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Ferienlager in Halle
Israel aus einer anderen Perspektive kennenlernen

Die jüdische Gemeinde in Halle will mit einem Ferienlager für Kinder Vorurteile gegenüber Israel abbauen. Die Schüler sollen auf künstlerisch-kreative Art mehr über den Alltag und die Kultur des Landes erfahren, abseits der Themenbereiche Schoah oder Nahostkonflikt.

Von Christoph Richter | 04.02.2015
    Deutsch-israelische Freundschaft - hier bei einem Fußball-Länderspiel im Mai 2012 in Leipzig
    Das deutsch-israelische Verhältnis ist bestimmt vom Holocaust und dem Nahost-Konflikt. Die Kinder im Ferienlager sollen ein anderes Israel kennen lernen. (dpa / picture alliance / Jens Wolf)
    Noch klingt die Hava Nagila - das hebräische Volkslied schlechthin - etwas schief. Gesungen und getanzt wird es von etwa 30 Kindern zwischen 7 und 17 Jahren im Rahmen des Day Camps an der Jüdischen Gemeinde in Halle an der Saale. Organisiert wird es von Jewig e.V., einem jüdischen Fortbildungsverein. Diese Woche steht das 50-jährige Jubiläum diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel im Fokus.
    "Die älteren Kids haben die Geschichte der diplomatischen Beziehungen kennengelernt und ein Programm dazu gemacht. Dann sich ein bisschen auseinandergesetzt, welche Aspekte da jetzt mit hineinspielen. Sie haben heute darüber diskutiert, am Donnerstag werden sie eine Präsentation machen. Mit den ganz Kleinen haben wir erst mal darüber geredet, was diplomatische Beziehungen überhaupt sind."
    Man will zeigen, dass Deutschland nicht nur das Land der Nazis ist, Israel weit mehr ist, als nur ein Konfliktherd im Nahen Osten. Stattdessen gehe es um einen kindgerechten alltagsweltlichen Zugang. Also man redet viel über das normale Leben in Israel, welche Musik beispielsweise israelische Kinder hören, erzählt die 29-jährige Camp-Leiterin und studierte Pädagogin Katja Novominski.
    "Das ist das, was wir primär zeigen wollen. Wir haben sowohl das Thema Schoah als auch das Thema Konflikte komplett ausgeklammert. Nie geht es um die Menschen, nie geht es um die Kultur, nie um die Musik des Landes. Wir möchten andere Perspektiven schenken und zeigen."
    Ein westlich verfasster Staat
    Stattdessen will das Day Camp sichtbar machen, dass Israel ein normales demokratisches Land und westlich verfasster Staat ist. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland seien zwar etwas Besonderes, sollten sich aber nicht auf Auschwitz beschränken, so Novominski weiter. So pflegt doch heutzutage fast jede größere deutsche Stadt Partnerschaften mit israelischen Kommunen.
    "Uns ist wichtig mitzugeben, dass es eine gute Beziehung zwischen Israel und Deutschland geben kann, auch auf der ganz einfachen Ebene. Sodass die Kinder auch was damit anfangen können."
    Anders als in der Schule, wo schon neunjährige Kinder mit der politisch hochkomplexen Israelproblematik konfrontiert werden, wo viele Facetten der israelischen Wirklichkeit schlicht ausgeblendet würden, so die in Kiew geborene und seit 1996 in Deutschland lebende Katja Novominski.
    Ein wichtiges Lernziel des Day Camps sei es aber auch, sich über die eigene Identität klar zu werden. Die Kinder sollen auf spielerische Art und Weise erleben, was es bedeutet, jüdisch zu sein. Lässig nennt die 15-jährige Jessy das Programm, eine der Teilnehmerinnen des Camps.
    "Weil, ich finde das ist eine gute Möglichkeit, so seine Ferien zu verbringen. Man lernt viel Neues dazu. Und man hat halt viel Spaß mit seinen Freunden und wir haben ein cooles Programm. Man geht auch mal raus. Wir gehen beispielsweise heute ins Kino. Und das alles mit den Freunden, und lernt Gutes dazu, ohne dass es nervig wird, wie in der Schule."
    Vertrauen bilden und Vorurteile abbauen
    Man mache hier etwas, was die Schulen versäumen. Denn einen jüdischen Religionsunterricht, den gebe es hier nicht, kritisiert Max Privorozki. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Halle und des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt:
    "Die Kirchen haben einen Vorteil, da gibt es einen Religionsunterricht in den Schulen. Wo es über schulischen Unterricht Verbindung zur Religion gibt. Für Juden gibt es diese Chance im Land Sachsen-Anhalt nicht, obwohl wir mit dem Ministerium darüber gesprochen haben. Deswegen sind die Day Camps wichtig und wir bewerten die Kontakte zu den Kindern daher noch höher als eine Kirche."
    Übrigens kann jedes Kind aus Halle bei den Day Camps mitmachen und muss kein Mitglied in der Jüdischen Gemeinde sein. Das Ferienlager will Vertrauen bilden, Vorurteile abbauen. Und man wolle den Kindern zeigen, so die Veranstalter von Jewig e.V., dass das jüdische Israel - wenn man es mal außerhalb des Konflikt-Narrativs darstelle – auch ein mediterranes lebenslustiges Land ist, so wie es die Meisten eher von Italien, Spanien oder Griechenland kennen.
    "Das ist uns wichtig, dass es eben ein positives Bild ist. Israel ein Land mit netten Leuten, leckerem Essen und guter Musik. Ist so ein bisschen eine Gegendarstellung zu dem was man meistens in den Medien hören würde."