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Fernsehsignale aus dem All

In grauer Fernseh-Vorzeit war an die Übertragung von Live-Sendungen zwischen Europa und Amerika nicht zu denken. Es existierten nur ein paar unterseeische Telefonkabel zwischen den beiden Kontinenten. Das änderte sich mit dem ersten kommerziellen TV-Satelliten Telstar.

Von Hartmut Goege | 10.07.2007
    Am 10. Juli 1962 um 4.46 Uhr mitteleuropäischer Zeit erreichte Telstar von Cape Canaveral aus seine Umlaufbahn in knapp 5000 Kilometer Höhe. Mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde zog der nur 80 Kilogramm schwere erste zivile Kommunikationssatellit seine elliptischen Runden um die Erde. Bestückt mit 3600 Solarzellen und 19 aufladbaren Batterien sendete er einen Tag später sein erstes Signal an das Kontrollzentrum in Florida.

    Telstar war bereit. Zwei Wochen später gelang eine erste Live-Übertragung zwischen Frankreich und den USA, deren Qualität aus heutiger Sicht wie ein schlecht kopierter Videofilm wirkt. Freiheitsstatue, Niagarafälle, Elysée-Palast, als höflichen Austausch von Ansichtskarten kommentierte damals der "Spiegel" dieses technische Großereignis:

    "Der Meilenstein flog etwas eiernd um die Erde herum, hat 200 Millionen Mark gekostet und zwölf weitere Millionen ließ sich die amerikanische Armee für seinen möglichen Abschuss bezahlen. Egal. Telstar stieg über den Horizont. Verzeihlich, dass wir ein Baseballspiel sahen, während uns John F. Kennedy über Telstar anredete."

    Doch es gab auch gelungene Live-Reportagen. Eine der ersten Sendungen via Telstar von Europa in die USA war der Bericht eines amerikanischen Reporters von der gerade ein Jahr zuvor erbauten Berliner Mauer:

    "Dies ist natürlich die Berliner Sektorengrenze und die Mauer. Aber es ist nicht so natürlich, dass sie diese Berliner Mauer, diese kommunistische Sperrmauer heute zum ersten Male direkt zu sehen bekommen. So wie sie sich in diesem Moment, in dieser Nacht für uns darbietet. Es ist 1.35 Uhr früh in Berlin. Gegenwärtig bauen sie die Kommunisten aus zu einem schwer bewaffneten Grenzwall."

    Früher als erwartet jedoch kam das Aus. Nach nur sieben Monaten Einsatz im All wurde Telstar versehentlich durch starke Strahlungen zerstört. Der knapp 90 Zentimeter kleine kugelförmige TV-Satellit geriet in der heikelsten Phase des kalten Krieges in die Testzonen amerikanischer Atomwaffenübungen. Doch das satellitengestützte Kommunikationszeitalter konnte nicht mehr aufgehalten werden. Schließlich standen hinter dieser Technik mächtige kommerzielle Interessensverbände wie die amerikanische Telefongesellschaft AT&T, die NASA sowie die britischen und französischen Postministerien, die gemeinsam ein weltumspannendes Satelliten-Netz entwickeln wollten.

    Darüber hinaus machte ein simpler Ohrwurm Telstar weltweit noch populärer. Die bis dahin völlig unbekannte britische Band The Tornados ließ sich von den ersten Computersounds als quasi Synonym für Weltraum-Flair und von der frischen Popularität des Satelliten inspirieren: Monatelang stand ihr Instrumentalstück Telstar weltweit als Nummer Eins auf den Hitlisten.

    Ein knappes Jahr später, am 13. Mai 1963, startete Telstar Two in eine höhere Umlaufbahn. Hatte Telstar One wegen seiner geringen Höhe im Orbit nur Sende-Übertragungszeiten von höchstens zehn Minuten zugelassen, verdoppelten sie sich bei seinem Nachfolger. So war es nur noch ein kleiner Schritt zu den kühnen Ideen, die schon 1945 der britische Mathematiker, Zukunftsforscher und Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke in der Fachzeitschrift Wireless World veröffentlicht hatte:

    "Es muss möglich sein, eine Station ins All zu bringen, die die Kommunikation zwischen den Menschen vereinfacht und schneller macht. Dies könnte mit Hilfe von drei Satelliten auf geostationären Orbit-Positionen über dem Äquator geschehen."

    Mit den weltumspannenden Live-Übertragungen der Olympischen Spiele in Tokio 1964 waren Arthur Clarkes Visionen Wirklichkeit geworden. Heute befinden sich Hunderte von Kommunikationssatelliten im Orbit. Sie arbeiten wie Relaisstationen, empfangen Signale von einer Bodenstation, verstärken sie und senden diese solange an andere Satelliten weiter, bis sie ihre jeweilige Empfangsstation erreichen können.