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Feuer-Warnsystem
Die Waldbrand-Späher

Bei den schweren Waldbränden in Portugal starben im Juni 2017 mehr als 60 Menschen. Um solche Katastrophen zu verhindern, nutzen viele Forstbehörden in Europa das System "FireWatch". Die empfindlichen Kameras erkennen bereits kleine Feuer, bevor sie sich zu Großbränden entwickeln.

Von Piotr Heller | 11.07.2017
    Helmuth Beuke nutzt das System FireWatch in der Lüneburger Waldbrandzentrale
    Helmuth Beuke nutzt das System FireWatch in der Lüneburger Waldbrandzentrale (Deutschlandradio/Piotr Heller)
    Es ist ein ruhiger Frühsommertag in der Waldbrandzentrale in Lüneburg. Der Deutsche Wetterdienst hat für heute eine geringe Waldbrandgefahr gemeldet, daher ist die Zentrale nicht besetzt. Helmut Beuke, Betriebsdezernent bei den Niedersächsischen Landesforsten, schaltet einen von fünf Computern ein. Auf dem Monitor erscheint das System "FireWatch", das das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit der Firma IQ Wireless entwickelt hat.
    "Hier sind die Kameras Wietze, Fallingbostel, Salinenmoor und Unterlöß. Damit überwachen wir den Südwesten. Jetzt muss ich unseren Kameras sagen, dass sie arbeiten sollen: Alle An! Die müssen erstmal warm werden."
    Panoramabild in sechs Minuten
    Es sind vier von 17 Kameras in Niedersachsen, deren Bilder hier in der Waldbrandzentrale einlaufen. Insgesamt überwachen knapp 180 solcher Kameras von Feuerwachtürmen oder Sendemasten aus die Waldbrandrisikogebiete in Deutschland. Helmuth Beuke hat nun die vier Kameras hochgefahren.
    "Die arbeiten im Normalmodus und hier müssen wir abwarten. Die brauchen für einen ganzen Umlauf sechs Minuten, dann haben wir ein Panoramabild."
    Die Kameras beginnen jetzt zu schwenken. Alle zehn Grad halten sie an, machen drei Schwarz-Weiß-Fotos hintereinander, schicken sie an die Zentrale. So entsteht ein 360-Grad-Rundumblick. In den Sequenzen aus drei Bildern kann das System dann feinste Unterschiede in den Grauwerten erkennen, die etwa durch aufsteigenden Rauch entstehen. Auf dem Panorama, das sich nun auf Helmuth Beukes Monitor aufgebaut hat, erscheint ein blaues Kästchen: Das System hat Rauch erkannt.
    "Ich kann jetzt folgendes machen: Ich kann hier eine Live-Sequenz schalten. Jetzt sage ich der Kamera: Guck da hin! Hier, es entwickelt sich, wird größer. Ich will mal bei der Bundeswehrfeuerwehr anrufen."
    Ein Blick auf die Karte verrät, dass der Rauch vermutlich von einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr kommt.
    "Waldbrandüberwachung in Lüneburg, schönen guten Tag, Moin! Ich habe was entdeckt, von unserer Kamera Fallingbostel aus, so Richtung Schießbahn 5 oder 7. Schießbahn 6? Ist bekannt? Alles klar, dann besten Dank! Tschüss!"
    Damit ist die Bundeswehrfeuerwehr am Zug. Im Jahr meldet die Zentrale etwa 100 bis 200 Brände an die zuständigen Feuerwehren. Meistens brennt Heideland, manchmal ein Acker, manchmal Wald.
    "Es ist uns egal, ob das ein Haus ist oder ob das ein Wald ist – wir melden alles, weil wir davon ausgehen, dass wir nur dann erfolgreich sind, wenn wir schnell melden. Im Wald vor allen Dingen: Entstehungsbrände im Wald können wir aus machen. Wenn das zu einer Großlage wird, dann haben wir große Probleme, das zu löschen."
    Systeme werden ständig verbessert
    Erstmals kam das System 2001 in Brandenburg zum Einsatz und wird seitdem ständig weiterentwickelt. Die Kameras der ersten Generation basierten auf der sogenannten ROLIS. Das ist die Kamera, die an Bord der Landeeinheit Philae Fotos des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko geschossen hat. Bei diesen Aufnahmen war es wichtig, feinste Helligkeitsunterschiede auf der Kometenoberfläche festzuhalten. Ähnlich ist es beim System Firewatch: Auch hier geht es darum, feine Helligkeitsschwankungen in bis zu 60 Kilometern Entfernung zu erkennen. Ein Algorithmus entscheidet dann, ob es sich dabei um Rauch handelt, und schlägt in der Lüneburger Zentrale Alarm. Dort prüfen die Experten die Meldungen.
    "Wir kriegen hier Meldungen, die vor allen Dingen verursacht werden durch Feldberegnungsanlagen. Durch Windkraftanlagen, durch den Schattenwurf. Wir zeichnen alle Daten, die wir produzieren, auf."
    Die Waldbrandwächter markieren bei den Meldungen, was das System fälschlicherweise für Rauch gehalten hat: Verkehr, Wolken, Windräder, Industrieabgase. Mit Hilfe dieser Daten entwickeln das DLR und die ETH Zürich gerade ein selbstlernendes System, das Rauch noch zuverlässiger erkennen soll. Außerdem erforscht das DLR mit den BIROS-Satelliten eine Waldbrandüberwachung aus dem All. Die Satelliten können nicht nur Rauch erkennen, sondern Flammen mit Wärmebildkameras direkt detektieren. Und sie können größere Gebiete überwachen, wo sich ein Einsatz der Kameras nicht lohnt. Die Rauch-Späher am Boden werden in Zukunft also vielleicht Unterstützung aus dem All bekommen.