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Fidel Castro wird 90 Jahre
Viele Exil-Kubaner sehnen seinen Tod herbei

Diesen Geburtstag feiern nicht alle: Am Samstag ist Fidel Castro 90 Jahre alt geworden – und noch immer gibt er die Richtung im kommunistischen Kuba vor. Im Süden Floridas, der nur rund 145 Kilometer weit von Kuba entfernt liegt, warten viele Exil-Kubaner nur auf eines: Castros Tod. Die Entspannungspolitik von US-Präsident Obama halten die meisten für falsch.

Von Mareike Aden | 13.08.2016
    Die kubanischen Revolutionäre Fidel Castro (rechts) and Che Guevara auf einem Bild von 1958.
    Die kubanischen Revolutionäre Fidel Castro (rechts) and Che Guevara auf einem Bild von 1958. (imago/ITAR-TASS)
    Rund um die Uhr ist es laut und voll im Restaurant "Versailles", viele sprechen Spanisch. Das "Versailles" ist seit Jahrzehnten eine feste Größe für Exil-Kubaner, die in Miami leben. Immer wieder wurden hier Verschwörungen gegen Fidel Castro ausgeheckt –und als der 2006 dem Tode nahe war, fingen sie im "Versailles" schon an zu feiern.
    An einem der Tische sitzt der 72 Jahre alte Eduardo Perez Bengochea. Als er 17 war, musste er Kuba verlassen, denn er hatte in der Schule eine Rede gehalten, die nicht linientreu war. Bengochea ist sicher – wenn Castro eines Tages stirbt, wird im "Versailles" wieder gefeiert. Er kann das gut verstehen, auch wenn er selbst nicht mitfeiern wird. "Als Christ habe ich Respekt vor Leben und Tod. Aber ich werde erleichtert sein, wenn der größte Hurensohn, den Kuba je hervorgebracht hat, tot sein wird. Feiern werde ich nicht. Doch ich werde Gott danken, dass er ihn in die Hölle bringt. Er hat der kubanischen Nation großen Schaden zugefügt. Er ist ein Verräter. Er hat viel versprochen und nichts gehalten. Er ist ein schlechter Kubaner – und die Geschichte wird ihn nicht freisprechen."
    Eduardo Perez Bengochea hat sein Leben riskiert, um Castro zu stürzen: Er war bei der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht im April 1961 dabei. In den USA wurde er später ein wohlhabender Geschäftsmann. Jetzt hat er eine Stiftung, die humanitäre Hilfe leistet. Immer wieder holt er Aktivisten der kubanischen Opposition in die USA, damit sie hier medizinisch behandelt werden können.
    Kritik an der Entspannungspolitik von Präsident Obama
    Doch Kuba bleibt für ihn verschlossen. Zuletzt hat Bengochea versucht, eine Einreiseerlaubnis zu bekommen, als der Papst Kuba besuchte. Die Entspannungspolitik von Präsident Obama sieht er skeptisch – wie so viele Exilkubaner. Es war einen Versuch wert, aber Obama hätte härter sein müssen, sagt Bengochea. "Ich glaube Obama war unerfahren und naiv. Er hat nicht erwartet, dass Fidel Castro so ein Verräter und Hurensohn ist. Obama hat von Castro ein wenig Menschlichkeit erwartet Er dachte, dass die Castros sich auch anständig verhalten würden, wenn die USA das tun. Tatsächlich hat Obama ihnen geholfen sich an der Macht zu halten. Aber das Wichtigste sind die Menschenrechte: Und die haben sich in Kuba weiter verschlechtert, das ist nicht akzeptabel."
    In einer Kanzlei nördlich von Miami sitzt der Anwalt Andrew Jimenez. Sein Vater verließ Kuba als Jugendlicher mit seinen Eltern, zwei Jahre nach der Revolution von 1959. Andrew Jimenez ist Mitte 30. Zu seinen kubanischen Wurzeln hat er erst als junger Erwachsener nach einem Besuch in Kuba mit einer kirchlichen Organisation gefunden. Anfang 2016 hat er mit drei Gleichgesinnten, deren Eltern ebenfalls Exil-Kubaner sind, die Stiftung CubaOne gegründet. Sie organisieren Bildungsreisen nach Kuba für junge amerikanische Erwachsene mit kubanischen Wurzeln. Gleich für die erste Reise im Juni gingen 1.200 Bewerbungen ein. Jimenez sagt: "Wir können doch nicht ewig so weitermachen. Wir sind eine andere Generation und sollten versuchen, zu verstehen und Kuba zu erleben, wie es wirklich ist. Wir müssen vor Ort sein: Kuba sehen, fühlen, riechen, schmecken. Und dann wird das Land viel mehr sein, als nur das schwarz-weiße Familienfoto, das seit Jahrzehnten an der Wand hängt."
    Eine Frau schwenkt in Miami eine kubanische Fahne, nachdem sie von der schweren Krankheit des kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro erfahren hat.
    2006 wurde in Miami schon gefeiert, als die schwere Krankheit des kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro bekannt wurde. (AP)
    Kuba - eigentlich so nah, aber unerreichbar
    Und im Idealfall zu einem Bestandteil der eigenen Identität werden – aller Konflikte zum Trotz, so Jimenez. Um politische Irritationen zu vermeiden, haben die Gründer von CubaOne von Anfang an kubanische und US-amerikanische Behörden einbezogen – die schließlich ihr Einverständnis gaben. Die Reisen sind für die Teilnehmer kostenlos, finanziert werden sie von privaten Spendern. Andrew Jimenez hofft, dass die Teilnehmer Kuba nicht mehr nur über das Feindbild Castro definieren, das viele junge Amerikaner mit kubanischen Wurzeln von ihren Eltern und Großeltern übernommen haben. "Ja, es gibt viele Narben – und das liegt an Fidel Castro und den Dingen, die damals geschehen sind. Wir wollen diese Narben nicht ignorieren, wir erkennen sie an. Und wir wollen sie überwinden. Versöhnung ist ein Teil unseres Programms. Junge Amerikaner mit kubanischen Wurzeln und Kubaner in ihrer Heimat sollen diese Hindernisse, die es jetzt schon so lange gibt, überwinden. "
    Wie schwierig es sein wird, die Vergangenheit zu überwinden, zeigt ein Treffen von Exilkubanern in einem noblen Hotel in Coral Gables bei Miami. Hunderte sind schon im Saal und obwohl immer wieder Stühle herbeigebracht werden, müssen viele stehen. Gleich soll ein bekannter Oppositionsaktivist reden. Noch steht Anwalt Marcell Felipe auf der Bühne. Er kritisiert Obamas Annäherungspolitik, verteufelt die Castros, beschwört die Freiheit des kubanischen Volks. Immer wieder: Beifall. Marcell Felipe war lange Mitglied des Cuban Liberty Council, einer Organisation, die strikt gegen Obamas Entspannungspolitik ist und eine harte Linie gegenüber den Castros fordert. An diesem Abend gründet er die Stiftung 'Inspire America' - die auf den gleichen Grundlagen basiert und auch die US-Politik in diese Richtung beeinflussen will.(*) Der Tod von Fidel Castro wäre für sie alle hier eine Genugtuung, sagt Felipe. "Für die Kubaner in Miami ist Castro eine andere Version von Hitler. Und wir wollen damit nicht das Leid der Juden kleinreden. Aber er ist derjenige, der unsere Brüder und Schwestern, unsere Verwandten umgebracht hat. Abneigung ist das eine, das Gefühl anhaltender Ungerechtigkeit das andere. Es ist so, als ob der Mörder deiner Familie nicht nur frei herumläuft, sondern von manchen auch noch gefeiert wird."
    Zum Abschluss spielt ein bekannter kubanischer Exil-Musiker – viele der Zuhörer haben Tränen in den Augen. Ihr Kuba, eigentlich so nah, ist an diesem Abend wieder einmal unerreichbar – und für sie steht fest, wer die Schuld daran trägt.
    (*) In einer älteren Version des Textes hieß es noch: "Marcell Felipe ist Mitglied des Cuban Liberty Council". Außerdem wurde der Text um den Satz "An diesem Abend gründet er die Stiftung 'Inspire America' - die auf den gleichen Grundlagen basiert und auch die US-Politik in diese Richtung beeinflussen will" ergänzt.