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FIFA-Ermittlungen
Schweizer Justizaffäre

Ernsthafte Amtspflichtverletzungen und Fehlverhalten - die Schweizer Justizaufsicht wirft Bundesanwalt Michael Lauber schwere Verstöße vor. Lauber hatte mehrere geheime Treffen mit FIFA-Boss Infantino abgehalten, obwohl er in Sachen FIFA ermittelte. Die Aufsichtsbehörde beschreibt nun ein Komplott.

Von Thomas Kistner | 04.03.2020
    Foto vom oberste Strafermittler der Schweiz, Michael Lauber, bei einer Pressekonferenz durch zwei Journalisten hindurch
    Wie nah steht der oberste Strafermittler der Schweiz, Michael Lauber, FIFA-Chef Gianni Infantino? (picture alliance / dpa / Marcel Bier)
    Das Urteil der Justizaufsicht liest sich wie ein Kriminalbericht: Dem Bundesanwalt werden ernsthafte Amtspflichtverletzungen und Fehlverhalten bis hin zu Lügen attestiert. All das im Kontext der zwei Dutzend FIFA-Ermittlungsverfahren, die in Bern anhängig sind, und speziell in Hinblick auf diverse Geheimtreffen, die Lauber mit FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte.

    Was dort in Gegenwart außenstehender Privatpersonen beredet wurde, lag bisher völlig im Dunkeln. Nun beschreiben die Aufseher in ihrer 48-seitigen Abschlussverfügung ein Komplott zwischen Bundesanwalt und FIFA-Boss.
    Infantino habe sich schon als UEFA-Generalsekretär Mitte 2015 auf den FIFA-Thron vorbereitet und dafür bei Lauber Informationen über Gegenkandidaten gesammelt:
    Ob es im FIFA-Komplex Ermittlungen gegen diese gebe, oder gegen ihn selbst. Bezüglich eines Treffens im Juni 2017 in einem Nobelhotel, das alle vier beteiligten Personen heute vergessen haben wollen, hat die Aufsicht nun einen fünften Teilnehmer ermittelt, der Name blieb unbekannt.
    Auch der "Sommermärchen"-Prozess wird nun anfechtbar
    Sollte es sich dabei um einen mit den Fußballermittlungen befassten Beamten handeln, müssten alle Verfahren im FIFA-Komplex eingestellt werden. Für eine Untreue-Ermittlung war das bereits der Fall, die zwei beschuldigten ehemaligen FIFA-Spitzenleute Jerome Valcke und Markus Kattner hatten sich hier erfolgreich auf Laubers mysteriöse Treffen mit Infantino berufen.
    Massiv anfechtbar ist nun auch der Prozess zum deutschen WM-Sommermärchen, der am Montag vor dem Schweizer Bundesgericht in Bellinzona beginnen soll. Fachleute vermuten, dass die Bundesrichter bereits nach einer Exit-Strategie suchen.
    Am Wochenende verschickten sie ein Eilbegehr an das Frankfurter Landgericht, wo ebenfalls ein Sommermärchen-Verfahren anhängt. Die Schweizer erkundigen sich dort nach dem Verfahrensstand. Eine Frage, die sie seit langem hätten klären können. Nun wirkt der Vorstoß wie die Suche nach einem Fluchtweg.