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FIFA
Frankreichs Idol wankt

In Frankreich sah fast jeder in Michel Platini den künftigen FIFA-Präsidenten und Nachfolger von Sepp Blatter. Um so größer ist nun der Schock darüber, dass auch Platini von der Ethikkommission der FIFA für 90 Tage suspendiert wurde.

Von Hans Woller | 10.10.2015
    UEFA-Präsident Michel Platini
    UEFA-Präsident Michel Platini (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    -ls vor über zwei Wochen die dubiose FIFA Zahlung im Frühjahr 2011 von zwei Millionen Schweizer Franken an Michel Platini bekannt wurde, staunte man nicht schlecht, dass hierzulande die allererste Reaktion darauf doch tatsächlich von Frankreichs Regierungschef, Manuel Valls, persönlich kam: "Wir haben das Glück, Michel Platini zu haben, der ein großer Sportler war und ein großer Sportmanager ist und ich vertraue ihm ganz und gar."
    Seitdem ist es, als sei das künftige Schicksal des UEFA-Präsidenten in Frankreich von nationalem Interesse und ginge es darum, das Idol Michel Platini mit allen Mitteln zu stützen und zu schützen - noch gestern sagte Frankreichs Sportminister: "Bis das Gegenteil bewiesen ist, hat Michel Platini meine volle Unterstützung, auch wenn die jüngsten Ereignisse das ideale Szenario durcheinanderbringen, das man sich für die Nachfolge von Blatter vorgestellt hatte."
    Der Französische Fußballverband kämpft vehement
    Michel Platini selbst, der seine 90-tägige Suspendierung schlicht als Farce bezeichnet hatte und per Kommuniqués immer wieder betont, er habe sich nichts vorzuwerfen, hat Samstagvormittag offiziell Einspruch gegen seine Suspendierung durch die FIFA-Ethikkommission eingereicht, wenig später wurde bekannt, dass der Französische Fußballverband Platini nächste Woche sogar vor das oberste internationale Sportgericht ziehen will, um die Suspendierung rückgängig zu machen.
    Der Präsident des französischen Fußballverbandes, Noël Le Graet jedenfalls bringt seit zwei Wochen fast täglich seine Solidarität mit Platini zum Ausdruck. "Man kann nicht sagen, dass Platini nicht mehr Kandidat sein kann. Platini ist der Mann der Stunde, diese Suspendierung scheint mir extrem überstürzt, kompliziert natürlich die Dinge. Aber er hat seine Kandidatur eingereicht und bleibt offiziell Kandidat."

    Eine Falle für Platini
    Noch steht Frankreichs Fußballwelt - wie etwa Vereinspräsidenten und alle ehemaligen Nationaltrainer - geschlossen hinter Michel Platini. Ex-Teamchef Gerard Houiller sieht eine Kabale, in die Platini von Blatter mit hineingerissen wurde. "Ich denke er wird beweisen können, dass er mit all den Anschuldigungen nichts zu tun hat. Alles deutet darauf hin, dass er in eine Falle getappt ist."
    Etwas zurückhaltender wirkt der derzeitige Teamchef der französischen Fußballnationalmannschaft, Didier Deschamps: "Ich kenne Michel menschlich sehr gut. Wir wissen alle, was er an der Spitze der UEFA geleistet hat. Ich kenne natürlich nicht alle Einzelheiten, aber ich glaube, dass er integer ist."
    Frankreichs Presse geht auf Distanz
    Bis gestern musste man warten, bis die französische Presse anfing, nach und nach auf Distanz zu Platini zu gehen. Die am meisten gelesene überregionale Tageszeitung "Le Parisien/ Aujourd'hui", die in jedem Bistro ausliegt, druckte über ein Platini-Foto auf der Titelseite die zwei Worte: "Rote Karte", in mehreren Kommentaren war die Rede davon, dass Platini politisch tot sei und im französischen Rundfunk konnte man die Einschätzung hören: "Michel Platini bekundet seine Unschuld, doch es ist geschehen: Blatter hat ihn mit in die Tiefe gerissen, Platini war nahe daran alles zu gewinnen, heute kann er alles verlieren."
    Wie sehr die Zukunft Platinis in Frankreich zu einem Politikum geworden ist, zeigen Informationen von heute, wonach das Dossier Platini selbst im Élysée-Palast rund um Präsident Hollande genau beobachtet werde. Für den Staatschef, so hieß es, sei es eine Horrorvorstellung, dass nach Dominique Strauss-Kahn vier Jahre später ein zweiter, weltweit bekannter Franzose und internationales Aushängeschild, abrupt vom Podest stürzen könnte.