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FIFA-Prozess in den USA
Steht die WM in Katar auf der Kippe?

Die US-Justiz nimmt erstmals die WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar ins Visier. Heikel sind insbesondere die Vorwürfe gegen das Turnier im Golf-Emirat – denn das findet erst in zweieinhalb Jahren statt und könnte durch einen Prozess noch massiv gefährdet werden.

Von Thomas Kistner | 09.04.2020
FIFA-Zentrale in Zürich
Rund um die WM-Vergaben an Russland und Katar sollen laut US-Anklage Bestechungsgelder geflossen sein (imago sportfotodienst)
Dass die US-Justiz ausgerechnet jetzt ihre verschärften Strafermittlungen publiziert, ist auch als Kritik an der laxen Arbeit der Kollegen in Europa zu verstehen. In der Schweiz drohen gerade alle FIFA-Strafermittlungen in sich zusammenzufallen, in wenigen Tagen wird auch die deutsche Sommermärchen-Affäre um die WM 2006 eingestellt: Wegen Verjährung oder wegen der offenkundigen Befangenheit der Schweizer Bundesanwaltschaft.
Emirat: starkes Druckmittel gegen Infantino
Doch der FIFA, ihrem Boss Gianni Infantino und der Berner Strafbehörde, deren Chef Michael Lauber so gern anrüchige Geheimtreffen mit Infantino abhielt, droht nun selbst ein dickes Ende. Denn sollte im angekündigten US-Prozess gerichtlich verfügt werden, dass für die WM in Katar mindestens die drei beklagten Ex-FIFA-Vorstände Ricardo Teixeira, Nicolas Leoz und Julio Grondona geschmiert und damit die Turnier-Vergabe gekauft worden war, liegt die Entscheidung über eine Ausrichtung der WM in Katar 2022 kaum mehr bei der FIFA, wie manche fußballnahe Juristen glauben.
Zwar könnte nur die FIFA das Turnier anderweitig vergeben. Aber als gesichert erscheint, dass sie das niemals tun würde. Offenbar besitzt das Emirat starke Druckmittel gegen Infantino. Dessen FIFA zog erst vor Wochen eine Klage gegen einen hohen Funktionär Katars zurück.
Schwarze Liste der US-Justiz und des US-Finanzministeriums
Jedoch könnten die Amerikaner selbst die Bremse in Katar ziehen, sollte Bestechung bei der WM-Vergabe nachgewiesen werden. Ein korruptes Sportevent, das in dem Fall auch noch konkret auf Kosten der US-Bewerbung um die WM 2022 ging, würden sie gemäß ihrer eigenen wirtschaftsrechtlichen Prinzipien nicht einfach akzeptieren. Experten wie der Münchner Strafrichter Hans-Joachim Eckert verweisen darauf, dass die USA als Reaktion auf große Wirtschaftsverbrechen Personen und Unternehmen, die sich in diesem Geschäftsumfeld betätigen, auf ihre schwarze Liste setzen.
FIFA-Topsponsoren könnten abgeschreckt werden
Im Falle einer korrupten WM kann das bedeuten: Jede Firma, jeder Sender, der an einem belasteten Kommerzgeschehen wirtschaftlich teilnimmt, kann auf der Liste von US-Justiz und US-Finanzministerium landen. Mit ihm darf dann kein gesetzestreuer US-Bürger mehr wirtschaften, keine Bank und keine sonstige Firma. Die Auswirkung einer solchen Blockade wäre so enorm, dass sie jeden Geldgeber abschrecken würde. FIFA-Topsponsoren wie Coca-Cola oder Adidas wirtschaften ebenso im Währungsbereich des Dollars wie die FIFA-Partner in Fernost. Sanktionen würden auch teilnehmenden Fußballverbänden drohen, sie sind über Millionenprämien mit der WM verbunden.
Weil also die Anwendung der schwarzen Liste durch die US-Justiz desaströse finanzielle Konsequenzen für die WM 2022 hätte, liegt eine Entscheidung über Katar faktisch kaum mehr bei der FIFA. Ein Turnier, das für Investoren so gewaltige Risiken birgt, könnte sich der Weltverband gar nicht leisten.