realistische Idee?

    Ferber: Es wird ja um Staatsanleihen gehen, bei denen auch bekannt ist, dass sie im Falle einer Zahlungsschwierigkeit eines Mitgliedsstaates mit herangezogen werden. Die bisherigen emittierten Staatsanleihen wird es nicht betreffen, um das auch mal ganz deutlich zu sagen. Das ist der Diskussionsstand, sodass die Finanzmärkte sehr, sehr nervös reagiert haben auf etwas, was noch verabredet werden wird und was für die zurzeit emittierten Staatsanleihen überhaupt nicht gilt.

    Engels: Aber dann hat möglicherweise auch Bundeskanzlerin Merkel ihre Entscheidung nicht recht kommuniziert, also ist sie vielleicht doch mit Schuld an der jetzigen Nervosität der Märkte?

    Ferber: Ich bin schon der Meinung, dass natürlich dieses Modell der Beteiligung privaten Kapitals oder privater Gläubiger bei einer Sanierung eines überschuldeten Staates zu Schwierigkeiten auf den Finanzmärkten gesorgt hat, weil die Finanzmärkte auch ausgetestet haben, was das jetzt wirklich bedeutet. Auf der anderen Seite habe ich schon bedauert, dass hier gerade der andere Teil, der unabdingbar dazu gehört, nämlich eine strikte Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, mit Frankreich leichtfertig aufgegeben wurde. Für mich und für uns hier auf europäischer Ebene waren das immer die kommunizierenden Röhren, es muss der präventive Arm deutlich gestärkt werden, damit Staaten gar nicht in so eine Schuldenfalle wieder rutschen können zukünftig, wenn es aber passiert, dass es dann auch einen Instrumentenkasten zur Sanierung gibt. Nur wenn beide Teile erfüllt sind, wird das auch von den Finanzmärkten akzeptiert, und das ist genau das Dilemma, in dem wir jetzt stecken: Über den einen Teil wird sehr intensiv diskutiert, der andere Teil liegt in irgendwelchen Arbeitsgruppen von Herrn van Rompuy und die Finanzmärkte wissen nicht, was auf sie zukommt, und das muss bis Ende des Jahres klar sein und gelöst sein, sodass hier auch Information den Märkten zur Verfügung steht.

    Engels: Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Wir sprachen mit ihm über die Euro-Krise speziell für Irland. Vielen Dank für das Gespräch.

    Ferber: Gerne, Frau Engels.
    CSU-Europagruppenchef Markus Ferber gibt vor Beginn eines Treffens der CSU-Spitze vor der CSU-Zentrale in München ein Statement zum parteiinternen Streit um die Europapolitik ab.
    Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament (picture alliance / dpa)