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FIFA WM 2018
Verteidiger im Namen Gottes

Seit der Druck auf Russland sich wegen des Krieges in der Ukraine und des Dopingskandals erhöht hat, ist die Russisch-Orthodoxe Kirche enger an den Staat gerückt - und auch an den Sport. Auch wenn die Kirche offiziell betont, dass Betrug und Korruption im Sport nichts zu suchen haben.

Von Ronny Blaschke | 29.06.2018
    Spanische Fußball-Fans schießen Fotos vor der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale in Kasan, Russland.
    Russisch-Orthodoxe Kirchen prägen wie hier in Kasan das Stadtbild - in diesen Tagen ergänzt um Fußballfans wie diese spanischen. (imago sportfotodienst)
    Rund achtzig Prozent der russischen Bevölkerung bezeichnen sich laut Umfragen als orthodox. Doch nur knapp fünf Prozent gehen regelmäßig in die Kirche. Auch für die Verjüngung ihrer Zielgruppen hat die Kirche 2015 ein Komitee für Sport eingerichtet. An der Basis werden etwa Jugendhilfe und Drogenprävention mit Bewegungsangeboten bereichert. Und an der Spitze können olympische Athleten und Fußballer auf einen Seelsorger zurückgreifen. Die Theologin Regina Elsner beschäftigt sich am Zentrum für Osteuropa-Studien in Berlin mit der Russisch-Orthodoxen Kirche.
    Die Theologin Regina Elsner beschäftigt sich am Zentrum für Osteuropa-Studien in Berlin mit der Russisch-Orthodoxen Kirche.
    Die Theologin Regina Elsner beschäftigt sich am Zentrum für Osteuropa-Studien in Berlin mit der Russisch-Orthodoxen Kirche. (Deutschlandradio - Ronny Blaschke)
    "Ich habe das Gefühl, dass der Sport für die Kirche wichtiger geworden ist, seitdem der Druck auf Russland sich international so erhöht hat. Und das ist eben 2014 besonders nach der Ukraine sehr deutlich geworden. Und dann gab es die großen Dopingskandale. Es gab die Korruptionsvorwürfe auch im Fifa-Kontext oder überhaupt im Weltsport. Da hat die Kirche sich sehr stark an die politische Meinung angehängt. Dass das Angriffe von außen sind, die quasi Russland schaden und die nicht gerechtfertigt sind."
    Staat und Religion stärken einander
    Unter Wladimir Putin hat die orthodoxe Kirche an Einfluss gewonnen. Staat und Religion profitieren voneinander. Der Patriarch Kyrill hat als Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche mehrfach Sportler empfangen und in seinen Reden angesprochen, zuletzt im Winter die Olympiasieger im Eishockey. Oft wird der Sport dabei als Instrument im "Kampf der Zivilisationen" gedeutet, zur "Stärkung des Vaterlandes". In Brasilien hatte die Katholische Bischofskonferenz die Vorbereitungen auf die WM 2014 mit kritischen Kampagnen begleitet, auch gegenüber der Politik. Und wie sieht es in Russland aus?
    Beteuerungen, dass Betrug im Sport nichts zu suchen habe
    "Es gibt immer mal wieder Anklänge daran, dass natürlich Korruption und Betrug und auch Umweltzerstörung, diese Themen, dass das im Sport nichts zu suchen haben sollte: Die sind aber so allgemein, dass man die auf den Rest der Welt auch beziehen kann und nicht nur auf Russland. Wenn die Kirche darauf angesprochen wird, dann sagt sie meistens:
    Erstens sind wir kein Menschenrechtsinstitut und haben uns nicht darum zu kümmern, sondern wir sind was anderes als diese ganzen gesellschaftlichen Kämpfe. Ich glaube, dass sie inzwischen so eng mit der Politik zurzeit verbandelt ist, dass sie eben doch was zu befürchten hätte. Ich glaube, vor zehn oder zwanzig Jahren wäre das noch etwas anderes gewesen."
    Stärkung des religiösen Tourismus
    Während des Kommunismus stand die Kirche unter einer strengen staatlichen Kontrolle. Zu den Olympischen Spielen 1980 in Moskau musste sie eine Kapelle im Athletendorf einrichten, doch nur ausländische Gäste durften dort Seelsorge anbieten. Mittlerweile organisieren die Gläubigen auch selbst Sportfestivals. Vor der WM starteten sie ein Projekt zur Stärkung des religiösen Tourismus. Einige Kräfte fordern sogar eine neue russische Sportphilosophie, als Alternative zu den Olympischen Spielen, die nach ihrer Meinung von Amerika dominiert werden.