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FIFA-Korruptionsskandal
Verlassene US-Justiz

In New York beginnt der Prozess gegen drei ehemalige, hochrangige FIFA-Funktionäre. Sie sind Teil des so genannten FIFA-Korruptionsskandals. 39 Personen sind angeklagt. Sie sollen für die Vergabe Fußball-Vermarktungsrechten Schmiergelder in Millionenhöhe bezahlt oder erhalten haben.

Von Carsten Upadek | 05.11.2017
    Eine Flagge des Internationalen Fußballverbandes FIFA weht vor dem Haupquartier in Zürich.
    Eine Flagge des Internationalen Fußballverbandes FIFA weht vor dem Haupquartier in Zürich. (EPA / Steffen Schmidt)
    "An jeden Schuldigen, den es noch nicht getroffen hat und der hofft, unseren Ermittlungen zu entgehen: Du wirst das nicht aussitzen. Du wirst unserem Fokus nicht entgehen." Die Botschaft der damaligen US-Chefanklägerin Loretta Lynch: Im Jahr 2015 sah es so aus, als bliebe beim Fußball-Weltverband FIFA kein Stein auf dem anderen.
    Im Mai und im Dezember ließ die US-Justiz vor Kongressen der FIFA in Zürich Spitzen-Funktionäre festnehmen. Nach Jahren der Ermittlungen sind die Ermittler um Loretta Lynch auf die Spur eines mafiösen Systems gekommen.
    Involviert: FIFA-Spitzenfunktionäre, Verbandspräsidenten aus Nord- und Südamerika und Manager von Sport-Vermarktungsfirmen. Loretta Lynch: "Laut Anklage bezahlten sie Millionen von Dollar an Schmiergeld um lukrative Medien- und Marketing-Rechte internationaler Fußball-Turniere zu erhalten."
    Jack Warner verzögert seine Auslieferung
    Die US-Ermittlungen lösen den Absturz des früheren FIFA-Präsidenten Sepp Blatter aus. Im Februar 2016 wird Gianni Infantino zu Blatters Nachfolger gewählt. Danach verlangsamen sich die Verfahren jedoch. Ein Grund dafür: fehlende Kooperation wichtiger internationaler Partner.
    Ex-FIFA-Vize und Schlüsselfigur Jack Warner verzögert seit zweieinhalb Jahren juristisch seine Auslieferung aus Trinidad und Tobago. In einem BBC-Interview gibt er sich ahnungslos: "Ich weiß gar nicht wie das geht – Geldwäsche. Sagen Sie mir doch, wie das geht, ich weiß es nämlich nicht."
    Keine Auslieferungen aus Brasilien und Argentinien
    In Argentinien lehnt ein Gericht im Oktober 2016 die Auslieferung von Eduardo Deluca ab, ehemals Generalsekretär des südamerikanischen Verbandes CONMEBOL, sowie den zweier Bosse des mächtigen Sportvermarkters "Full Play". Sie sollen mit anderen großen Vermarktungs-Agenturen die Millionen-Schmiergelder gezahlt haben.
    Und in Brasilien kann sich Marco Polo Del Nero bis heute im Amt als Präsident des mächtigsten Fußballverbandes Südamerikas halten - trotz Anklage in den USA. Del Nero sagt: "Ich trete nicht zurück. Zurück tritt, wer etwas Falsches gemacht hat. Ich bleibe bis zum Ende meines Mandates, werde meine Pflicht erfüllen!"
    Prozessbeginn könnte Bewegung bringen
    Brasilien liefert seine Staatsbürger nur in Ausnahmefällen aus. Ebenfalls sicher ist dort Ricardo Teixeira, bis 2012 Drahtzieher im internationalen Fußball. Zudem froren brasilianische Richter jegliche Kooperation zwischen Brasilien und der US-Justiz ein.
    Nicht ausgeschlossen, dass nun mit dem Prozessbeginn gegen Ex-FIFA-Vize Juan Ángel Napout aus Paraguay, José Maria Marin aus Brasilien und Manuel Burga aus Peru wieder Bewegung in die Ermittlungen kommt. Sie sind angeklagt wegen Betruges, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Alle drei plädieren auf unschuldig.
    "Man wird rankommen an die dicken Fische"
    Thomas Kistner, Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und Experte in Sachen FIFA, sagt, dass viele der bisher Geständigen umfassend aussagen, um ihre Strafen klein zu halten. "Man wird rankommen an die dicken Fische. Man muss sich nur erst durchwühlen, durch den Schwarm der kleineren Fische."
    "Weil hier ein ganzer Sumpf aufgedeckt werden soll, ist es natürlich hilfreich, dass die Funktionäre und Manager gut vernetzt waren und daher sich jetzt auch die Fälle gut vernetzen lassen." Die FIFA habe keine Wahl. Sie müsse mit der Justiz kooperieren. Sonst verliere sie ihren Opferstatus, den sie in den Ermittlungen habe. "Und wenn die Organisation zur Beschuldigten wird, dann kann sie dicht machen. Die Strafzahlungen wird sie dann nicht überleben können."
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