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Feuerbestattung
Ein Krematorium für Griechenland

Feuerbestattungen sind in Griechenland zwar schon seit dreizehn Jahren legal, trotzdem waren sie bislang unmöglich: Es gab schlicht kein Krematorium. Nun hat das erste eröffnet – trotz erheblicher Widerstände der orthodoxen Kirche.

Von Rodothea Seralidou | 16.10.2019
Im Krematorium zu kaufen: eine griechische Urne
Im Krematorium zu kaufen: eine griechische Urne (Deutschlandfunk / Rodothea Seralidou)
Andonis Alakiotis, ein Mann in dunkelblauem Anzug, fährt zur Illustration einen leeren Sarg hoch, damit er anschließend in den Verbrennungsofen geschoben werden kann.
"Der Sarg besteht aus ökologischem, unbehandeltem Pinienholz. Laut Gesetz darf ein Kremationssarg nicht mit Farben und Lacken behandelt sein, um die Umwelt nicht zu belasten. Das Personal des Krematoriums bringt also den Toten hierhin und die Verwandten warten in der Cafeteria, bis man ihnen die Urne mit der Asche ihres Liebsten übergeben kann."
Alles fing mit einem Versprechen an
Als Vorstand der Griechischen Organisation für Kremation hat Alakiotis Jahrzehnte lang für den Bau des ersten Krematoriums auf griechischem Boden gekämpft. Angefangen hatte alles mit einem Versprechen, das er gemacht hatte:
"Ich kannte mich mit dem Thema überhaupt nicht aus, bis ein sehr guter Freund, der bekannte Maler Pavlos Moschidis, mich im Jahre 1996 bat, dafür zu sorgen, dass er nach seinem Tod eingeäschert wird. Ich versprach ihm das, wusste aber nicht, auf was ich mich da eingelassen hatte. Mein Freund verstarb 2004 und wir mussten ihn nach Bulgarien bringen, ins Krematorium von Sofia. Volle 23 Jahre haben wir darum gekämpft, dass auch in Griechenland ein Krematorium gebaut wird. Heute ist mein Freund bestimmt hier bei uns und stolz auf uns."
Widerstand der orthodoxen Kirche
Im Jahr 2006 wurde die Einäscherung in Griechenland als Alternative zur Erdbestattung gesetzlich anerkannt. Doch solange für den Bau eines Krematoriums die Kommunen zuständig waren, scheiterten alle Vorhaben und Griechenland blieb das einzige Land in der EU ohne Krematorium.
Andonis Alakiotis
Andonis Alakiotis hat lange für den Bau des ersten Krematoriums auf griechischem Boden gekämpft (Deutschlandfunk / Rodothea Seralidou)
Alakiotis: "Die meisten Hürden hatten damit zu tun, dass Flächen ausgewählt wurden, deren Besitzverhältnisse unklar waren. Die Stadt Zografou zum Beispiel wollte es auf dem Gelände des Friedhofes errichten. Dann wurde klar: Dieses Gelände gehört der Stadt überhaupt nicht. Und es gab auch einen Fall, wo die Kirche direkt eingegriffen hat. Da hatte der örtliche Bischof Unterschriften gesammelt und die Gläubigen gegen den Bau aufgehetzt, so dass der Stadtrat, auch wenn er vorher einstimmig für das Krematorium gestimmt hatte, einen Rückzieher machte. Von den dreißig Mitgliedern waren plötzlich nur noch sieben dafür."
Kein Gottesdienst bei Feuerbestattungen
Anders als viele andere orthodoxe Kirchen, die offener mit dem Thema umgehen, vertritt die orthodoxe Kirche Griechenlands in Sachen Einäscherung eine ultra-konservative Haltung und verweigert ihren Gläubigen in dem Fall auch den Beerdigungsgottesdienst, sagt Bischof Ignatios, Mitglied der Heiligen Synode, des obersten orthodoxen Kirchenorgans:
"Wir hatten viele Tagungen, viele Diskussionen rund um das Thema und sind zum Entschluss gekommen, dass eine Feuerbestattung für orthodoxe Gläubige nicht in Frage kommt. Unser Gottesdienst spricht von der Beerdigung. Der Mensch ist mit Erde entstanden und kehrt zur Erde zurück. Die Einäscherung ist also mit dem orthodoxen Glauben nicht vereinbar. So sieht es die orthodoxe Kirche Griechenlands. Andersgläubige können tun und lassen, was sie wollen. Die Krematorien sollten aber nicht auf orthodoxen Friedhöfen erbaut werden."
Für die Einäscherung nach Bulgarien
In der Praxis handhabt das jeder Priester anders, sagt Einäscherungsbefürworter Alakiotis: Viele orthodoxe Geistliche drückten ein Auge zu oder die Angehörigen verheimlichten, dass auf den Gottesdienst eine Einäscherung im Ausland folgen soll - meistens im Nachbarland Bulgarien.
Diese Fahrt können sich die Angehörigen nun sparen. Am 30. September wurde endlich die erste Feuerbestattung auf griechischem Boden vollzogen, sagt Andonis Alakiotis.
Krematorium mitten im Nichts
Dass der mittlerweile 65-Jährige dies noch erleben durfte, habe er einer Gesetzesänderung der ehemaligen Syriza-Regierung zu verdanken, die vor zwei Jahren auch private Krematorien möglich machte. Auch die gemeinnützige Organisation für Kremation, der Andonis Alakiotis vorsteht, hat sich am Krematorium beteiligt. Das weiße, minimalistische Gebäude liegt in einem Industriegebiet, 75 Kilometer von Athen entfernt. Das sei bewusst so gewählt:
"Das nächste Haus liegt etwa zwölf Kilometer entfernt. Und auch wenn das als Industriegebiet deklariert ist, wir sind hier mitten im Grünen. Klar würden wir uns ein Krematorium wünschen, das besser an die Stadt angebunden wäre, wie in anderen europäischen Städten, in Barcelona oder Hamburg zum Beispiel. In Hamburg ist das Krematorium zum Beispiel in der Nähe einer Schule, hinter dem Gebäude gibt es Sportanlagen. Keinen stört es. Doch hier wäre das Risiko zu hoch."
Es wäre so gut wie sicher, dass Anwohner das Projekt hätten stoppen wollen, meint Alakiotis. Entweder, weil das Krematorium sie in ihren religiösen Ansichten stört oder aber aus Angst, es könnte die Luft verpesten.
"Die Filter haben aber sehr strenge Vorgaben. Die Abgase werden elektronisch registriert, sind geruchsneutral und unsichtbar. Die Angst, dass das Krematorium die Umwelt belasten könnte, ist absolut unbegründet."
"Der Tod soll dem Leben dienen"
600 Euro verlangt das Krematorium für eine Einäscherung – in etwa so viel wie das Krematorium im Nachbarland Bulgarien. Insgesamt kostet eine Feuerbestattung damit laut griechischem Bestatterverband mindestens 2.000 Euro. Das ist immer noch weniger als die Kosten einer Erdbestattung in Griechenland. Und anders als die Unternehmen, die als Investoren am Bau des Krematoriums beteiligt sind, möchte Alakiotis Organisation ihren Anteil am Gewinn spenden:
"Wir sind ja eine gemeinnützige Organisation, kein Unternehmen, das Gewinn machen will. Wir überlegen also, die Einnahmen an Kinder in Not zu spenden, zum Beispiel an Kinder, die ohne Eltern aufwachsen. Auch um zu zeigen, dass der Tod dem Leben dienen kann."