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Film der Woche: "Das perfekte Geheimnis"
Die (nicht ganz so) glorreichen Sieben

Ein Abendessen unter sieben Freunden nimmt einen chaotischen Verlauf, als die Tischrunde ein verräterisches Spiel beginnt. Mit "Das perfekte Geheimnis" hat "Fack ju Göhte"-Regisseur Bora Dagtekin ein deutsches Remake des italienischen Komödienerfolgs "Perfetti sconosciuti" aus dem Jahr 2016 gedreht.

Von Jörg Albrecht | 29.10.2019
Schauspieler, Produzent und Regisseur von "Das perfekte Geheimis" bei der Filmpremiere
Schauspieler, Produzent und Regisseur bei der Premiere von "Das perfekte Geheimnis" (www.imago-images.de)
"Rocco, was machst du? Stinkt ein bisschen."
"Immer diese neidvollen Kommentare! Das wird ein Überraschungsmenü."
Doch das Überraschendste an diesem Abend unter Freunden wird nicht der Hauptgang Coq au chocolat sein, den sich Rocco ausgedacht hat und der noch vor sich hin köchelt.
"Tiramisu."
"Gott sei Dank! Ein Gang ist sicher. Ich habe keine Ahnung, was Rocco da fabriziert."
"Schön, dass ihr da seid!"
Die Anwesenden teilen sich auf in drei Paare – Eva und Rocco, Carlotta und Leo, Bianca und Simon – sowie den frisch von seiner Frau getrennten Pepe. Wer sich über die vielen südländisch klingenden Vornamen des Septetts wundert: Bis auf Leo und Simon benutzt Regisseur Bora Dagtekin dieselben Namen wie das italienische Original.
"Bist du eigentlich abergläubisch wegen der Mondfinsternis?"
"Ich habe bestimmt fünf WhatsApp bekommen, was uns heute alles bevorsteht."
Blick in die Privatsphäre
Auch die Mondfinsternis, ja das gesamte Setting ist aus "Perfetti sconosciuti" übernommen worden. Noch entscheidender aber ist die Baugleichheit bei den Dialogen und Pointen – alle nahezu wortwörtlich aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt. Schon während der Vorspeise destilliert sich das abendfüllende Gesprächsthema heraus: Es sind die privaten Daten, die wir alle auf unseren Mobiltelefonen gespeichert haben.
"Ist doch tragisch! Die ganze Familie zerbricht wegen einer SMS."
"Wohl eher wegen einer 22-jährigen Schlampe."
"Wenn ich mit einem Mädchen rumficke, dann lösche ich die SMS doch wenigstens."
"Interessant. Seht ihr das auch so?"
Da jeder in der Runde großspurig beteuert, keine Geheimnisse vor seinem Partner zu haben, hat Eva die Idee zu einem Spiel. Alle sieben müssen ihre Handys auf den Tisch legen und während des gesamten Abends die ankommenden Textnachrichten laut vorlesen, sämtliche Bilder zeigen und jeden eingehenden Anruf auf Lautsprecher stellen. Der Esstisch wird zum Spieltisch.
"Was soll denn daran witzig sein, Eva?"
"Verheimlichst du uns was?"
"Ich habe eher Angst, dass du was zu verheimlichen hast. Wenn du eine Affäre hast, dann will ich es nämlich gar nicht wissen."
"Also, wenn ich eine Affäre hätte, würde ich wohl kaum das Spiel vorschlagen."
Freundschaften werden erschüttert
Es sind vor allem die Männer, die zunächst auffallend cool tun, deren Schweißperlen auf der Stirn aber bereits eine Garantie sind für diverse Enthüllungen, von denen hier natürlich keine verraten wird. Doch spätestens, wenn Leo und Pepe – unbemerkt von den anderen – ihre Handys tauschen, wird aus dem Spiel Ernst. Dann jagt eine Entblößung die nächste. Die Beziehungen und Freundschaften werden bis in ihre Grundfesten erschüttert.
"Jemand hat ein Telegramm bekommen."
"Richtig. Ich habe ja neuerdings Telegramm. Was habe ich da wohl bekommen?"
"Ein Foto von X."
"Oh!"
"Was ist das für ein Foto?"
"Ist privat."
"Spiel das Spiel!"
"Nein."
"Heute Abend ist nichts privat."
"Nein."
"Mach' die Hand da weg!"
"Nein."
"Das perfekte Geheimnis" ist eine launige Konversationskomödie, oft näher an einem Boulevardstück als einer scharfzüngigen Satire. Aber die Pointen sitzen, das Tempo ist hoch und das Timing stimmt auch.
Eine universelle Geschichte
Die Eins-zu-eins-Kopie unterstreicht die Universalität der italienischen Geschichte. Anders ausgedrückt: Keines der Remakes existiert, weil es an den jeweiligen Kulturkreis hat angepasst werden müssen. Welche Unterschiede sollten das auch sein beim Thema Fremd- und Hintergehen, also den Heimlichtuereien? All diese Remakes gibt es nur, damit die Kinogänger – egal wo auf der Welt – die Geschichte mit ihren Stars erleben können. Das erinnert an ein Phänomen der 1960er- und 70er-Jahre, als es von so ziemlich jedem fremdsprachigen Hit auch eine deutsche Coverversion gab.
"Keine Geheimnisse. Oder doch?"
"Lassen wir die Hosen runter!"
"Oh ja, das ist lustig."
Der beste Witz aber ist, dass die vier Männer der Runde alte Schulfreunde sein sollen. Denn gespielt werden sie von Wotan Wilke Möhring, 52, Florian David Fitz, 44, Elyas M’Barek, 37, und Frederick Lau, 30. Gut, dass Letzterer schon so alt aussieht und Möhring mit seinen 52 Lenzen noch so jung. Offenbar ist es hierzulande nicht möglich, vier zugkräftige Mimen aus einer Altersgruppe zusammenzubringen. Deutschland leidet eben unter akutem Filmstar-Mangel.