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Festival della Valle d’Itria in Italien
Es werde Licht

Seit 1975 gibt es das Festival della Valle d'Itria in der Barockstadt Martina Franca. Bis heute werden vor allem vergessene Opern des 17. bis 19. Jahrhunderts gespielt. In diesem Jahr standen u. a. die Barockoper Griselda von Alessandro Scarlatti und eine szenische Version von Haydns Schöpfung auf dem Programm.

Von Elisabeth Richter | 26.07.2021
    Szene aus der "Schöpfung"
    Szene aus der "Schöpfung" (Festival della Valle d'Itria/ Clarissa Lapolla)
    "Es war der Wunsch da, ein Festival zu gestalten, das einen symbolischen Titel hat, der ein starkes Zeichen setzt. Gerade jetzt ist es mehr denn je nötig, dass wir unsere Existenz überdenken. Wie sehen unsere Beziehungen aus, zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen, zur Umwelt? Wer sind wir? Das sind brennende Fragen, die durch die Pandemie aufgeworfen wurden."
    Alberto Triola, der künstlerische Leiter des Festivals dell Valle d'Itria im apulischen Martina Franca, suchte in diesem Jahr nach Werken, die besonders stark den Sinn des Lebens und Grenzsituationen reflektieren. Er wurde fündig u. a. beim Oratorium "Die Schöpfung" von Joseph Haydn.

    Fabio Luisi dirigiert spritzig, differenziert und sensibel

    So markant setzt Joseph Haydn die berühmte Bibelstelle aus der Genesis musikalisch um: "Es werde Licht" – lateinisch FIAT LUX. Und so lautet auch das Motto des "Itria-Tal-Festivals".
    Haydns "Schöpfung" wurde in einer szenischen Version geboten. Dabei dirigierte der musikalische Direktor in Martina Franca Fabio Luisi ungeheuer spritzig, differenziert und sensibel das "Orchestra del Teatro Petruzzelli" aus Bari.
    "Das Stück hat eine innere Dramaturgie, wo etwas passiert, es eine Zeitlinie, daher ist es naheliegend, dass man es szenisch realisiert, ich finde es nicht schlecht, vor allem hier in Italien, wo dieses Werk so selten aufgeführt wird, dass wir das nicht nur auf italienisch machen, sondern eben auch szenisch um es den Leuten ein bisschen besser, leichter und zugänglicher zu präsentieren."
    Szene aus der "Schöpfung"
    Szene aus der "Schöpfung" (Festival della Valle d'Itria/ Clarissa Lapolla)

    Mal Baumeister, mal Bildhauer, mal Schriftsteller oder Wissenschaftler

    Ein riesiges schwarzes, überlebensgroßes Ei steht in der Mitte der Bühne. Es sieht edel aus, die Schale zeigt Sprünge, die wie Verzierungen wirken, es erinnert ein wenig an Fabergé-Eier. Alles ist schwarz drum herum, auf dem Boden, unter schwarzen Tüchern beginnt sich Leben zu regen. Es könnte Gewürm sein, das sich dann aber als eine Tanztruppe entpuppt. Später zerspringt das Ei. Die acht Tänzer der Gruppe "Fattoria Vittadini" aus Mailand haben schon in vielen Produktionen des Festivals della Valle d'Itria mitgewirkt. Auch in Haydns "Schöpfung" kommentieren sie die Geschichte ausgesprochen kreativ. Regisseur Fabio Ceresa und Choreograph Mattia Agatiello lassen sie zum Beispiel menschliche Skulpturen formen, wie den verbotenen Apfelbaum im Paradies, oder Tiere darstellen.
    Eine androgyn aussehende Tänzerin im barocken Kostüm spielt gewissermaßen den "Architekten" der Erschaffung der Welt. Sie mimt einen Künstler, wird mal Baumeister, mal Bildhauer, mal Schriftsteller oder Wissenschaftler.
    Die Erzengel Gabriel, Uriel und Raphael treten auch in Engelskostümen auf, sie führen als Erzähler schauspielerisch durch die Handlung. Ein konzertant aufgeführtes Oratorium kann manchmal etwas steif wirken, die szenische Umsetzung beim Festival della Valle d'Itria ist dies in keinem Moment. Die Aufführung hat Schwung, die einzelnen Abschnitte werden virtuos miteinander verbunden. Der Chor "Coro Ghislieri" aus Pavia singt von zwei seitlichen Gerüsten.
    Dirigent Fabio Luisi sieht Haydns Schöpfung als ein Werk aus der Zeit der Aufklärung.
    "Die Botschaft ist tatsächlich, es wurde uns etwas gegeben, und wir müssen dafür Sorge tragen, also insofern, gerade in unserer aktuellen Zeit lässt uns schon ein bisschen zu denken."
    Drängende Themen wie die Bedrohung der "Schöpfung" durch den Klimawandel, die Pandemie oder Umweltverschmutzung griff die Regie allerdings nicht auf. Den Möglichkeiten der Umsetzung sind in Martina Franca jedoch auch Grenzen gesetzt. Die Aufführungen finden ja im Innenhof des Palazzo Ducale aus dem 17. Jahrhundert statt, wo es keine wirkliche Bühnentechnik gibt. Doch Regisseur Fabio Ceresa deutete verschiedene Themen zumindest an. Mittels Kostümen und Requisiten zeigten Tänzer etwa bei der Liebe zwischen Adam und Eva, dass es auch andere Paar-Kombinationen gibt als Mann und Frau, oder nicht nur das Christentum als Religion.

    Kein erhellender szenischer Zugriff bei "Griselda"

    War beim Festival della Valle d'Itria die Regie bei Haydns "Schöpfung" kurzweilig und unterhaltsam, fehlte ein erhellender szenischer Zugriff leider bei der Opern-Rarität "Griselda" von Alessandro Scarlatti in der Inszenierung von Rosetta Cucchi.
    Auch in Scarlattis "Griselda" sieht Alberto Triola, der künstlerische Direktor, Aspekte des Festival-Mottos FIAT LUX (Es werde Licht).
    Szene aus "Griselda"
    "Griselda": Diese Produktion nur musikalisch überzeugen (Festival della Valle d'Itria/ Clarissa Lapolla)
    "Was ist das Licht, das Besondere an Scarlattis "Griselda"? Die Figur zeigt uns, wie man trotz eines extrem harten Schicksals nicht die Aufrichtigkeit und Moral gegenüber sich selbst verliert. Sie bleibt entgegen aller Widerstände ihrem Mann treu und bringt so gewissermaßen ein Licht in eine sehr dunkle Situation."

    Produktion konnte nur musikalisch überzeugen

    Griselda, eine Schäferin, ist die unstandesgemäße Gattin von König Gualtiero. Er wird von Volk und Staatsbeamten gezwungen sie zu verstoßen. Das tut er aber nur zum Schein, um am Ende zu beweisen, dass sie durch ihre Treue sehr wohl eine würdige Herrscherin ist. Leider konnte Regisseurin Rosetta Cucchi aus der feinnervigen und hochklassigen Musik Scarlattis kein Potenzial schlagen. Ihre bewegungsarme und einfallslose Regie gab viele Rätsel auf, die den Konflikten der Figuren nicht gerecht wurde.
    So konnte diese Produktion nur musikalisch überzeugen. Dennoch: FIAT LUX "Es werde Licht" – das Motto des Festivals in Martina Franca ist nicht nur für diese Pandemie-Zeiten klug gewählt, es fordert grundsätzlich zum Innehalten und Nachdenken auf.