Festival "Poetica"Der Widerstand der Dichter
Wie vertragen sich Dichtung und Politik? "Schwierig ist es, wenn die Sache der Poesie zugunsten einer politischen Aussage aufgegeben wird", sagte der Lyriker Jan Wagner. Der Büchner-Preisträger ist Kurator des Kölner Festivals "Poetica", das sich in diesem Jahr der Kunst des Widerstands widmet.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Widerstand gibt es auch im Gedicht selbst: "Poetica"-Kurator Jan Wagner (dpa/picturealliance/Jens Kalaene)
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"Es ist eine uralte Frage, wie man, ob man Einfluss nehmen soll auf das Land, auf die Politik, auf die Gesellschaft, in der man lebt, - oder eben nicht", sagte Jan Wagner im Deutschlandfunk. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Lyrik überhaupt die Fähigkeit habe, viele Menschen zu erreichen. Und ob ein Gedicht, das sich an die Tagespolitik bindet, mit ihr auch zeitlich vergeht.
Auch Zeilen, die nichts über Politik aussagen wollen, könnten von einer anderen Generation als politisch begriffen werden, so der 48-Jährige. Erstaunlich sei etwa, dass Gedichte, die in einem Krieg geschrieben worden sind, "natürlich ihre Gültigkeit bewahren können,wenn es gute Gedichte sind - in einem anderen Krieg zum Beispiel. Und genauso vielleicht Trost oder Mut schenken können wie zu der Zeit, in der sie geschrieben wurden." Als Beispiel nannte er den Dichter Pablo Neruda, der politisch sehr aktiv war. Der Chilene habe Gedichte geschrieben, die verständlich und mit klaren politischen Botschaften formulierten - und trotzdem auch großartige Dichtung seien.
Widerstand gegen Zeit und Form
Jan Wagner will das Thema Widerstand bei dieser "Poetica" aber nicht nur politisch verstanden wissen. Es gehe beispielsweise auch um den Widerstand gegen die Vergänglichkeit, sagte er in "Kultur heute": "Wie schreibt man so, dass ein Gedicht die Zeit überdauert?" Auch formale Widerstände im Gedicht selbst spielten eine Rolle: "Formen oder Reime. Hürden, die man sich selbst setzt als Widerstand, um sozusagen durch den Widerstand weiter springen zu können".
Effektive Rhetorik, misslungene Lyrik
Poesie und Politik zu verbinden, sei eine Gratwanderung. Die Gefahr bestehe, dass sich ein Gedicht zu sehr auf Verständlichkeit und auf einfache Rhetorik versteife und dann kein gutes Gedicht mehr sei, so Jan Wagner: "Schwierig ist es dann, wenn die Sache der Poesie aufgegeben wird zugunsten einer politischen Aussage. Und wenn eben nicht mehr die Hauptsache beachtet wird: dass nämlich ein gutes Gedicht entsteht." Dann verschwinde es als Kunstform hinter seiner einfach zu verstehenden Aussage.